72. Plenarsitzung am 13. Dezember 1996 im Niedersächsischen Landtag Hannover 

 
 

Tagesordnungspunk 26:   


Erste Beratung: Pfeife kontra Flasche  

Die Landesregierung im Streit um die Drogenpolitik 

- Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs 13/2460 

Der Antrag wird eingebracht vom Kollegen Jordan, dem ich das Wort erteile. 

Jordan (GRÜNE): 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!  
Pfeife kontra Flasche - das ist der Kampf, der zur Zeit in der Niedersächsischen Landesregierung tobt. Wir möchten gerne in diesen Kampf eingreifen, bevor es die ersten drogenpolitischen Opfer gibt. 

(Beifall bei den GRÜNEN) 

Nichts zeichnet uns und unsere Gesellschaft mehr aus als eine gesunde Doppelmoral in Sachen Drogenpolitik. 

(Unruhe - Glocke des Präsidenten) 

Vizepräsident Jahn: 

Einen Augenblick bitte, Herr Kollege Jordan. Ich nehme an, Sie haben mit mir das Gefühl, daß die Unruhe etwas zu reduzieren ist, damit Sie gehört werden können. Dazu wollte ich Ihnen jetzt unter Mitwirkung der Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit verschaffen. Bitte sehr! 

(Aller [SPD]: Was er gesagt hat, war auch provokant! Das kann so nicht stehenbleiben!) 

Jordan (GRÜNE): 

Das ist ausgesprochen freundlich von Ihnen, Herr Präsident. Ich bedanke mich herzlich. 

Dann fange ich noch einmal an: Die Doppelmoral ist ja in der Drogenpolitik weit verbreitet. Wenn jemand die Droge Alkohol konsumiert, ist das eine gute Sache. Wenn jemand in Apotheken Medikamente kauft und seine Sucht befriedigt, ist das auch noch keine schlimme Sache. Wenn aber jemand sein Pfeifchen auf dem Balkon oder sonstwo raucht, schlägt plötzlich der Zorn der Staatsmacht zu. Dann wird gesagt: "Das ist das schlimmste, was es gibt. Dich stecken wir gleich ins Gefängnis." Das ist es doch, was man den Leute so alles angedeihen läßt. 

(Ministerin Alm-Merk: Das stimmt doch gar nicht!) 

- Frau Justizministerin, wie ist es denn, wenn jemand beim Handeln erwischt wird? Was passiert denn dann? Darüber werden wir gleich reden können. Ich möchte Sie auch bitten, nicht mich anzusprechen, sondern sich erst einmal mit dem Innenminister über die richtige Linie zu einigen. Dann können wir vielleicht auch eine sehen. 

(Schwarzenholz [GRÜNE]: Dabei kommt nichts Gutes raus!) 

Dann geht es bei den Apothekern mit dieser Doppelmoral weiter. Sie sind gegen eine Haschisch-Abgabe in Apotheken, haben aber natürlich nichts dagegen, daß sie Geld von denen nehmen, die medikamentensüchtig sind. Der illegale Erwerbszweig scheint Sie nicht so zu beunruhigen. 

Der Innenminister hat in den Debatten der letzten Wochen die Behauptung aufgestellt, alles, was aus der Apotheke käme, wäre gesund. 

(Minister Glogowski: Was?) 

- Doch, das steht in der Zeitung. 

(Minister Glogowski: Das kann nicht sein! 

- Gut. 

(Unruhe - Glocke des Präsidenten) 

Vizepräsident Jahn: 

Einen Augenblick bitte! - Meine Damen und Herren! Ich verstehe ja, daß in der vorweihnachtlichen Erwartung nach den Grüßen, die Herr Schack schon entboten hat, die Neigung besteht, die parlamentarischen Sitten etwas zu vernachlässigen. Gleichwohl möchte ich die Diskussionen zwischen Regierungsbank und den Rednern hier vorne auf ein Minimum reduzieren. Vielleicht richten sich alle Beteiligten danach. - Bitte sehr! 

Jordan (GRÜNE): 

,Erneuten Dank, Herr Präsident! 

Hier steht in der Zeitung: "Was aus der Apotheke kommt, meinte der Innenminister, ist durchweg gut und dient der Gesundheit." - Herr Innenminister, ich gönne Ihnen nicht, daß Sie all das, was aus der Apotheke kommt, auch zu sich nehmen müssen. Das wäre nicht gut für Ihre Gesundheit. 

Diese Doppelmoral führt auch dazu, daß Drogenpräventionsprogramme, die auf diese Doppelmoral setzen, bei jungen Leuten zunehmend weniger greifen. Die fassen sich natürlich an den Kopf und sagen sich: Die Flasche haben sie alle in der Hand, aber wenn ich meine Pfeife rauche, dann kommen sie mit dem Knüppel. Das haut doch nicht hin! Hier stimmt doch etwas in der ganzen Erwachsenenwelt und in der Politikwelt nicht. 

Dann gibt es Leute wie z. B. die Gesundheitsministerin Frau Moser, Sozialdemokratin aus Schleswig-Holstein, die vor dem Hintergrund eines Bundesverfassungsgerichtsurteiles sagt, daß man nach neuen Wegen suchen solle. - also ein Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes -, nach neuen Wegen sucht, weil die alten Kriminalisierungsstrategien gescheitert sind, weil der hohe polizeiliche Aufwand bei der Bekämpfung weicher Drogen keinen Erfolg und keinen Ertrag hat, sondern im Gegenteil lediglich dazu beigetragen hat, daß durch die Illegalität die hohen Profite der Drogenmafia gesichert und nicht beseitigt worden sind. 

