HANFPARADE
Berlin, 28.08.1999
text: hannes höttl
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(Ente gut - alles gut!)
Bereits im Vorfeld gab es einiges Gerangel um das Stattfinden der Hanfparade, wird sie nun genehmigt oder nicht? Sie wurde, und sie wurde ein Riesenerfolg, auch wenn dieser Erfolg ebenso leider wie wahrscheinlich folgenlos bleiben wird. Doch wie steht es schon in keinem Buch, das ich kenne: Steter Tropfen höhlt den Gesetzgeber.

Zigaretten sind legal, aber dafür im Fernsehen zu werben ist verboten. Haschisch ist illegal, aber eine Werbeveranstaltung dafür zu machen ist erlaubt. Nun, in einer Gesellschaft, in der das Ermorden von Menschen verboten ist, das Zeigen von Mord aber erlaubt ist, während Sex erlaubt ist, das Zeigen von Sex jedoch im Allgemeinen verboten ist... gut, kommen wir zur Sache.

Das Wetter könnte kaum schöner sein. Sonnig und warm, aber nicht bullenheiss. Schon die Aufbauarbeiten der Paradewagen haben etwas leicht Skurriles an sich. Da werden metergroße Joints, oder noch metergrößere Wasserpfeifen als Deko an die Autos gebastelt, dazu schallt aus vielerlei Boxen eine sehr hanfverbundene Musik. Mittendrin, um Freundlichkeit und eine gewisse organisatorische Ordnung bemühte Ordnungskräfte. Somit das einzige Grün, das man an diesem Tag besser nicht in der Pfeife raucht.


Als sich die Paradewagen dann gegen Mittag zum Paradieren auf dem Alexanderplatz versammeln, ist der mit demonstrantischem Fußvolk schon gut gefüllt. Damit das eigentliche Anliegen - aller ausgelassener Partystimmung zum Trotz - nicht in den Hintergrund gerät, sorgen die vielen unermüdlichen Mitarbeiter auf den Strassen und Plätzen, die in selbstloser Aufopferungsbereitschaft einen nach dem anderen kurbeln.

Der Zug der Paradewagen vom Alexanderplatz zum Brandenburger Tor zeigt das Anliegen denn auch mehr von der heiteren Seite. Freundlich/lustige Menschen halten freundlich/lustige Transparente mit Aufschriften wie z.B. "Jeder Kiffer muß sein Kreuz selbst tragen" hoch.

Von den Wagen schallt es von Reggae über Rock und Punk bis hin zu Techno angenehm bunt herunter. Das auf einem Seitengebäude des Brandenburger Tors diverse Bundesgrenzschützer mit Kameras, Fotoapparaten (alles mit bierhumpengrossen Teleobjektiven) damit beschäftigt sind, ihr Bildarchiv aufzufrischen, sorgt bei den Demonstranten nur für gelassenes Desinteresse. Es ist also erlaubt, an so einer Demonstration teilzunehmen, es kann aber sein, dass die Hüter der Ordnung, diese durch eine verdachtunabhängige Kontrolle an durch Teilnahme an solchen Veranstaltungen auffällig gewordenen Personen meinen, schützen zu müssen.


Meinungsfreiheit bedeutet eben auch, dass der Staat, wann immer ihm danach ist, das Recht hat, sich über seine Bürger eine Meinung zu bilden. Wer braucht beim heutigen Stand der Technik schon noch lebende Spitzel? Hinter dem Brandenburger Tor, und noch ein Stück weit die Strasse des 17. Juni entlang schmiegen sich die Paradewagen dann zwischen die einzelnen Stände, und in kürzester Zeit ist die Stimmung auf dem Festgelände irgendwo zwischen Woodstock und Love Parade. Manch Sympathisant hat sich von zu viel demonstrativer Unterstützung auf dem warmen Boden drapiert, andere tanzen zu Musik oder auch nur zu farbigen Gedanken. Vereinzelt werden jetzt auch politische Statements von den Wagen herunter zum besten gegeben.

Fotos
(der Gesundheitsminister warnt: Hanf verformt die Augen schlitzartig, und kann zu freundlichem Lächeln führen)
Oben steht dann jemand, der sagt, dass Haschisch viele Vorteile und wenig Nachteile hat, von wegen nicht nur rauchen, sondern auch sonst, von Dämmwolle bis Brotaufstrich, von Medizin bis Hose - vor dem Wagen stehen dann ganz viele, die der gleichen Meinung sind, und auch lautstark applaudieren. Doch als die Sonne versinkt, sind all die ernsthaften Gedanken, die zu diesem Thema verbreitet sein wollen, bei den Adressaten angelangt. Ein Extra-Info-Stand der Veranstalter konnte hier noch manche Informationslücke schliessen. Und so endet diese komplett friedliche Veranstaltung unter den freundlichen Blicken so mancher verbeamteten Hundertschaft tanzend, tanzend, tanzend...

Tatsache ist, die Hanfpflanze bietet wirklich mannigfaltige Anwendungsmöglichkeiten, beinahe aus jeder Branche, in der dieser Rohstoff verarbeitet werden kann, wird der Ruf nach Änderung der diesbezüglichen Gesetze laut. Auch bei der Polizei ist das Interesse daran, künftige Aussenminister wegen zwei Gramm Schwarzem hopszunehmen, sehr gering. Allein, weil alle Verantwortlichen, die diesem Problem rationell zu Leibe rücken wollen, Angst vor dem Wähler haben, und weil der Wähler als amorphe Masse Angst vor allem (Zukunft, Vergangenheit, Gegenwart, Rheinländer, Rausländer, Umweltverschmutzung, Umweltschützer) hat, wird sich an dieser Situation so schnell nichts ändern. Dass aber eine Veranstaltung, an der laut Polizei über 100.000 Menschen teilgenommen haben, von den meisten Medien totgeschwiegen wird, das stimmt nachdenklich. In den Fernsehnachrichten des Tages wurde bis hin zum Berliner Stadtteilfest über jeden Mist berichtet, über die Hanfparade - kein Wort. In der gesamten Springerpresse - kein Wort, oder waren die nur alle so bekifft, dass sie vergessen haben, darüber zu äh äh, na dieses Wort, ach....

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