DroLeg Übersicht Für eine vernünftige Drogenpolitik

Ein Gebot der praktischen Vernunft
von Günter Amendt

Die Schweizer Bevölkerung hat die historisch einmalige Chance, mit einem Ja zur DroLeg-Initiative eine Kehrtwendung in der internationalen Drogenpolitik einzuleiten. Wenn da nur nicht die Angst vor der eigenen Courage wäre.

Die Legalisierung von Drogen wird kommen, selbst wenn die «DroLeg» - was ziemlich wahrscheinlich ist - von den StimmbürgerInnen zurückgewiesen wird. Sollte sich der Kapitalismus in seinem Globalisierungs- und Deregulierungswahn einen Rest von Vernunft - von kapitalistischer Vernunft - bewahrt haben, dann wird die politische Klasse in den Konsumentenländern unter dem Druck ökonomischer Interessen den längst überfälligen Kurswechsel einleiten. Das sogenannte Drogenproblem ist Ausdruck einer gigantischen gesellschaftlichen Fehlentwicklung, Resultat falscher Analysen und Folge einer Blickverengung, die sich auf jeweils nur einen bestimmten Aspekt des Problems fokussierte und andere Aspekte ignorierte. Mal ist es der juristische, mal der medizinisch-therapeutische, mal der präventive, mal der pharmakologische, mal der politisch-ökonomische Aspekt - nie ist es der Blick aufs Ganze.

Prohibition schädlicher als die Drogen selbst

Die DroLeg-Initiative ist das Ergebnis einer Güterabwägung, die alle Aspekte des sogenannten Drogenproblems miteinander verglichen und gegeneinander abgewogen hat. Sie befindet sich damit auf dem Stand der internationalen Diskussion, denn in Fachkreisen aber auch in der seriösen Mediendiskussion wurde der Abschied vom Prohibitionsdogma längst eingeleitet.
Auch die mit der Entwicklung und Darstellung drogenpolitischer Szenarien beauftragte «Subkommission Drogenfragen» der Eidgenössischen Betäubungsmittelkommission schlägt mehrheitlich «eine Legalisierung der Drogen mit differenzierter, reglementierter Zugänglichkeit» vor. Dabei legt die Kommissionsmehrheit Wert auf die Feststellung, dass die Befürwortung einer Drogenlegalisierung nicht aus Resignation oder gar Gleichgültigkeit erfolge, sondern aus der Erkenntnis, «dass in einer Gesamtbilanz die negativen Auswirkungen der aktuellen Gesetzgebung und ihre Anwendung wahrscheinlich schädlicher sind als diejenigen der Drogen selbst.»

Abstimmung als politisches Novum

Eben diese Einschätzung ist auch der Ausgangspunkt der «DroLeg-Initiative», die ein kühnes doch keinesfalls ein verwegenes Projekt ist und darüber hinaus historisch ein einmaliges Ereignis. Zwar wurde hier und da, wo es das politische System erlaubt, die Bevölkerung eines Landes aufgerufen, sich zu bestimmten Detailfragen der Drogenpolitik zu äussern. So haben die Stimmberechtigten der US- Bundesstaaten Kalifornien und Arizona vor zwei Jahren in einer Volksabstimmung die medikalisierte Abgabe von Cannabis an HIV-Positive und an SchmerzpatientInnen durchgesetzt.
Doch noch nie war die Bevölkerung eines Landes aufgerufen, sich mittels Stimmabgabe für einen drogenpolitischen Kurs zu entscheiden, der allem zuwiderläuft, was bisher unter erheblichem Propagandaaufwand als der einzig richtige Weg dargestellt wurde.

Zusammenbruch des illegalen Drogenmarktes

Die DroLeg- Initiative verspricht keine «Lösung» des Drogenproblems. Das macht die Ernsthaftigkeit des Projektes und die Glaubwürdigkeit seiner Initiantlnnen aus. Es werden weiterhin Drogen konsumiert werden, und es wird weiterhin Menschen geben, die in einen Suchtkreislauf geraten werden. Die Fachöffentlichkeit ist sich jedoch darin einig, dass sich die Überlebenschancen von Drogenabhängigen erhöhen, wenn der Stoff, auf den sie nicht verzichten können oder nicht verzichten wollen, garantiert sauber und entsprechend dosierbar ist. Und niemand wird im Falle einer Legalisierung von Drogen zu kriminellen Handlungen oder sich zu prostituieren gezwungen sein, nur um den Hunger nach Opiaten zu stillen.
Denn so viel ist sicher: In dem Augenblick, in dem der Staat das Drogenmonopol übernimmt und Drogen zum Preis ihrer Gestehungskosten defensiv vermarktet, ist das Organisierte Verbrechen aus dem Geschäft. Der Angebotsdruck wird nachlassen, der illegale Markt zusammenbrechen. Das ist keine Glaubensfrage sondern eine ökonomische Gesetzmässigkeit.