(Beifall bei den GRÜNEN) 

Diese Frau Moser erarbeitet also mit ihren Fachleuten ein Konzept zu der Droge Haschisch - Haschisch ist eine Droge wie Alkohol auch; unser Ziel ist, daß sich die Leute möglichst wenig die Birne vollhauen, das ist völlig klar, aber sowohl mit der einen als auch mit der anderen Droge -, daß über eine kontrollierte Abgabe von Haschisch in Apotheken z. B. eine Entzerrung der Märkte vorgenommen wird, damit diejenigen, die die relativ ungefährliche Droge Haschisch benutzen wollen, nicht in dasselbe Milieu wie Kokain- und Herionnutzer abrutschen und nicht der Gefahr ausgesetzt sind, über diese Vermischung mit wesentlich härteren Drogen in Berührung zu kommen. 

Dann fühlt sich der Innenminister beleidigt, weil ich in einer Presseerklärung gesagt habe, daß seine - also des Innenministers - Droge an jeder Ecke zu kaufen wäre. 

(Beifall bei der CDU - Minister Glogowski: Ich war sehr dankbar dafür! - Frau Pawelski [CDU]: Was hat er denn für eine Droge?)  

Herr Innenminister, ich will Ihnen dazu etwas sagen. Ich hoffe, daß ich damit Ihre Aufregung etwas lindern kann. Wenn ich gesagt habe "seine", dann meine ich auch "meine". Ich bin auch ein Genießer der Droge Alkohol. 

(Oh! bei der SPD) 

- Ja, es ist doch so. Was soll das? Ich genieße diese Droge. Bis jetzt - das sage ich einmal - habe ich das Glück gehabt, daß mir diese Droge nicht weiter geschadet hat. 

(Plaue [SPD]: Na! - Weitere Zurufe von der SPD) 

- Okay. Da gibt es offensichtlich unterschiedliche Ansichten. Das nehme ich hier zur Kenntnis. 

Ich will nur sagen: Viele von uns haben gelernt, mit dieser Droge umzugehen. Andere können mit der Droge Haschisch umgehen. Die Frage ist doch: Welches Recht hat man eigentlich, wenn man aus guten oder schlechten Gründen zu dem Genuß der Droge Alkohol steht, andere Leute für den Genuß ihrer Droge, die nachweislich genauso schädlich oder wenig schädlich oder wahrscheinlich sogar weniger schädlich ist, ins Gefängnis zu stecken oder strafrechtlich zu verfolgen? 

Was hier in der Debatte passiert - das ist das traurige -: Da versucht eine sozialdemokratische Sozialministerin ein bißchen Vernunft in die drogenpolitische Debatte zu bringen. Sie versucht ganz konkret, einmal Modellprojekte anzuschieben, die im Rahmen des Betäubungsmittelgesetzes möglich sind. Sofort kriegt sie aus populistischen Gründen permanent welche an die Kniescheibe. Es wird versucht - auch von Niedersachsen aus, von den eigenen Genossen -, dieses Modell zu sabotieren, es in der Öffentlichkeit fertigzumachen, den Druck, den z. B. konservative Zeitungen ausgeübt haben, mit Stammtischrhetorik und auch mit falschen Behauptungen noch zu verstärken. 

Da sagt der Innenminister laut Zeitungsberichten - wahrscheinlich haben Sie das auch nicht gesagt; das steht nur in der Zeitung -, es sei weder in Holland noch in der Schweiz gelungen, eine Trennung der Märkte von harten und weichen Drogen durchzusetzen. Nun will ich Ihnen in bezug auf Holland einmal sagen: In Holland ist es über das Modell der Coffee-Shops gelungen. 

Das Problem, das die Coffee-Shops in Holland haben, ist wesentlich durch die restriktive, kriminalisierende Politik der Nachbarländer hervorgerufen. Sie werden nämlich mit dem Drogentourismus, der aus Frankreich, aus Belgien und aus Deutschland kommt, nicht fertig. 

(Beifall bei den GRÜNEN - Ontijd [CDU]: Wie es gerade paßt!) 

Ihre falsche Härte bezahlen die Holländer bei dem Versuch, einen vernünftigen Weg zu gehen, mit einem hohen Preis. 

(Beifall bei den GRÜNEN) 

Dann auf die Holländer zu zeigen und zu sagen, ihr seid gescheitert, ist mehr als zynisch. Dabei wird auch überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, daß z. B. in der Stadt Zürich, in der vor zwei Jahren ein Modellversuch zur kontrollierten Abgabe von Heroin eingeführt wurde, 

(Ontijd [CDU]: Das kann uns doch nicht veranlassen, das gleiche zu tun!) 

vor einigen Wochen eine Volksabstimmung stattgefunden hat. Ziel dieser Volksabstimmung war, dieses Modell in Frage zu stellen. Die Befürworter des Modellprojektes haben diese Volksabstimmung gewonnen. Dort ist es nicht gelungen, mit rechtspopulistischen Stammtischparolen solche Projekte kaputtzumachen. Das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen. 

