Betreff: ACM-Informationen vom 29. November 1997 Datum: Sun, 30 Nov 1997 00:03:47 +0100 ------------------------------------------------------------------------------- ACM-Informationen vom 29. November 1997 ------------------------------------------------------------------------------- Die Informationen der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) erscheinen in 14-tägigem Rhythmus. Anzahl der Empfänger: 38 1. Umstufung von Delta-9-THC in Deutschland voraussichtlich ohne den Zusatz "synthetisch" Das pharmakologisch wirksame Isomer des Delta-9-THC der Hanfpflanze, das (-)-Delta-9-trans-Tetrahydrocannabinol, welches auch unter dem Namen Dronabinol bekannt ist, soll nach dem Willen der Bundesregierung und der Länder von der Anlage II in die Anlage III des deutschen Betäubungsmittelgesetzes umgestuft werden, damit es dann rezeptierfähig wird. In einer früheren Version des Entwurfes der geplanten 10. Betäubungsmitteländerungsverordung sollte diese Umstufung auf synthetisches THC begrenzt sein. In der jüngsten Version wurde dieser Zusatz fallengelassen. Hier war nur noch in der Begründung von der Ermöglichung einer Rezeptierfähigkeit von synthetischem THC die Rede. Nun soll nach Aussagen aus dem Bundesgesundheitsministerium das Wort "synthetisch" ganz aus dem Entwurf herausfallen. In der kommenden Woche trifft sich nach Angaben aus dem hessischen Gesundheitsministerium der Gesundheitsausschuß der Gesundheitsministerkonferenz. Dort werde der endgültige Text formuliert, über den jedoch in der Frage des THC bereits Übereinstimmung herrsche. Aus dem Bundesgesundheitsministerium verlautete, daß man durchaus keine Sonderbehandlung von THC bzw. Cannabis beabsichtige. Von einer Diskriminierung könne keine Rede sein. Sollte eine Gewinnung von Dronabinol aus der Pflanze möglich sein, so wolle man dies ermöglichen. Die weitergehenden Forderungen der ACM seien jedoch mit der Arzneimittelgesetzgebung nicht in Übereinstimmung zu bringen. Sollten klinische Studien die Wirksamkeit einer Ganzpflanzenzubereitung zeigen und sollte ein pharmazeutisches Unternehmen eine Zulassung beantragen, so werde man eine Zulassung als Medikament vorurteilsfrei prüfen. In einem Interview mit der Wirtschaftswoche hatte Eduard Lintner, Drogenbeauftragter der Bundesregierung bereits Anfang November 1997 erklärt: "Wenn sich herausstellen sollte, daß die Naturmedizin wirklich besser ist, dann müssen wir Wege finden, den Extrakt aus der Cannabispflanze als Arznei zuzulassen." (Quelle: Wirtschaftswoche vom 6. November 1997; persönliche Mitteilungen aus dem Bundesgesundheitsministerium und dem hessischen Gesundheitsministerium) 2. Stellungnahmen medizinischer Gesellschaften zu Cannabis als Medizin In Grußworten bzw. Schreiben an die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin zur Fachtagung "Cannabis und Cannabinoide als Medizin" am 22. November erläuterten verschiedene Vertreter aus dem deutschen Gesundheitssektor ihre Positionen zur arzneilichen Verwendung von Cannabisprodukten. In seinem Grußwort forderte Dr. med. Ingo Flenker, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe und Vorsitzender des Ausschusses Sucht und Drogen der Bundesärztekammer, daß der "nützliche medizinisch-therapeutische Einsatz von Cannabis legal mög-lich wird, damit die derzeitige Krimi-nalisierung von Ärzten und Patienten endlich aufhört." Der derzeitige Status der Illegalität führe dazu, "daß eine weitergehende Forschung zum medizinisch-therapeutischen Einsatz von Cannabis kaum möglich ist. Ebenso wird eine vertiefende Erforschung der Wirkmechanismen, verbesserter Pflanzenzüchtungen, geeigneter Applikationsformen usw. nicht nur massiv erschwert, sondern leider damit auch zum Teil verhindert." Ähnliche Forderungen erhoben Dr. med. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident des SCHMERZthe-rapeutischen Kolloquiums, der größten schmerztherapeutischen Gesellschaft in Europa, Dr. Hans-Josef Linkens von der Deutschen AIDS-Hilfe e. V. und Dr. med. Rainer Ullmann, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Drogen- und Suchtmedizin. Dr. Gerhard Müller-Schwefe kündigte einen Workshop zum Thema im Rahmen des Deutschen Schmerztages 1998 in Frankfurt/Main an. Dr. Rainer Ullmann stellte unter den Ärzten einen zunehmenden Wunsch nach sachlicher Infor-mation über das arzneiliche Potential der Hanfpflanze fest: "Wir freuen uns, diese jetzt auf die ACM aufmerksam machen zu können und sehen die vorurteilsfreie Wissenserweiterung in neue oder wiederentdeckte Heilmöglichkeiten im Sinne unserer Patienten als vorrangige ärztliche Auf-gabe an. Dr. Axel Horstmann, Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, wies darauf hin, daß der Einsatz von Wirkstof-fen der Hanfpflanze bei einer Reihe von Krankheitsfällen durchaus sinnvoll sein könne, allerdings müsse bei einer medizinischen Verwendung ein Mißbrauch ausgeschlossen werden. Dies sei "derzeit für die Hanfpflanze bzw. den pflanzlichen Wirkstoff nicht gegeben". Daher habe man sich "im Rahmen der anstehenden 10. Betäubungsmittelrechtsänderungsverordnung für die Ver-schreibungsfähigkeit eines entsprechenden synthetischen Äquivalents entscheiden müssen. Sollten alsbald Arzneiformen auf pflanzlicher Hanfbasis entwickelt werden, und sollten diese den Be-stimmungen des Arzneimittelgesetzes entsprechen, werde ich mich für eine Änderung des Betäu-bungsmittelgesetzes einsetzten." Prof. Dr. med. D. Seidel schrieb als beratender Neurologe der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft an die ACM, daß die bisherigen Ergebnisse über den Einsatz von Cannabinoiden "von Experten recht unterschiedlich interpretiert werden. Von daher ist eine abschließende Bewertung des therapeutischen Wertes von Cannabinoiden zur Behandlung einzelner MS-Symptome noch nicht möglich." Der ärztliche Beirat der MS-Gesellschaft werde "jedoch die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet sorgfältig im Auge behalten. Ungeachtet dessen wünschen wir natürlich Ihrer Fachtagung einen erfolgreichen Verlauf." Auch das Deutsche Ärzteblatt befaßt sich in der jüngsten Ausgabe erstmals mit dem arzneilichen Potential der Hanfpflanze. "Cannabis beschäftigt die Schmerzforscher" titelt ein Beitrag in der Ausgabe 48/1997. 3. Mitgliederversammlung der ACM fordert Unterstützung der Forschung durch die öffentliche Hand Auf der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin am 22. November beschlossen die Anwesenden Mitglieder aus Deutschland, der Schweiz und Österreich eine Resolution zur Forschungsförderung. "Die Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) e. V. fordert staatliche Institutionen und Behörden in Deutschland, der Schweiz und Öster-reich auf, die Erforschung des arzneilichen Potentials der Hanfpflanze (Cannabis sativa L.) und der Cannabinoide organisatorisch und finanziell zu fördern. Die ACM fordert, daß nicht nur die Untersuchung der möglichen negativen Auswirkungen einer Cannabis-verwendung sondern auch die Erforschung möglicher nutzbringender pharma-kolo-gi-scher Wirkungen eine deutliche finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand erfährt." In der schriftlichen Begründung heißt es: "Statt einer Förderung ist bisher vielfach eine Behinderung der Forschung durch staatli-che Behörden festzustellen. Das US-amerikanische NIH (National Institutes of Health) hat dagegen am 8. August 1997 im Ergebnis ihres „Workshop on the Medical Utility of Marijuana" vom 19.-20 Februar 1997 eine ausführliche Stellungnahme veröf-fentlicht, nach der die Erforschung des medizinischen Potentials von Marihuana finan-ziell vom Staat gefördert werden sollte." 