Die Prognose einer Nachfrageexplosion ist nicht belegbar

Nicht oder nur schwer prognostizierbar ist dagegen die Entwicklung der Nachfrage im Falle einer regulierten Freigabe von Drogen. Das ist zweifellos die argumentative Schwachstelle der DroLeg-Initiative, die der Horrorpropaganda ihrer GegnerInnen nur Plausibilitätsüberlegungen entgegenzusetzen hat. Eine wissenschaftlich gesicherte und empirisch belegte Beweisführung für die Richtigkeit des von der DroLeg vorgeschlagenen Weges gibt es nicht, kann es nicht geben, denn die DroLeg ist historisch ohne Beispiel.
Die Erfahrungen mit der Alkoholprohibition in den USA sind nur bedingt übertragbar. Damals fiel man nach der Aufhebung des strikten Alkoholverbotes von einem Extrem ins andere. Von nun an waren Alkoholika ohne Einschränkungen zur Vermarktung freigegeben. Die «DroLeg» ist kein Projekt neoliberaler Marktfetischisten. Eine Drogenlegalisierung ohne staatliche Rahmenbedingungen - ohne Auflagen und Verbote - ist nicht verantwortbar.
Das DroLeg Modell sieht solche Auflagen und Verbote vor. Trotzdem unterstellen die Gegner der Initiative eine Nachfrageexplosion für den Fall einer Freigabe, ohne ihrerseits einen empirischen Beleg für diese Unterstellung liefern zu können. Die Annahme, auf die sie sich stützt, belegt nur einmal mehr, wie wenig die VertreterInnen des status quo von den Präferenzen und Motiven der Drogenkonsumlerenden verstanden haben. Denn nicht jeder und jede ist scharf auf jede Droge, die am Markt frei erhältlich ist. In den Niederlanden, wo Cannabis quasi legal und jederzeit verfügbar ist, blieb die Zahl der Cannabis-KonsumentInnen über Jahre hinweg konstant mit leicht fallender Tendenz.

Ein gewisses Risiko ist nicht auszuschliessen

Die DroLeg-Initiative nimmt das Risiko einer zumindest vorübergehenden Nachfragesteigerung bei der einen oder der anderen heute illegalisierten Droge in Kauf. Sie hält dieses Risiko für vertretbar. Das sollte nicht verschwiegen werden, auch wenn sich am Ende herausstellt, dass das Risiko keines war. Wer die DroLeg befürwortet, hat die Tatsache akzeptiert, dass es eine drogenfreie Gesellschaft nicht gibt, nie gab und nie geben wird. Wer die DroLeg unterstützt, ist bereit, sich von allen ideologischen Vorbehalten und Obsessionen freizumachen, denn die staatlich kontrollierte Legalisierung von Drogen ist weder ein rechtes noch ein linkes Projekt, sondern ein Gebot der praktischen Vernunft.

Ein unglücklicher Zeitpunkt

Mit der eindrücklichen Zurückweisung ihrer Initiative «Jugend ohne Drogen» haben die Vertreter des Irrationalen in der schweizerischen Drogendiskussion eine schwere Niederlage erlitten. Um so energischer werden Sie nun versuchen, die DroLeg-Initiative zum Scheitern zu bringen. Der Abstimmungszeitpunkt kommt ihnen gelegen, denn das Thema Drogen scheint in der Schweiz fürs erste ausgereizt. Das Land hat andere Probleme. «Die Schweiz ist am Anschlag», diagnostizierte die «Weltwoche» in einem Leitartikel und zählte die Symptome des Stillstandes - von der «enervierenden Warterei» auf den Abschluss der bilateralen Verhandlungen mit der EU bis zum verweigerten UN-Beitritt - akribisch auf. Die Schweiz habe nach dem Zweiten Weltkrieg «die isolationistische Handbremse nie richtig gelöst. In der Aussenpolitik wartete sie ab, schaute zu und versuchte, alle Türen offenzuhalten.»