Deswegen kann ich nur dafür plädieren, diesen mühsamen und falschen Kampf Pfeife kontra Flasche endlich zu beerdigen und zu einer liberalen, vernunftorientierten Drogenpolitik zu kommen, von Niedersachsen aus, durch die Landesregierung, alles zu tun, damit die Schleswig-Holsteiner ihre Chance haben - die für uns mindestens genauso wichtig ist wie für die Leute in Kiel und anderswo -, dieses Modellprojekt erfolgreich durchführen zu können. Ich erwarte von dieser Landesregierung auch, daß sie nicht nur diejenigen, die endlich etwas machen, in Ruhe läßt und nicht behindert, sondern ich verlange von dieser Landesregierung und besonders auch vom Sozialminister, der zu Anfang seiner Wahlperiode einiges Gute gesagt hat, daß sie einen aktiven Beitrag dazu leisten. Herr Weber, ich weiß, daß Sie diesen Beitrag auf der Gesundheitsministerkonferenz schon geleistet haben. Ich hoffe nur, daß Sie durch Kolleginnen und Kollegen im Kabinett daran künftig nicht gehindert werden. 

(Beifall bei den GRÜNEN)  

Vizepräsident Jahn: 

Zu der angesprochenen Problematik möchte sich jetzt der Herr Sozialminister äußern. Bitte sehr! 

Dr. Weber, Sozialminister: 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu den heute morgen schon gestellten Fragen und zu dem vorliegenden Entschließungsantrag ein paar Bemerkungen machen, mit denen ich meine eigene Haltung und, wie ich glaube, zugleich aber auch die der anderen Kabinettsmitglieder umschreiben möchte. 

Ich glaube, daß wir alle zusammen - da gibt es wohl kaum einen Unterschied in diesem Hause - eine Wahnsinnsangst davor haben, daß in der eigenen Familie, in der Umgebung, unter Freunden, Bekannten, anderen Personen, die einem nahestehen, ein Fall auftritt, der mit den schlimmsten Begleiterscheinungen versehen ist und der mit dem Tun von - ich sage das so, wie ich es meine - gewissenlosen Verbrechern zu tun hat, die mit Drogen handeln, ihre Geschäfte machen und sich einen Dreck um die Gesundheit insbesondere ganz junger Leute kümmern. 

Diese Wahnsinnsangst, die uns alle umtreibt, sollte uns dazu bringen - da wird auch überhaupt kein Versuch Erfolg haben, irgendwelche Keile zwischen den Innenminister und mich oder umgekehrt zu treiben -, einzusehen, daß mit vielen Maßnahmen auf dem Gebiet der Drogenpolitik in der Vergangenheit bis heute ja nicht besonders viele Erfolge erzielt worden sind. Das Problem ist geblieben, es ist gewachsen. Es scheint manchmal so, als würde eine gewisse Beruhigung eintreten, und dann steigt es wieder an. Es ist gekoppelt mit Wegsehen, es ist gekoppelt damit, daß sich Polizisten, Ärzte, Lehrer und viele andere in Einrichtungen um Menschen kümmern müssen, die sozusagen am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen sind, sich selbst zu helfen, oder weit darüber hinausgeschossen sind. 

Wir führen die Debatte so - deswegen schicke ich das voraus -, als könnte es bei der Drogenpolitik darum gehen, auf der einen oder anderen Seite politisches Kapital aus ihr zu schlagen. Ich glaube, daß wir uns damit keinen Gefallen tun. Ich bin ganz sicher, daß wir den Betroffenen damit keinen Gefallen tun, daß wir den Eltern keinen Gefallen tun, wenn es um junge Leute geht. Ich glaube auch, daß uns das letzten Endes nicht weiterführt. 

Deswegen bin ich auch sehr dankbar dafür, daß beispielsweise im "Polizei-Extrablatt" unter dem Stichwort "Drogenfreigabe - der Ausweg oder ein falsches Signal?" - ein Druckfehler ist darin, aber so ist der Titel gemeint - über Pro und Kontra liberaler Lösungen und repressiver Lösungen diskutiert wird. Ich meine, es ist auch gut, daß diese Debatte - - - 

(Im Plenarsaal ist ein Handy zu hören) 

Vizepräsident Jahn: 

Einen Augenblick bitte, Herr Minister! - Sie wissen, Frau Kollegin, daß das Präsidium und auch die anderen Gremien sowie die Fraktionen übereingekommen sind, daß Handys hier nicht benutzt werden. Ich bitte Sie jetzt wirklich zum letzten Mal, darauf zu verzichten. 

(Das Handy ist erneut zu hören) 

- Vielleicht verlassen Sie zunächst einmal mit Ihrem Handy den Raum, damit das Handy wenigstens draußen ist! 

(Heiterkeit) 

Das geht so nicht. Wir können jetzt auch keine Rücksicht mehr darauf nehmen. Die Spielregeln müssen wir einhalten. - Bitte sehr! 

Dr. Weber, Sozialminister: 

Ich bin sehr froh darüber, daß gerade auch in Polizeikreisen - um es so zu sagen - eine offensichtlich abwägende Diskussion um Pro und Kontra repressiver und liberaler Teile von Drogenpolitik geführt wird. Ich bin froh darüber, daß in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, von dem hier schon oft die Rede war, auch dazu aufgerufen worden ist: Schaut ein bißchen auch ins Ausland, schaut auf alle Möglichkeiten, wägt sie ab, und kommt dann zu Ergebnissen, die vielleicht besser sind als das, was wir bis heute erlebt haben. 

Dem hat auch die Diskussion in der Gesundheitsministerkonferenz gedient, die vor meiner Amtszeit als Sozialminister stattgefunden und im Dezember 1995, wenn ich es richtig im Kopf habe, zu dem Beschluß der Gesundheitsministerkonferenz geführt hat, Schleswig-Holstein zu ermuntern und aufzufordern, ein Modell zu entwickeln, in dem auf andere Weise als bisher in der Bundesrepublik versucht wird, die Märkte zu trennen, und einen Beitrag dafür zu leisten, daß nicht durch das Treiben von Verbrechern Menschen, vor allen Dingen junge Menschen, auf einen Weg gedrängt werden, auf dem wir sie alle nicht sehen wollen. 

