Haste Haschisch in der Tasche, haste Pech gehabt!


Eine tragbare elektronische Spürnase aus Berlin soll die Suche nach illegalen oder gefährlichen Substanzen erleichtern

von Josef Zens

Ein Polizist winkt ein Auto an den Fahrbahnrand, fragt nach den Papieren und beugt sich dazu zum geöffneten Fenster des Fahrers hinunter. Er schnuppert, sieht sich den Mann hinter dem Steuer an und fragt: "Haben Sie etwas getrunken?"

Der Alptraum jedes Zechers läßt die Konsumenten von Designer-Drogen oder anderen illegalen Stoffe meist kalt. Denn bei welcher Verkehrskontrolle haben die Polizisten schon die verschiedenen Teststreifen für Haschisch (Cannabis), Kokain oder Ecstasy dabei und wissen sie auch gezielt anzuwenden?

Eine effektive Kontrolle könnte möglicherweise Leben retten. Nach ADAC-Schätzungen werden in Deutschland bei Autounfällen, bei denen die Fahrer unter dem Einfluß illegalen Drogen standen, jährlich 150 Menschen getötet, 4 000 erleiden Verletzungen.

Ein kleines Gerät aus Berlin-Adlershof, ungefähr aktenkoffergroß, könnte der Polizei bald die Arbeit erleichtern. Anstatt verschiedener Tests, die Alkohol im Atem oder Haschisch und andere Drogen in Speichel und Schweiß nachweisen, soll ein einziger Detektor selbst winzige Mengen legaler und illegaler Drogen identifizieren. Hierfür muß lediglich eine Probe, zum Beispiel eine verdächtige Pille oder einen Tropfen Speichel, an ein Meßröhrchen gehalten werden. Das Ergebnis liegt in Sekundenschnelle vor.

Bei einer Forschungsmesse in Stuttgart hat die Firma "Institut für Umwelttechnologien" (IUT) jüngst einen Prototypen vorgestellt. "Mir ist kein ähnliches Gerät aus Deutschland bekannt", sagt Holger Bensch, der das tragbare "Ionenmobilitätsspektrometer" entwickelt hat. Ein kanadischer Hersteller bietet mobile Drogendetektoren bereits an - Stückpreis: rund 150 000 Mark. Das Berliner Gerät soll nur ein Drittel davon kosten.

Die Maschine funktioniert im Prinzip wie ein sogenanntes Massenspektrometer. Moleküle der zu analysierenden Substanz werden darin in elektrisch geladene Teilchen verwandelt. Diese "Ionen" fliegen durch ein Hochspannungsfeld, in dem sie je nach Art des Stoffes unterschiedlich stark abgebremst oder beschleunigt werden. Danach treffen die Teilchen auf eine Elektrode und erzeugen einen Stromimpuls. In Bruchteilen von Sekunden entsteht aus dieser Signalabfolge eine Kurve mit spezifischen "Zacken" für jede Substanz.

Im Unterschied zu herkömmlichen Massenspektrometern kommt das IUT-Gerät ohne eine Vakuumkammer aus. Die Ionen sausen bei normalem Luftdruck durch die Meßapparatur und erzeugen die charakteristischen Kurven. Ein weiterer Vorteil: Die Proben müssen nicht mit Chemikalien vorbehandelt werden. Es reicht, sie unter die "Spürnase" zu halten. Diese saugt die Moleküle ein, welche auch von festen Substanzen wie Pillen in die Umgebungsluft übertreten. Ein integrierter Computer vergleicht die Signale in Form einer Kurve mit vorher eingespeisten Mustern und gibt, so das Ziel der Forscher, den Namen der Substanz oder Stoffgruppe auf einem Display bekannt. Derzeit ist nur die Kurve zu sehen.

Bei einer Demonstration hält der Toxikologe Walter Katzung, Projektleiter Drogen bei IUT, ein Reagenzglas mit einer Tablette unter die Spürnase des Geräts - ein Röhrchen, das aus der Front des Apparates ragt. Blitzschnell erscheint auf einem Monitor eine Kurve mit etlichen Zacken. "Diese Peaks zeigen uns eine bestimmte Stoffgruppe an", erläutert Katzung. "Hier handelt es sich um eine Ecstasy-Substanz". Wichtig sei, daß man anhand der Peaks auch bisher unbekannte Varianten von Ecstasy aufspüren könne.

Um Alarm geben zu können, muß das Gerät erst geeicht werden. Wie bei einem Suchhund, dem man eine Geruchsprobe unter die Nase hält, wird auch der Drogendetektor mit einer Probe "kalibriert", wie es in der Technikersprache heißt. Kokain, Rohypnol, Cannabis in etlichen Varianten und auch Nikotin haben die Forscher dem Detektor schon "gezeigt". Jetzt weist dieser die Stoffe selbst in geringsten Konzentrationen nach.

"Wir erkennen Mengen im Pikogramm-Bereich", berichtet der Firmenleiter Jürgen Leonhardt. Ein Pikogramm ist der millionste Teil eines millionstel Gramms. Ähnliche Geräte setzt das IUT bei der Detektion chemischer Kampfstoffe auf früheren Militärflächen ein. Auch die Luft im Reichstag wird mit IUT-Detektoren überwacht, um Terroranschlägen vorzubeugen.

Derzeit geht die Entwicklung des Drogendetektors in die entscheidende Phase. Mit der Universität Heidelberg wurde eine Kooperation vereinbart. Dabei soll das Gerät einem Praxistest unterzogen werden. Das Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin will den "raschen Drogennachweis" bei Autofahrern erleichtern. Der Heidelberger Verkehrsmediziner Rolf Aderjan sagt: "Wenn das Spektrometer ausschlägt, hat die Polizei einen begründeten Anfangsverdacht und kann eine Blutprobe veranlassen oder das Auto durchsuchen."

Im Moment arbeiten die Berliner Entwickler jedoch daran, ihr Gerät für biologische Proben - also Speichel, Nasensekret oder Haare - tauglich zu machen. Erst dann kann es bei den geplanten Versuchen in Heidelberg eingesetzt werden. Dazu muß noch eine Vorrichtung eingebaut werden, welche die biologischen Proben erhitzt. Bislang funktioniert der Nachweis erst bei festen Stoffen einwandfrei.

Hierbei kann das Ionenmobilitätsspektrometer sogar auf die Tricks der Straftäter geeicht werden. Starke Hustenbonbons etwa sollen nicht nur Alkoholfahnen überdecken. Sie werden auch gerne in der Nähe von Drogenvorräten mitgeführt, weil sie viele stark riechende ätherische Öle enthalten. Ein derartiges Geruchsbombardement soll Drogenschnüffler verwirren. Werner Katzung: "Unser Spektrometer läßt sich dadurch nicht täuschen."


Berliner Abendblatt 20.01.1999