Subject: ACM-Informationen SPEZIAL vom 8. Februar 2000 Date: Tue, 8 Feb 2000 22:50:22 +0100 From: "Association for Cannabis as Medicine" To: acm-informationen@acmed.org ------------------------------------------------------------ ACM-Informationen SPEZIAL vom 8. Februar 2000 ------------------------------------------------------------ * Bundesverfassungsgericht nimmt Verfassungsbeschwerde von acht Patienten nicht zur Entscheidung an * Höchstes deutsches Gericht eröffnet Perspektiven für das weitere Vorgehen Am 14. Dezember 1999 haben acht Personen, die an schweren Erkrankungen (Multiple Sklerose, HIV, Hepatitis C, Epilepsie u.a.) leiden, Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingelegt. Sie wollen erreichen, dass sie zur Linderung ihrer Leiden Cannabisprodukte medizinisch verwenden dürfen, ohne strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt zu sein. Mit seinem Beschluss vom 20. Januar, der heute veröffentlicht wurde, hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG Karlsruhe durch die Präsidentin des BVerfG, Frau Limbach, und die Verfassungsrichter Hassemer und Broß die Verfassungsbeschwerde aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführer hätten zunächst einmal den Rechtsweg ausschöpfen müssen, erklärten die Richter in ihrer Begründung. Dennoch sehen die Anwälte der Beschwerdeführer, Prof. Dr. Lorenz Böllinger und Robert Wenzel (Bremen), und der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, Dr. Franjo Grotenhermen (Köln), in der Entscheidung einen Teilerfolg, da die ausführliche Begründung Patienten mögliche Perspektiven zur Erlangung ihres Zieles eröffne, die bisher als aussichtslos galten. Das deutsche Betäubungsmittelgesetz (BtmG) erlaubt die Verwendung von Substanzen nach der Anlage 1 des BtmG nur zu “wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken”. Bisher galt ein Antrag auf eine Behandlung mit Cannabis beim zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Berlin als aussichtslos, zumal die rigide Praxis des BfArM bei der Erteilung solcher Genehmigungen selbst für die klinische Forschung bekannt ist. Das Bundesverfassungsgericht stellte jedoch in seiner Begründung fest: "Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist danach auch ein öffentlicher Zweck, der im Einzelfall die Erteilung einer Erlaubnis (...) rechtfertigen kann." Eine Entscheidung über entsprechende Anträge von Patienten an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte stünden zwar "im Ermessen" des Bundesinstitutes, jedoch "haben Antragsteller einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung." Ein entsprechender Antrag sei "nicht von vornherein aussichtslos". Auch für die Fälle von Selbstmedikation außerhalb ärztlicher Behandlung zeigt das BVerfG einen Weg auf: Ein Antrag auf vorbeugenden Rechtsschutz gegen polizeiliche oder staatsanwaltliche Ermittlungen gemäß § 23 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz kann Patienten vor den Unannehmlichkeiten eines Ermittlungsverfahrens bewahren. Prof. Böllinger: "Die Entscheidung zeigt trotz der Nichtannahme, dass das BVerfG die Option einer medizinischen Behandlung mit Cannabis ernst nimmt und bemüht ist, dafür einen gangbaren Weg aufzuzeigen. Sie bindet Verwaltung und Gerichte für zukünftige Verfahren. Patienten können nunmehr über ihre Behandler entsprechende Anträge beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte stellen, welches die Maßgaben des BVerfG berücksichtigen muss. Gegebenenfalls muss eine ablehnende Entscheidung dann vor den Verwaltungsgerichten angefochten werden. Im äußersten Falle bleibt eine erneute Verfassungsbeschwerde." Dr. Grotenhermen: "Es bleibt abzuwarten, ob das BfArM sich zukünftig weiterhin so strikt ablehnend verhält wie bisher. Mittelfristig ist es sicherlich kein sinnvoller Zustand, dass das Institut in einem langwierigen Verfahren über die Behandlungswürdigkeit eines Patienten mit Cannabis entscheidet. Dies sollte, wie bei anderen Medikamenten auch, die Entscheidung des behandelnden Arztes in Abstimmung mit seinem Patienten sein. Die Ausführungen des BVerfG können jedoch als weiterer Ansatzpunkt gesehen werden, der Bewegung in die unbefriedigende rechtliche Situation bringen kann und daher genutzt werden sollte. Sie können auch als Aufforderung an die Politik verstanden werden, rechtliche Grundlagen für eine medizinische Verwendung von Cannabisprodukten zu schaffen und das Betäubungsmittelgesetz entsprechend zu ändern." Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin wird zusammen mit Prof. Böllinger und dem Kriminologen Robert Wenzel das weitere Vorgehen beraten und ACM-Mitgliedern und weiteren Interessierten entsprechende Empfehlungen in dieser Frage zukommen lassen. (Quellen: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Januar 2000 (AZ2 BvR 2382  2389/99), Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Januar 2000, Pressemitteilung der Universität Bremen vom 8. Januar 2000, Presseagenturmeldungen von dpa und AP vom 8. Januar 2000) Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e. V. (ACM) Maybachstraße 14 D-50670 Köln Deutschland Fon: +49 (0)221-912 30 33 Fax: +49 (0)221-130 05 91 Email: info@acmed.org Internet: http://www.acmed.org