Das Land Schleswig-Holstein hat diesem Wunsch der Gesundheitsministerkonferenz dann auch entsprochen und sich überlegt, was man machen kann. Ich denke, es wäre ungerecht, nun diejenigen dafür zu verurteilen, die genau den Weg gegangen sind, über den man sich doch bis zu diesem Punkt einig sein kann. 

(Beifall bei der SPD) 

Die Gesundheitsministerkonferenz hat - auch das sollte nicht in Vergessenheit geraten - des weiteren gesagt: Wir haben nicht alleine die Beurteilungsmöglichkeiten für die Richtigkeit des Weges. Dazu gehört auch die Justizministerkonferenz, und dazu gehört auch die Innenministerkonferenz. Deswegen sind diese beiden Ministerkonferenzen in der Zwischenzeit ja auch mit dem befaßt worden, was man in dem Beschluß der Gesundheitsministerkonferenz für Schleswig-Holstein vorgeschlagen hat. 

Ich meine, daß die Debatte bei weitem noch nicht abgeschlossen ist. Man muß dabei offen bleiben, man muß vor allem offen im Denken bleiben. Nur dann haben wir wirklich eine Chance, das zu tun, wovon Herr Jordan gesprochen hat, nämlich nicht im Wege von Doppelmoral den Gebrauch von Alkohol - wenn ich an manche Werbespots im Fernsehen denke - geradezu zu hofieren, den Mißbrauch von Medikamenten nicht zu erkennen, geradezu zu verdrängen, obwohl nach Quantität - ich will gar nicht über Qualität reden - Milliardenschäden durch beide Arten von Drogenmißbrauch verursacht werden. Man sollte vor allen Dingen durch Doppelmoral nicht jenen eine Chance für ihr übles Geschäft geben, die dies seit vielen Jahrzehnten deswegen betreiben können, weil unsere Rechtsordnung aufgrund der Angst, die wir alle zusammen haben, eben so gemacht worden ist, daß wir Verbote aussprechen und damit den Freiraum für diejenigen schaffen, die im Dunkeln mit diesen Verboten umgehen und so ihre Taschen kräftig füllen können, ohne Rücksicht auf irgendeine gesundheitliche oder psychische Anforderung, vor allen Dingen bei jungen Leuten. 

Ich glaube deswegen, daß es richtig ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. 

Ich glaube deswegen auch, daß der Weg, den Niedersachsen mit den drogenpolitischen Leitlinien, die die Landesregierung beschlossen hat, beschritten hat, in bezug auf die Entschließungsanträge, die wir hier besprochen haben und über die wir im Kern einig waren, die vielleicht in dem einem oder anderen Punkt - wie es den Grünen erschien - noch nicht weitgehend genug waren, richtig ist. Was heute nicht ist, kann morgen ja noch zur Übereinstimmung führen! Daß das der richtige Weg war, davon bin ich überzeugt. Wir müssen ihn dann aber auch weitergehen. Wir sollten nicht auf dem Leim derjenigen kriechen, die es fertigbringen, mit einem schnell geschriebenen Artikel oder einer im Fernsehen kurz formulierten Frage eine Debatte heraufzubeschwören, um die es in Niedersachsen gar nicht geht. 

(Beifall bei der SPD) 

Ich will noch erläutern, warum es darum in Niedersachsen nicht geht. Schleswig-Holstein hat den Modellversuch beantragt. Er ist von Bundesbehörden zu genehmigen. Ob die Genehmigung erteilt wird, ist offen. Niedersachsen wird einen solchen Antrag für Niedersachsen nicht stellen. Sollte Schleswig-Holstein den Versuch vom Bund genehmigt bekommen, dann, meine ich, wäre es auch für Niedersachsen eine ganz wichtige Aufgabe, die Ergebnisse, die der Modellversuch haben wird, genauestens zu verfolgen und Schlußfolgerungen daraus zu ziehen. Sollten es dann Schlußfolgerungen sein, die ähnlich gelagert sind, wie Herr Jordan es eben formuliert hat, dann sollte man auch offen dafür sein, einen solchen Weg zu beschreiten. 

(Beifall bei der SPD) 

Dazu gehört zweifellos eine genaue, auch wissenschaftliche Auswertung der Dinge. Aber dann wären wir, wie ich glaube, insgesamt auf einen sachlichen und einen vernünftigen Weg, der zu abgewogenen Urteilen führt, der dann hoffentlich auch den jungen Leuten hift, und nicht wieder einmal bei der Stammtischdiskussion, die wir oft in diesem Lande haben. 

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) 

Lassen Sie mich am Ende noch einmal darauf eingehen - ich glaube, ich habe es am Anfang meiner Ausführungen schon zum Ausdruck gebracht, aber ich möchte es noch einmal unterstreichen -, daß es nicht darum gehen kann, daß ein Polizeibeamter glaubt, die Landesregierung ließe ihn im Stich, nur weil sie ein liberales Konzept verfolgt. Es darf gleichfalls nicht so sein, daß ein Mitarbeiter einer Beratungsstelle - selbst vielleicht Anhänger eines liberalen Konzepts - glaubt, seine Arbeit würde kaputtgemacht, weil auch repressive Maßnahmen nötig sind, wenn ein polizeilicher Einsatz unumgänglich ist. Es darf auch nicht sein, daß die Eltern in diesem Lande oder andere der Meinung sind, wir würden uns sozusagen über ihre Belange, über ihre Sorgen und Nöte hinwegsetzen und meinen, wir würden hier im Landtag ein politisches Süppchen mit dem Drogenthema kochen. Ich glaube, daß wäre das Falscheste, was wir überhaupt auf diesem Feld tun können. 

