Juristisches Internetprojekt Saarbrücken (http://www.jura.uni-sb.de)

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts
Nr. 43/97 vom 21. Mai 1997

BVerfG: Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen Verurteilung wegen Handels mit "Ecstasy-Drogen"

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat entschieden, daß die Aufnahme von "Ecstasy-Drogen" (Methylendioxymethamphetamin = MDMA und Methylendioxyethylamphetamin = MDE) in die Anlage I des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) und damit die Strafbarkeit des unerlaubten Umgangs mit diesen Drogen verfassungsgemäß ist.

Die Kammer hat deshalb zwei zur gemeinsamen Entscheidung verbundene Verfassungsbeschwerden gegen strafgerichtliche Verurteilungen und mittelbar gegen die die Aufnahme dieser Drogen in die Anlage I des BtMG regelnden Verordnungen nicht zur Entscheidung angenommen.

I.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen ihre Verurteilungen wegen Verstoßes gegen das BtMG sowie mittelbar gegen zwei diesen Verurteilungen zugrundeliegende Rechtsnormen.

Die Beschwerdeführer waren u.a. wegen Handels mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Tatgegenstände waren die "Ecstasy-Drogen" MDMA und MDE. Diese Betäubungsmittel sind durch zwei Verordnungen zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften aus den Jahren 1986 und 1991 in die Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgenommen worden. Diese Anlage zum BtMG führt die nicht verkehrsfähigen, also unerlaubten Betäubungsmittel auf. Die Aufnahme eines Betäubungsmittels in die Anlage I ("Positivliste") bedeutet, daß der unerlaubte Umgang mit diesem nach dem BtMG strafbar ist.

Die Ermächtigung zum Erlaß entsprechender Verordnungen durch die Exekutive ist in § 1 BtMG geregelt.

Gegen diese Verurteilungen und mittelbar gegen die genannten Verordnungen wendeten sich die Beschwerdeführer mit ihren Verfassungsbeschwerden. Sie rügten insbesondere eine Verletzung der Art. 103 Abs. 2 und 104 Abs. 1 S. 1 GG. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit und damit einer möglichen Freiheitsentziehung - selbst, und zwar in einem Gesetz zu regeln; eine bloße Verordnung der Exekutive sei hierfür nicht ausreichend.

II.

Die 2. Kammer des Zweiten Senats hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.

Den Verfassungsbeschwerden kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da die entscheidungserheblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das BVerfG bereits entschieden sind.

Zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleicher Rechte der Beschwerdeführer ist die Annahme der Verfassungsbeschwerden nicht erforderlich, da sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben.

Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß die Betäubungsmittel MDMA und MDE im Verordnungswege in die Anlage I zum BtMG aufgenommen worden sind. Zur Begründung heißt es u.a.:

  1. Der Gesetzgeber hat nach Art. 103 Abs. 2 GG selbst die Voraussetzungen der Strafbarkeit sowie Art und Maß der Strafe zu bestimmen. Er darf diese Entscheidung nicht der Exekutive überlassen. Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG fordert bei Androhung von Freiheitsstrafe ebenfalls, daß der Gesetzgeber mit hinreichender Deutlichkeit selbst bestimmt, was strafbar sein soll. Dem Verordnungsgeber dürfen danach lediglich gewisse Spezifizierungen des Tatbestandes überlassen werden. Dies ist vor allem dann gerechtfertigt, wenn wechselnde und mannigfaltige Einzelregelungen erforderlich werden können.

  2. Diesen Anforderungen genügt § 1 Abs. 2 und 3 BtMG in der für die Tatzeit maßgeblichen Fassung.

    § 1 Abs. 1 BtMG bestimmt den Begriff der Betäubungsmittel nicht mittels abstrakter Merkmale, sondern folgt dem Prinzip der sogenannten Positivliste: Alle verbotenen Stoffe und Zubereitungen werden enumerativ aufgezählt und in den Anlagen zum BtMG erfaßt. Dennoch wird der Kreis der Stoffe, die für ein strafbewehrtes Umgangsverbot in Betracht kommen, durch den Inhalt des Gesetzes hinreichend erschlossen. Dies ergibt sich vor allem aus dem Wortsinn des Begriffs "Betäubungsmittel" sowie durch die in § 1 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 BtMG näher definierten Voraussetzungen, unter denen die Aufnahme in die Anlagen in Betracht kommt. Damit sind die charakteristischen Merkmale der Betäubungsmitteleigenschaft bereits im Gesetz hinreichend bestimmt umschrieben. Auch die Zielsetzung des Gesetzes, die Bekämpfung mißbräuchlicher Verwendung und der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, ist schon im Gesetz enthalten. Die Aufgabe der Exekutive ist darauf beschränkt, durch Rechtsverordnung die Stoffe konkret zu benennen, die dem Begriff des Betäubungsmittels unterfallen, und sie dadurch in den Anwendungsbereich des BtMG einzubeziehen. Der sachliche Grund dafür liegt auf der Hand: Die Verordnungsermächtigung soll die rasche Anpassung der Anlagen des BtMG an die wechselnden Konsumgewohnheiten, an den Vertrieb und Konsum neuer Stoffe und Zubereitungen sowie an neue wissenschaftliche Erkenntnisse ermöglichen und sicherstellen.

Die Kammer führt weiter aus, daß die Aufnahme der Stoffe MDMA und MDE unter den Gesichtspunkten des Vorbehalts und des Vorrangs des Gesetzes sowie der Gesetzesbestimmtheit keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.

Beschluß vom 4. Mai 1997 - 2 BvR 509/96 und 2 BvR 511/96

Karlsruhe, den 21. Mai 1997


http://www.jura.uni-sb.de/Entscheidungen/pressem97/BVerfG/ecstasy.html