Ein Kiffer aus Kurpfalz

"Hat doch unser alter Kaiser Wilhelm sage und schreibe in Holland Haschisch geraucht - was er in jedem Fall verdient hat, zum Lebensabend", resümierte einst Kabarettist und Hanfkaiser Wolfgang Neuss. Und was dem Kaiser recht, darf dem gemeinen Volk und seinen Enkeln billig sein, dachte sich Dieter Pohl (38) aus Rheinland-Pfalz, als er - wie jedes Jahr - an Aussaat, Ernte und "Verzehr" seiner Hanfplanzen ging. "Mein Großvater war auch leidenschaftlicher Knaster*-Raucher", weiß der sympathische Pfälzer über seinen Vorfahren zu berichten. "Der hatte den Kaiser Wilhelm noch in der Küche hängen."

Niemand hätte von Dieters munterem Züchtertreiben weitere Notiz genommen, wäre die Ernte nicht dazu bestimmt gewesen, sie teilweise, zu sozialen Preisen, an die dörflichen HanfliebhaberInnen zu veräußern...

Es kommt wie's kommen muß. Unter der regen Anteilnahme der trauernden THC-freund-lichen DorfbewohnerInnen, verhafteten Provinz-GendarmInnen den HobbybotanikerInnen und seine im Hühnerstall (Wo sonst?!) getarnten 9 Kilogramm Hanf. "Ich hab es amtlich testen lassen: Mein Gras, mit einem THC-Gehalt von über 7 Prozent als 'Pfälzer-Outdoor-Züchtung' kann sich sehen lassen", meint Dieter rückblickend auf die unfreiwillige Werbehilfe für sein Gras durch das Gerichtslabor. Und tatsächlich bekam er von überall her, aus der Pfalz, Anfragen nach seinen potenten Hanfsamen.

Mehrere Wochen lang saß Dieter in Untersuchungshaft, mußte dann aber, weil er als angesehener und gesellschaftlich aktiver BürgerInnen mit günstiger Sozialprognose ohne Verdunklungsgefahr gilt, freigelassen werden. So rief er vor etwa 15 Jahren die Ortsgruppe der Grünen ins Leben, blockierte in den Achtziger Jahren die amerikanischen Pershing II - Raketentranspor-te, nahm von 1986 bis 1989 ein Mandat der Grünen im Kreistag war, und gründete eine Firma zur Rettung des Waldes, in der er alternative Energieträger wie Solaranlagen, Sterlingmotoren oder Biomasseanlagen anbietet. Eine harte Nuß für Staatsanwalt und Richter. Hier hatten sie es nicht mit einem "normalen" Kiffer zu tun, an dem sie mal die volle Wucht der Gesetze demonstrieren konnten. Journalistisch begleitete die "Rheinpfalz" (Hofpostille eines oggersheimer Kohl-Gewächses) den Verlauf des Verfahrens. Anfangs berichtete sie noch reißerisch unter dem Titel: "Hatz nach Hasch" mit "großangelegter Razzia", ließ aber dann moderatere Töne anklingen, als nach Auswechslung des leitenden Oberstaatsanwaltes der Sache nicht mehr nach klassischem Vorbild eines Wehrmacht-Standgerichtes beizukommen war.

"Ich will meinen Heimatort von harten Drogen frei halten", bejate Dieter die Frage des Richters an der Großen Strafkammer Zweibrücken, ob er sich seiner frevlerischen Tat wohl bewußt sei. Der an der Drogenfront als Schnellrichter und Loser bekannte Jurist verdonnerte Dieter zu zweieinhalb Jahren Gefängnis, ohne Bewährung. In der Urteilsbegründung bestätigte er, daß Dieters persönliche Drogenpolitik von ihm nicht gebilligt werden könne, widerlegte aber nicht seine Argumente, denn selbst die einheimischen PolizistInnen mußten - nun in veränderter Rolle - als Zeugen der Verteidigung, bestätigen: "Im Dorf gibt es keine harten Drogen."

Nun war es anscheinend der judikativen Macht in der ehemaligen "bayrischen-Pfalz" noch nicht ans Ohr gedrungen, daß die Zeiten sich inzwischen - nach Lübeck - geändert haben. Mit dazu beigetragen hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, im von Zweibrücken nur 90 km entfernten Karlsruhe. Dies verwarf nun völlig das viel zu harte Urteil und gab dem Revisionsantrag von Dieter recht.

Hanf auf dem Richtertisch

18. Januar 1996, 8.30 Uhr morgens in Deutschland: Dieter Pohl beschreitet den Saal 1 des Landgerichts Zweibrücken. Mit dabei: Günter Urbanczyk, Rechtsanwalt, aus Mannheim. Bekannt durch das von ihm miterwirkte Mutlangen-Urteil, welches die ehemaligen BlockiererInnen amerikanischer Raketenbasen nachträglich rehabilitierte. Über 6 Stunden quälte sich das Revisionsverfahren hin. Dabei kamen auch die alten in blauen Müllsäcken verpackten "Beweismittel" auf den Richtertisch.

Die Richterin: "So viel Marihuana. Sind Sie denn Rauschmittelabhängig?"

Dieter: "Nein"

Die Richterin: "Nein? Das ist aber nur ihre persönliche Meinung."

Bei soviel Unkenntnis über die in Tüten abgepackten Stengel (Merke: Marihuana ist doch nicht gleich Hanf!), die allenfalls für Textilien zu gebrauchen waren, lag es nicht fern, daß auch die juristischen Rauchbomben der Staatsanwaltschaft großen Eindruck auf die Jury machten. Sie schob neue, nichtige Anklagepunkte nach.

Das Gericht verdonnerte Dieter erneut zu zwei Jahren und nunmehr drei Monaten. Soviel Aufsessigkeit gegenüber dem Gericht konnte die Richterin nicht verwinden. Mit 2 Monaten weniger, wäre Dieter nämlich unter Anrechnung der U-Haft frei gewesen. Der aufmerksamen BetrachterIn entging dabei nicht das, in den Zwischenzeilen abzulesende Gerichtsmotto: "Hoffentlich macht Dieters Beispiel keine Schule".

"Kein Problem" meinte Dieter später optimistisch, "zwar wollen sie mich unbedingt haben, ich lege aber erneut Revision ein. Der hinter dem RichterInnentisch (er-) aufgehängten blinden Justizia, werde ich noch die Augen öffnen! Entweder bin ich eines der letzten Opfer oder einer der ersten Freigesprochenen. Damit sich was ändert und nicht nur für mich, führe ich diesen Prozeß!" Der Haftantrittsbefehl bleibt also bis auf weiteres außer Vollzug.

Merke: Es gibt göttliche und richterliche Urteile. Erstere sind unfehlbar, sonst gäbe es keinen Hanf, letztere beeinflußbar, wenn ein jedeR sich sein/ihr Recht holt. Und sei es nur sein/ihr Recht auf Rausch.

* Knaster oder auch Kanaster: Traditionell umgangssprachlich für Rauch-Hanf!

Patric Bies (Hanfinitiative Saar)


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