Das, was wir gemeinsam als Entschließungsantrag vor einigen Wochen hier verabschiedet haben, war ein richtiger Fingerzeig. Diesen Weg sollten wir weiter beschreiten. Wir sollten weder vorschnell verurteilen noch vorschnell befürworten! Der Modellversuch in Schleswig-Holstein ist beantragt. Es gibt dazu unterschiedliche Einschätzungen, persönliche unterschiedliche Einschätzungen auch zwischen dem Innenminister und mir, daran bestehen überhaupt keine Zweifel. Jedoch klären kann man diese Frage letzten Endes nur dann, wenn man sich dieses Modellprojekt ernsthaft anschaut, vielleicht sogar erst dann, wenn es durchgeführt ist, wenn es genehmigt ist, und wenn man die Ergebnisse sachlich fundiert würdigen kann. Dann wäre man einen Schritt weiter. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. 

(Beifall bei der SPD) 

Vizepräsident Jahn: 

Herr Kollege Jansen hat das Wort! 

Jansen (CDU): 

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich gibt es eine Reihe von Übereinstimmungen auch mit meinen Vorrednern in der Bewertung, daß wir alles tun müssen, damit junge Menschen erst gar nicht in den Sog der Abhängigkeit hineingeraten. Ich teile auch die Auffassung von Ihnen, Herr Minister, daß wir Angst um unsere Kinder und Jugendlichen haben müssen. Wenn ich heute in einer hannoverschen Zeitung lese, daß jetzt auch erstmalig bewiesen worden ist, daß gerade auch die Modedroge Ekstasy zu Hirnschädigungen führt, dann ist das ein Feld, das uns viel, viel mehr interessieren muß. Was da auf uns zukommt, ist, glaube ich, nicht abzuschätzen! 

In der Grundbewertung sind wir uns also durchaus einig; aber viele Wege führen nach Rom. Wir haben natürlich eine durchaus differenzierte Betrachtung des Modellversuches, den die Grünen mit ihrem Antrages unterstützen wollen. 

Den Antrag, auf den Sie hingewiesen haben, haben wir erst vor einigen Wochen verabschiedet. Darin haben wir mit der SPD zusammen die Legalisierung von Haschisch grundsätzlich abgelehnt. Nun habe ich das Gefühl, daß die Grünen durch den Antrag, der Initiative in Schleswig-Holstein zuzustimmen, sozusagen von hinten herum versuchen, die Legalisierung doch noch durchzusetzen. Es wird in dem Antrag ganz klar davon gesprochen, daß durch eine Änderung des BTM-Gesetzes der Erwerb von Haschisch in Apotheken legalisiert werden soll. 

Ich kann erst einmal für die CDU-Fraktion feststellen, daß wir auch weiterhin grundsätzlich die Legalisierung von Haschisch ablehnen. Hier gibt es auch keinen Dissens in der CDU. 

(Beifall bei der CDU) 

Ich glaube, daß wir uns auch hier darin einig sind, daß wir gemeinsam mit vielen gesellschaftlichen Gruppen dafür eintreten, daß die Abstinenz von Drogen in jeder Form das Ziel sein sollte. Die Verstärkung der Aufklärung und Beratung über die schädlichen Folgen des Drogenkonsums wie auch die bedarfsgerechte Auswahl von drogenfreien Therapieangeboten und Hilfen bis hin zur Methadon-Substitution in ärztlich begründeten Einzelfällen, wie wir das im Antrag entsprechend verabschiedet haben, ist unser Ziel. 

Vizepräsident Jahn: 

Herr Kollege Jansen, möchten Sie eine Frage des Kollegen Schröder beantworten? 

Jansen (CDU): 

Ja, gerne. 

Schröder (Bad Münder) (GRÜNE): 

Herr Kollege Jansen, können Sie mir mal kurz erläutern, wie diese Gesellschaft im Hinblick auf Alkohol und Tabak drogenfrei werden soll? 

Jansen (CDU): 

Auf diesen Punkt komme ich gleich noch zu sprechen. - Jedenfalls waren wir uns in den beiden großen Fraktionen grundsätzlich einig, daß wir keine größere Akzeptanz von Drogen brauchen, sondern daß unsere Übereinstimmung darin liegen muß, daß es um ein Leben ohne Drogen, ohne Sucht, und zwar in jeder Form, gehen muß. In der Begründung des Antrags der Grünen wird immer der Begriff "Entkriminalisierung von Haschischkonsum" genannt. Das heißt ja im umgekehrten Sinne, daß man vom Haschischkonsum kriminalisiert wird. Dies - so das darf ich einmal sagen - trifft nicht zu.  

(Jordan [GRÜNE]: Was war mit der Petition heute morgen? - Zuruf von Frau Harms [GRÜNE]) 

Auch das habe ich schon beim letzten Mal gesagt: In Niedersachsen kann ein Verfahren eingestellt werden - ich meine nicht gegen die Dealer -, wenn man Cannabisprodukte unter anderem ausschließlich zum Eigenverbrauch benutzt und die Menge nicht mehr als sechs Gramm betragen hat. Es gibt ja auch die Richtlinie, daß bei einer Menge enzwischen sechs und 15 Gramm die Staatsanwaltschaft in ihrem eigenen Ermessen prüfen kann, ob es zu einer Anklage kommt oder nicht. Ich habe damals schon gesagt, daß darin eine große Chance gerade auch von seiten der Staatsanwaltschaft besteht, in Gesprächen mit auffällig gewordenen jungen Menschen herauszufinden, ob es schon Abhängigkeitssymptome gibt, um dann in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt zu versuchen, diese Menschen entsprechend zu therapieren und ihnen Hilfe zukommen zu lassen. 

