dreamland ...
Wenn ein Esel eine Wassermühle dreht und dadurch ein großes Stück Land bewässert, so daß auf diesem Land durch dessen Fruchtbarkeit und durch die Arbeit des Eselhalters sowohl als des Esels grössere Werte geschaffen werden, dann wird niemand auf den Gedanken kommen, der Esel habe ein Anrecht auf einen Teil der neuerstandenen Werte. Nur weltfremde Narren und Sektierer und die verrückten Amiweiber, die ihren Hunden Nerzmäntel kaufen, würden diesem Esel statt Stroh Schaumgummimatratzen unterlegen wollen usw. Der strengste Moralist hält es für richtig, daß der Eselhalter den vom Esel mitgeschaffenen Wert allein behält. Selbst Jesus hat sich auf den Esel GESETZT, statt ihn zu tragen. Es werden sich viele Leute finden, die dafür eintreten, daß der Esel, wenn er schon wertvolle Arbeit leiste, in seinem Stall ein größeres Fenster haben solle, einige Leckerbissen und freundliche Behandlung. Das Tier arbeitet, dafür soll es auch gut leben. Aber an der Tatsache, daß es für den Eselhalter arbeiten soll, und daß es für diesen Werte erzeugt, daran findet kein Mensch Anstoß.

Ein Mann mit fünf Millionen Mark, ein Fabrikant, will eine neue Fabrik gründen, um Lampen machen zu lassen. Arbeiter bauen die Gebäude, machen die Maschinen und alle anderen Einrichtungsgegenstände; Ingenieure entwerfen sie; Zeichner zeichnen sie; Transportarbeiter transportieren alles Nötige zum Bauplatz.
 
Der Fabrikant -warum heißen nicht diejenigen, die die Dinge fabrizieren, Fabrikanten?- zahlt ihnen dafür bestimmte Beträge, wie das so üblich ist. Dafür kaufen sie sich Bier, Brot und Bettwäsche. Bier, Brot und Bettwäsche wurden von anderen Arbeitern gemacht. Man kann diese Gegenstände kaufen. Der Fabrikant hat weder das Bier gemacht, noch die Fabrik. Warum kann er Berechtigungsscheine (Geld) ausgeben, für die man das Bier oder eine Fabrik bekommt?

Wenn aller Reichtum Arbeit ist, und wenn der Fabrikant fünf Millionen Mark besitzt - bedeutet das dann, daß der Fabrikant soviele Werte selbst gemacht hat? Daß er gehungert und gespart hat? Zwanzig, dreißig oder vierzig Jahre? Fünf Millionen?

Wenn es das nicht bedeutet, was bedeutet es dann?

Wenn der Mensch die fünf Millionen nicht gemacht hat, dann muß sie jemand anders gemacht haben - gleichgültig, ob er sie geerbt, gefunden, gestohlen oder gewonnen hat, oder ob jemand sie ihm schenkte.

Wenn aber ein anderer oder andere die Werte gemacht haben, die einen Kurs von fünf Millionen haben, wieso verfügt dann der Fabrikant darüber und nicht diejenigen, die diese Werte erzeugt haben?

Selbst wenn Sträflinge diese Werte geschaffen hätten, aus welchem Grunde hat sie gerade dieser Fabrikant bekommen? Wenn es aber keine Sträflinge waren, sondern normale, nicht vorbestrafte Bürger, wie kommt es, daß sie fünf Millionen produzieren, und diese fünf Millionen finden sich unversehens in einer ganz anderen Hand?

Welche Ursachen kann es geben für einen solch erstaunlichen Vorgang?
Wir haben gesehen, daß dieser Vorgang bei Haustieren das Normale ist.

Wenn genau derselbe Vorgang sich innerhalb der menschlichen Gesellschaft abspielen kann, dann heißt das nichts anderes, als daß der Fabrikant in der Lage gewesen sein muß, eine bestimmte Anzahl von Menschen auf die Stufe des Tieres, auf den Eselstand zu drücken.

Jahrtausendelang haben die Menschen nicht bemerkt, daß die Sonne sich um die Erde dreht; sie haben die Wirklichkeit nicht gesehen. Sie war ihnen verstellt durch optische Täuschung, durch Wunschdenken und durch klerikale Propaganda. Die lackierten Blechartikel, mit denen man sich fortbewegen und Wäsche waschen kann, verstellen den Produzenten - Produzenten sind die, die die Produkte machen und nicht diejenigen, die sich die Produkte aneignen - die Tatsache, daß unsere Gesellschaft eine Gesellschaft der Eseltreiber ist.

Die Produzenten bestimmen nicht was sie produzieren wieviel sie produzieren was mit ihren Produkten geschehen soll.

Insofern befinden sie sich gegenüber den Unternehmern in derselben Position, in der sich der Esel dem Eselhalter gegenüber befindet.

Einen gewissen Teil dessen, was sie produzieren, dürfen sie verbrauchen. Genau wie der Esel. Eine wissenschaftliche Untersuchung müßte feststellen, wieviele Prozent der Esel von dem Wert, den er produziert, und wie viele der Lohnabhängige verbrauchen darf. Der Unterschied zwischen Mensch und Tier schrumpft auf einen prozentualen Unterschied des Anteiles, den der jeweilige Produzent von gemein Produkt verwertet."

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Auszug aus der Schrift zum 1. Mai

"Was ist Reichtum?

Herausgegeben: AGITPROP, Arbeitskeis im RC, Westberlin im April 1969

Redaktion: Arly, Buchholz, Chruxin, Czeskleba, Delius, Gaißmayer, Heiser, Mausbach, Rauter, Roland, Törne, Stiewe

Preis: Eine Mark