4. Diskussionen um Legalisierung von Marihuana für medizinische Zwecke in Kanada Die kanadische Justizministerin Anne McLellan forderte nach Angaben der Zeitung Ottawa Citizen vom 21. November eine nationale Debatte über die Frage der arzneilichen Verwendung von Marihuana. "Wir sollten als Kanadier nicht ängstlich sein, dieses Thema zu diskutieren", wird sie zitiert. "Ich denke, daß dies ein Thema ist, das der Untersuchung wert ist." Nach ihrer Ansicht sollte die Debatte von Vertretern aus den Gesundheitsberufen und von den Gesundheitsministern unter Einbeziehung von Patientenorganisationen geleitet werden, da es sich um ein Gesundheitsthema handle. "Es sind vermutlich die im Gesundheitswesen Tätigen, Patienten und andere aus diesem Bereich, die helfen können, uns anderen die Dimension dieser Debatte zu vermitteln, und die darüber nachdenken, welche Mittel wir haben, die bei einer Lösung dieses offensichtlich schwierigen sozialen Problems helfen könnten." Frau McLellan sagte, daß sie das Thema mit dem Gesundheitsminister Allan Rock diskutiert habe. Vertreter beider Ministerien würden diskutieren, "wohin wir möglicherweise gehen sollten". Sie räumte ein, daß solange keine Gesetzesänderung vorgenommen sei, Personen, die Marihuana aus medizinischen Gründen verwenden, weiterhin von Strafverfolgung bedroht seien. Parlamentarier verschiedener Parteien des kanadischen Parlamentes unterstützen die Schaffung einer legalen Möglichkeit zur Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken, darunter Jim Hart von der Reform-Partei und Carolyn Bennett von der liberalen Partei. Die politische Diskusssion war angeheizt worden durch eine Pressemeldung vom 10. November über ein Untergrund-Netzwerk zur Verteilung von Marihuana an Schwerkranke in der Region von Ottawa. Die Polizei hatte daraufhin angekündigt, man werde gegen diese Gesetzesbrüche vorgehen. In einer Umfrage vom Oktober 1997 hatten sich 83 Prozent der Kanadier für eine Legalisierung von Marihuana zu therapeutischen Zwecken ausgesprochen hatten. (Quellen: Ottawa Citizen vom 10. November und 21. November 1997) 5. Britische medizinische Gesellschaft fordert von den Strafgerichten Mitleid bei Cannabisbesitz von Schwerkranken Am 18. November stellten Vertreter der britischen medizinischen Gesellschaft (BMA, British Medical Association) eine Veröffentlichung der BMA zur therapeutischen Verwendung von Marihuana mit dem Titel "Therapeutic Uses of Cannabis" vor. Dr. Heather Ashton von der Universität von Newcastle sagte, daß Cannabinoide Kranken, die an so verschiedenen Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Appetitlosigkeit und Glaukom leiden, Linderung verschaffen könnten. Dr. Vivienne Nathanson, Leiterin der Gesundheitspolitik für die Gruppe der Ärzte, appelierte an die Gerichte, daß sie bis zu einer Gesetzesänderung Mitleid im Umgang in jenen Fällen zeigen sollten, bei denen schwerkranke Patienten im Zusammenhang mit Cannabisbesitz betroffen seien. Als erster Schritt sollte die Forschung mit Cannabinoiden erleichtert werden. Wissenschaftler sollten die therapeutische Wirksamkeit von Cannabinoiden ohne eine spezielle Erlaubnis erforschen dürfen. Nathanson meinte, daß es 10 bis 15 Jahre dauern könne, bevor die Forscher wüßten, welche Substanzen wirklich wirksam seien. Die BMA-Publikation "Therapeutic Uses of Cannabis" ist als Buch erhältlich (Paperback oder Hardcover) bei Harwood Academic Publishers. Weitere Informationen sind erhältlich bei der BMA: BMA House, Tavistock Square, London WC1H 9JP. (Quellen: Reuters vom 18. November 1997, persönliche Mitteilung Roger Pertwee) Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e. V. (ACM) Maybachstr. 14 D-50670 Köln Telefon: +49 (0)221-912 30 33 Telefax: +49 (0)221-130 05 91 Email: ACMed@t-online.de Internet: www.hanfnet.de/acm Wenn Sie von der Email-Liste genommen werden möchten, so schicken Sie eine Email an: ACMed@t-online.de.