Hier geht es also nicht darum, daß diese jungen Menschen kriminalisiert werden, sondern sie sollen, wenn sie Haschisch für den Eigenverbrauch benutzen, gerade nicht kriminalisiert werden. Nur darum geht es, nicht um die Dealer. Diese sollen härter bestraft werden, als es überhaupt hier vorgesehen ist. 

Ich kann Ihnen auch folgendes sagen, Herr Jordan: Nach dem Jugendstrafrecht ist bei einer Jugendstrafe bis zu zwei Jahren bisher kein junger Mensch dazu gezwungen, das bei Bewerbungen usw. anzugeben. Es ist ja gerade der Sinn des Jugendstrafrechts, die Straftat, die dann im Bundesstrafregister vermerkt wird, nicht angeben zu müssen, damit er in seinem gesellschaftlichen Leben keine Nachteile erfährt. Da wird also öffentlich nichts bekannt. Es gibt aus meiner Sicht diese Kriminalisierung, wie Sie sie allgemein anführen, grundsätzlich nicht. 

Wir müssen dem - das ist unsere CDU-Politik - bei jungen Menschen auch dadurch entgegenwirken, daß wir vor allem ihre Kompetenzen zur persönlichen und gesellschaftlichen Selbstverwirklichung steigern - auch das habe ich vor einigen Wochen gesagt -, und zwar die Förderung von Selbstwertgefühlen, Selbstvertrauen, Konfliktfähigkeit usw. Denn das wesentliche Problem unserer heutigen Zeit ist ja, daß viele Kinder und Jugendliche - wie es einmal ein Drogenberater ausdrückte - nicht in der Lage sind, Probleme und Konflikte auszutragen, weil sie mit diesen Problemen und Konflikten gar nicht in Kontakt kommen, indem man ihnen alles aus dem Weg räumt. Unsere Kinder müssen aber - das ist mein Ansatz, weil ich gegen die Legalisierung bin - lernen und erkennen: Hier gibt es Grenzen, und daran muß ich mich halten, ob mir das paßt oder nicht. Wenn ich das nicht tue, muß ich auch damit rechnen, daß ich mich strafrechtlich verantworten muß. 

Vizepräsident Jahn: 

Herr Kollege Jansen, der Kollege Schröder würde ihnen gerne noch eine Frage stellen. 

Jansen (CDU): 

Ich habe keine Zeit mehr. Ich kann nur noch vier Minuten reden; das schaffe ich sonst nicht. 

Ich stimme aber mit den Grünen darin überein, daß es eine unangemessene Ungleichgewichtung zwischen der legalen Droge Alkohol und der durch BTM-Gesetz unter Strafe gestellten Droge Haschisch gibt. Ich halte es für nicht angemessen, wenn manche gesellschaftlichen Gruppen und Eltern bei der Einnahme von Haschisch aufschreien, gleichzeitig aber über den Mißbrauch von Alkohol bei Kindern und Jugendlichen hinwegsehen. 

Ich habe manchmal das Gefühl, daß viele vor dem Hintergrund des schlechten Gewissens gegenüber dem Alkoholproblem, auch viele Eltern, versuchen, sich von diesem schlechten Gewissen durch Überreaktion im Drogenbereich zu entlasten. Auch die Polizei oder andere Behörden müssen weit stärker als bisher auch einmal gegenüber denjenigen eingreifen, die Alkohol an Kinder und Jugendliche verkaufen, zum Beispiel samstags abends an Tankstellen, Kiosken usw. Auch dagegen muß man stärker vorgehen. 

(Beifall bei der CDU und bei der SPD) 

Ich frage mich aber: Müssen wir dem Problem des Alkoholmißbrauchs, das tatsächlich vorhanden ist, ein zweites Problem hinzufügen, indem wir Haschisch legalisieren? - Ich meine: Nein. 

(Beifall bei der CDU) Der Versuch, Haschisch in Apotheken zu verkaufen, unterstützt nicht das Prinzip "Helfen statt strafen", sondern unterstützt aus meiner Sicht das Prinzip "Fördern statt strafen". Das darf nicht sein. Aus diesem Grunde lehnen wir das Modell ab. 

Ich würde mir auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger wünschen - der Minister hat das wohl auch schon gesagt, und auch Herr Jordan hat das gefordert - , daß die Landesregierung eine klare Position bezieht. Aber der Minister hat ja ganz klar gesagt, daß es da unterschiedliche Bewertungen gibt. Auch in der Antwort auf die Mündliche Anfrage "Verkauf von Haschisch in Apotheken" steht ganz klar, daß es über die Wege zu einer erfolgreichen Drogenpolitik nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch innerhalb der Landesregierung unterschiedliche Auffassungen gibt. Der Innenminister hat gerade diesen Modellversuch kritisiert. Es ist also doch eine Verunsicherung da. Der Innenminister hat hier noch nicht klar dargestellt, wie er eigentlich dazu steht, sondern er hat nur auf den Sozialminister Rücksicht genommen, der hier gesagt hat: Es ist insgesamt unterschiedlich, aber die Landesregierung steht dahinter. Ich möchte einmal wissen, wie die Landesregierung, und nicht nur Teile der Landesregierung, tatsächlich dazu steht. 