Die Interessen hinter der Prohibition

Es hat was Groteskes, wenn nun im Zusammenhang mit der DroLeg-Abstimmung ausgerechnet jene isolationistischen Kreise, die sich ansonsten einen Dreck um die Reaktionen des Auslandes kümmern, ihre Ablehnung der DroLeg mit den zu erwarteten Negativreaktionen des Auslandes begründen. Auch ihr Hinweis auf die Drogenkonvention der Vereinten Nationen, die es einzuhalten gelte, ist reine Demagogie.
Keine Frage, die DroLeg steht im Widerspruch zum Prohlbitionskurs der «Vereinten Nationen» und deren Unterorganisationen. Aber so zu tun, als handele es sich bei der UN-Drogenkonvention um das Ergebnis eines göttlichen Ratschlusses oder das Urteil eines neutralen Weltgerichtes, ist ebenso naiv wie grotesk. Der in Wien domizilierte Suchtstoffkontrollrat der UN agiert wie eine Stabsabteilung des US-Aussenministeriums. Hier geht es um knallharte Interessenpolitik. Mit ihrem «Krieg gegen Drogen» verfolgten die USA erklärtermassen immer auch weitergehende und übergeordnete aussenpolitische Kriegsziele. Diese Politik des «second target» trifft in den Gremien der Vereinten Nationen nur deshalb auf Zustimmung, weil sich die aussenpolitischen Interessen der USA, mit den Profitinteressen der nationalen Bourgeoisien in den Produktions- und Transitländern decken.

Dem Druck des Auslandes widerstehen

Aus europäischer Sicht wäre die Annahme der DroLeg-Initiative ein erster Schritt zur unvermeidlichen Entkoppelung der europäischen Drogenpolitik von der US-amerikanischen Drogenkriegsstrategie. Es ist absehbar, dass die politische Klasse der Schweiz aber auch die Medienöffentlichkeit aus Angst vor aussenpolitischem Druck nicht bereit ist, die der Schweiz zugefallene Avandgarde-Rolle in der europäischen Drogenpolltik selbstbewusst zu übernehmen und offensiv zu vertreten.
Die Befürchtung aussenpolitisch unter Druck zu geraten ist durchaus nicht unbegründet. Schon bei der Durchsetzung der medikalisierten Opiatabgabe bekam die politische Klasse der Schweiz Druck von aussen zu spüren. Die Einmischung des Suchtstoffkontrollrates der Vereinten Nationen (INCB) in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates ging bis zur Infragestellung des politischen Systems der direkten Demokratie. Doch die Schweiz hat dem Druck widerstanden und das Projekt realisiert, ohne aussenpolitisch Schaden zu nehmen.

Warten auf eine Liberalisierung in Deutschland?

Wenn Angst ein Argument ist, dann ist die Angst vor einem Alleingang der Schweiz das wohl stärkste Argument gegen die DroLeg-Initiative. Wäre es nicht klüger, erst einmal eine Initiative zur Legalisierung von Cannabis zu lancieren und im übrigen zu warten, bis auch im benachbarten Ausland die Einsicht in das Scheitern der Prohibitionspolitik gereift ist? Auf den ersten Blick ein bestechendes Argument.
Denn sollte es nach der Septemberwahl in der Bundesrepublik Deutschland zu einem Regierungswechsel kommen, und vorausgesetzt, die heutigen Oppositionsparteien stehen auch nach der Wahl zu ihren parlamentarischen Initiativen und drogenpolitischen Parteitagsbeschlüssen, dann wird auch in der Bundesrepublik realisiert werden, was in der Schweiz und in den Niederlanden längst Standard ist. Fixerräume werden legalisiert und die medikalisierte Abgabe von Opiaten an sogenannte Schwerstabhängige wird zugelassen werden. In einer rot-grünen Regierung würde auch der Umgang mit Cannabis neu geregelt werden, schliesslich harrt die Aufforderung des Bundesverfassungsgerichtes, Mindestmengen für den straffreien Konsum von Cannabis festzulegen, noch immer ihrer Umsetzung. Das wäre in der Tat eine eindrückliche Bestätigung des in der Schweiz eingeschlagenen Kurses.

Schluss mit der Unterstützung des illegalen Drogenhandels

Doch das Warten auf eine europäische Lösung hat seinen Preis. Der internationale Drogenhandel ist ein hoch organisiertes Geschäft. Die reiche Schweiz mit ihrer harten Währung und ihren willigen Banken ist und bleibt eines der bevorzugten Operationsziele des internationalen Drogengeschäfts. Würde Heroin an der Börse gehandelt, dann würde allein schon die Mitteilung, dass (zunächst) alles so bleibt wie es ist, zu einem Kursanstieg führen. Die ProduzentInnen in den Anbauländern würden verstärkt neue Mohnfelder anlegen, neue Labors bauen und neue Vertriebswege erschliessen. Es gibt nur eine Strategie diesem Treiben ein Ende zu machen: DroLeg.


Günter Amendt, Soziologe und Publizist aus Hamburg, hat sich in mehreren Büchern kritisch mit der Prohibitionspolitik gegenüber Drogen auseinander gesetzt.

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Dieser Artikel erschien im «SuchtMagazin» 5/98, Ramsteinerstr. 20, 4052 Basel, 061 - 312 49 00
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[ Letzte Aktualisierung 26.10.98 / hf ]