Was diesen Modellversuch anbelangt, stellt sich überhaupt die Frage, Herr Minister, ob man schon die Apotheker gefragt hat, ob sie dazu bereit sind, das zu tun. Es gibt genügend Stellungnahmen von Apothekern, die sagen, daß es ihre Aufgabe sei, Menschen mit gesundheitsfördernden Mitteln zu versorgen. Allerdings gebe ich da auch Herrn Jordan recht: Auch Medikamente, an deren Verkauf man gut verdienen kann, können zu Abhängigkeit führen. Auch das ist ofmals anzutreffen. Es gibt aber Stellungnahmen, wonach die Apotheker lieber mehr Produkte und Mittel verkaufen, die der Gesundheit dienen. Von daher ist auch diese Frage nicht eindeutig geklärt. 

Sie haben hier ja auch die Gesundheitsministerkonferenz angeführt. Sie haben aber nicht gesagt, daß sdiese das mehrheitlich beschlossen hat. Ich gehe davon aus, daß die Gesundheitsminister meiner Partei nicht zugestimmt haben. Ich weiß das aber nicht. Ich habe noch vor zwei Wochen gelesen, daß der Antrag noch nicht gestellt worden sei. Ist das jetzt definitiv passiert? Es gibt jedenfalls aus meiner Sicht noch keine konkreten Antworten. 

Zusammenfassend möchte ich sagen, daß der Antrag der Grünen in der Begründung hinsichtlich des Alkoholmißbrauchs berechtigte Kritik beinhaltet, die wir voll und ganz mittragen. Andererseits lehnen wir das Modellvorhaben, in Apotheken Haschisch zu verkaufen, aus vielerlei Gründen ab. 

(Beifall bei der CDU) 

Vizepräsident Jahn: 

Den nächsten Redebeitrag hören wir von Frau Kollegin Kruse. 

(Jordan [GRÜNE]: Sei mutig!) 

Frau Kruse (SPD): 

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Zunächst einmal bleibt festzuhalten, daß wir in der Drogenpolitik hier im Hause viele gemeinsame Beschlüsse gefaßt haben. 1991 haben wir gemeinsam einen Antrag verabschiedet, der den Grundsatz "Hilfe vor Strafe" festschreibt. Die Landesregierung handelt danach. 

Die Landesregierung ihrerseits hat drogenpolitische Leitlinien beschlossen und sich darin unter anderem positiv zu Modellprojekten geäußert. So wurde im Bundesrat der Vorstoß Hamburgs zur Vergabe von Heroin an eine enge und begrenzte Zielgruppe besonders geschädigter Drogenabhängiger im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie unterstützt. Aufgrund dieser Leitlinien können in Niedersachsen Insassen von Justizvollzugsanstalten mit Methadon substituiert werden, und es können Einwegspritzen abgegeben werden. 

Mit den Richtlinien zur Einstellung von Ermittlungsverfahren nach § 31a Betäubungsmittelgesetz werden Konzepte umgesetzt, die die Justiz entlasten und die Verurteilung von suchtkranken Menschen vermeiden. 

Vor sechs Wochen haben CDU und SPD hier im Hause gemeinsam einen Antrag zur Weiterentwicklung einer vernunftorientierten Drogenpolitik in Niedersachsen verabschiedet. Das war zugegebenermaßen ein Änderungsantrag zu einem wesentlich progressiveren Antrag der Grünen. Nach diesem Antrag, den wir beschlossen haben, sollen zwar noch nicht Originalstoffe kontrolliert abgegeben werden; das soll aber geprüft werden. Ferner bezog sich dieser Antrag auf Konzepte zur Einrichtung von Hygieneräumen in besonders von Drogenkranken frequentierten Städten. 

Wir haben hier seit langem eine Fachdebatte über die Trennung der Märkte. Die Gesundheitsminister aller Länder das ist hier verschiedentlich angeklungen haben beschlossen, einen Modellversuch zuzulassen. Ich will nicht wiederholen, was Minister Weber hier dazu ausgeführt hat. 

Lieber Herr Kollege Jansen, das, was Sie hier zum Alkoholproblem gesagt haben, kann ich voll unterstützen. Das ist auch in Ordnung, wenn Sie das so darstellen. Ich habe schon vor Jahren eine Broschüre herausgegeben, in der genau dargelegt wurde, daß das Alkoholproblem bei uns im ländlichen Raum eine viel größere Rolle spielt als das Drogenproblem unter Jugendlichen. Das ist also nachdrücklich zu unterstützen. Nur, die Augen davor zu verschließen, daß es der Legalisierung von Hasch längst nicht mehr bedarf, ist, lieber Herr Kollege Jansen, blauäugig. Denn Tatsache ist, daß Cannabis-Konsum weit verbreitet ist. Wer darauf neugierig ist, kommt in Kontakt mit Dealern, die auch Heroin anbieten. Deshalb sind Modellversuche zur Trennung von Drogenmärkten wichtig. Ich unterstütze sie nachdrücklich. 

(Zustimmung von Schwarz [SPD]. - Beifall bei den GRÜNEN)  

Der Kieler Haschisch-Modellversuch ist bei Experten umstritten. Wissenschaftler haben unterschiedlich dazu Stellung genommen. In meiner Fraktion wird er zur Zeit abgelehnt. Es ist meine Überzeugung, lieber Herr Kollege Jansen, und meine langjährige politische Erfahrung, daß man mit Beschimpfung nichts erreicht, eher das Gegenteil. Deshalb werde ich für meine Überzeugung in meiner Fraktion werben, und ich bin sicher, daß ich an meiner Seite den Sozialminister habe. - Vielen Dank. 

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) 

Vizepräsident Jahn: 

Um zusätzliche Redezeit für die Fraktion der Grünen hat der Herr Kollege Jordan gebeten. Ich gewähre ihm zwei Minuten. 

Jordan (GRÜNE): 

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich werde es kurz machen. - Herr Jansen, ich habe ein Problem. Ich weiß ja, daß die CDU und die Grünen unterschiedliche Positionen haben. Ich komme aber nicht ganz damit klar, wie Sie noch vor wenigen Wochen einem Modellversuch "Heroin auf Krankenschein" zustimmen konnten 

(Jansen [CDU]: Das haben wir nicht! Die wissenschaftliche Prüfung!) 

und heute die Abgabe von Haschisch in Apotheken ablehnen. Das ist keine konsistente Haltung, wenn man jetzt mal die Drogen im einzelnen anschaut. Vielleicht sollte Ihre Fraktion doch noch einmal darüber nachdenken. 

Was für mich ein bißchen das Problem in dieser ganzen Drogendebatte ist, ist, daß man diese Gratwanderung schaffen muß, auf der einen Seite nicht zu banalisieren und auf der anderen Seite nicht zu dämonisieren. Ich möchte noch etwas zu dem Bereich des Dämonisierens sagen. 

Hier wird immer sehr vorschnell Drogenkonsum mit Drogensucht gleichgesetzt. Ich meine, das hilft uns gar nichts. Diese Gleichsetzung vernebelt eher die Sachverhalte. 

Ich glaube, daß es sehr viele junge Menschen gibt, die in ihrer Jugendzeit da kann wahrscheinlich jeder von uns sein Lied dazu singen mit Drogen verschiedenster Art in Kontakt gekommen sind. Die waren ihnen zugänglich; sie experimentierten damit in Selbstfindungsphasen und sonstwie. Es hängt sehr viel von biographischen und anderen Zufällen ab, an welche Drogen man gerät. Das hängt nicht davon ab, daß es böse Dealer gibt oder sonstwas. Die kommen dann dazu; die garnieren das Bild. Erst einmal ist es auch eine Identitätssuche von jungen Leuten, die diese Auseinandersetzung mit Drogen befördert. 

Wenn es Ihnen gelingen würde, den illegalen Drogenmarkt trockenzulegen, dann gäbe es Ausweichdrogen, auf die die Menschen kommen würden. Es gab ja eine Zeit lang das Unterschicht-Phänomen des Schnüffelns bei Jugendlichen, die gar nicht an illegale Drogen herankamen und sich andere Ersatzstoffe gesucht haben. 

Das heißt: Es gibt so etwas, und es gab so etwas eigentlich schon immer, wobei dieses Experimentieren mit Drogen im weiteren Leben auch von älteren Menschen durchaus fortgesetzt wird. 

Unser Ziel einer rationalen Drogenpolitik ist einfach, daß diese Experimentierphasen für die jungen Menschen nicht im Chaos, nicht in Abhängigkeit enden, und zwar in Abhängigkeit von Suchtstoffen, mit denen sie vorher vielleicht gar nichts zu tun haben wollten. Deswegen - auch deswegen - setzen wir auf alle Versuche zur Entzerrung von Märkten und auch zur Entkriminalisierung solcher Phasen. Was nützt es uns als Gesellschaft, jemanden, der eine entsprechende Phase z. B. mit der Droge Haschisch erlebt, zu kriminalisieren, sein Umfeld zu kriminalisieren, ihm vielleicht sogar im sozialen Bereich und im Beruf Steine in den Weg zu legen, die nicht mehr weggeräumt werden können? 

(Beifall bei den GRÜNEN) 

Das ist der Grund dafür, daß wir uns hier für einen etwas - ich möchte den Begriff nicht überstrapazieren - rationaleren Umgang mit der Drogenproblematik einsetzen. - Vielen Dank. 

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD) 

Vizepräsident Jahn: Herr Dr. Winn, die CDU-Fraktion hat noch 18 Sekunden Redezeit. Wenn Sie diese noch nutzen wollen! 

(Heiterkeit) 

Meine Damen und Herren, damit kann ich die Beratung schließen. Wir kommen zur Ausschußüberweisung. Mit dem Antrag sollen sich der Ausschuß für Sozial- und Gesundheitswesen federführend und der Ausschuß für Rechts- und Verfassungsfragen mitberatend befassen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen. 

(Zuruf von Jordan [GRÜNE]) 

- Ist das zur Geschäftsordnung? 

(Jordan [GRÜNE]: Ja, Herr Präsident! Meine Fraktion hat den Wunsch, daß auch der Innenausschuß an der Mitberatung beteiligt wird! Das ist uns durchgerutscht! Vielleicht kann man das noch reparieren!) 

- Der Kollege Jordan teilt mir gerade mit, daß die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Wunsch hat, daß der Antrag auch vom Innenausschuß mitberaten wird. 

(Fischer [CDU]: Kein Problem!) 

Wenn es im Plenum dagegen keinen Widerspruch gibt, dann lasse ich über diesen Zusatzantrag abstimmen. - Ich höre keinen Widerspruch. 

Wer dafür ist, daß der Antrag auch im Innenausschuß mitberaten wird, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.  


 

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T >Wenn es im Plenum dagegen keinen Widerspruch gibt, dann lasse ich über diesen Zusatzantrag abstimmen. - Ich höre keinen Widerspruch. 

Wer dafür ist, daß der Antrag auch im Innenausschuß mitberaten wird, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.  


 

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