Landesarbeitsgemeinschaft Drogen Berlin |
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Drogenpolitische Forderungen, sowie Wissenswertes zu Geschichte, Gebrauch, Wirkung und der Gesetzeslage zu Hanf (Stand Dezember 97)
Geschichte des Hanfes und Geschichte der Hanfprohibition Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Hanfpflanze (Cannabis sativa) war ausschließlich Zentral- und Vorderasien. Die ältesten Überlieferungen zum Gebrauch von Hanf als Rauschmittel aus diesem Gebiet sind mindestens 4700 Jahre alt, auch in ägyptischen Mumien wurden Cannaboide nachgewiesen. Die alten Griechen und Römer kannten Cannabis noch als Droge, danach geriet hingegen die Verwendung von Hanf als Droge in Europa weitgehend in Vergessenheit, wenn auch in den "Hexenmitteln" des späten Mittelalters Hanf als psychoaktiv wirkende Substanz gelegentlich auftaucht. In Europa wurde Hanf etwa seit dem 16./17. Jahrhundert im größeren Umfange angebaut, aber nicht wegen seiner psychoaktiven Wirkung, sondern ausschließlich als Rohmaterial für die Herstellung von Papier, Seilen und Textilien. Seit dem 18. Jahrhundert wurde Hanf auch in den USA (vor allem in Virginia) angebaut - zu den Hanfanbauern zählte übrigens auch der erste Präsident der USA, George Washington, sowie später der US-Präsident Abraham Lincoln. Die bewußtseinsveränderte Wirkung der Hanfpflanze wurde in Europa gegen Mitte des vorigen Jahrhunderts (zunächst von Künstlern und Schriftstellern) vermehrt wiederentdeckt; als beliebte Konsumorte galten die Kaffeehäuser der europäischen Metropolen. Im Deutschen Reich waren Anfang dieses Jahrhunderts auch hanfhaltige Zigaretten der Marke "Nil" (heute enthalten diese nur noch Tabak) oder mit verheißungsvollen Namen wie "Arabische Nächte", "Harem" oder "Wunder des Orients" frei verkäuflich erhältlich. Die Geschichte der weltweiten Hanfprohibition hat ihren wesentlichen Ursprung in der Auseinandersetzung zwischen Schwarzen und Weißen in Südafrika und vor allem in den USA. Das erste staatliche Hanfverbot zu Beginn dieses Jahrhunderts in Südafrika war dazu gedacht, den verbreiteten Hanfgebrauch bei der schwarzen Bevölkerung auszurotten. Auch in den USA mehrten sich seit Mitte der zwanziger Jahre die Befürworter der Hanfprohibition. Hanf war zu dieser Zeit fast ausschließlich die Droge der schwarzen und farbigen sozialen Unterschicht (sowie vieler schwarzer und einiger weniger weißer Jazzmusiker), welche allgemein als subversiv und kriminell galten. 1926 behauptete eine Zeitung in New Orleans, der Marihuanakonsum der schwarzen Bevölkerung sei der Auslöser für die hohe Kriminalität in dieser Bevölkerungsgruppe; bald darauf wurde der Hanfkonsum in Louisina verboten, und 5 Jahre später war der Marihuanakonsum in vielen Staaten der USA illegalisiert, wenn auch eine bundeseinheitlich Regelung noch fehlte. Für diese fehlende Regelung steht im wesentlichen ein Name: Harry Anslinger, der Leiter der zentralen US-amerikanischen Drogen- und Rauschgiftbehörde von 1931-1962. Unter seiner Federführung wurde in den 30er bis 50er Jahren folgende Thesen in die Köpfe der US-Amerikaner eingebleut: (1) Hanf ist ein hochgefährliches Rauschgift. (2) Der Marihuanakonsum endet in vielen Fällen mit Mord und anderen abscheulichen Verbrechen, und (3) Hanfkonsum führt zwangsläufig zum Heroingebrauch - damit war zugleich die These von der Einstiegstheorie geboren. Um den illegalen Hanfkonsum weiter zu unterbinden, wurde schließlich der Hanfanbau und -besitz mit "unverschämt" hohen Steuern belegt. Die 1937 erlassene "Marihuana Tax" sah eine staatliche Steuer von 100 Dollar pro Unze (ca. 30 g) vor, bei Steuerhinterziehung betrug die Strafe sogar 1000 Dollar pro Unze. Die faktische Illegalisierung der Hanfproduktion 1937 und die endgültige Illegalisierung im Jahre 1942 wurde dabei wesentlich unterstützt von der chemischen Großindustrie, die seit 1937 ihre neuentwickelten Verfahren und Chemikalien zur Gewinnung von Papier aus Holz vertreiben wollte, und für die deshalb der alte Papierrohstoff Hanf eine unliebsame Konkurrenz darstellte. Ab 1951 betrug das bundesweite Strafmaß in den USA für den Hanfbesitz und -konsum 2 bis 20 Jahre Zuchthaus. 1961 erreichte Anslinger schließlich, daß der Anbau und Besitz von Hanf in allen UNO-Staaten staatlich sanktioniert wurde (Single Convention on Narcotic Drugs), damit war Grundstein zum heute noch bestehenden weltweiten Hanfverbot gelegt. Ab Mitte der sechziger Jahre wurde Marihuana trotz der Verbote auch vermehrt von der Jugend der weißen Mittel- und Oberschicht der USA konsumiert; Hanf galt zusammen mit LSD als die Droge der "Flower Power Bewegung". Diesen "subversiven Aussteigern" wurde fortan, wie zuvor schon den "kriminellen Schwarzen", der behördliche Kampf angesagt (z.B. wurde der Harvard-Professor und Legalisierungsverfechter Timothy Leary 1965 zu einer Zuchthaustrafe von 30 Jahren wegen Besitzes von knapp 90 g Marihuana verurteilt). Doch weder Nixon, noch Reagan noch Bush konnten mit ihrer "Kriegserklärung gegen Cannabis und andere Drogen" verhindern, daß heute 10 Prozent der amerikanischen Bevölkerung regelmäßig Hanf konsumieren. Die Entwicklung der Hanfprohibition in Deutschland nach 1918 war im wesentlichen durch seine Verpflichtungen zunächst aus dem Versailler Vertrag und danach durch internationale Verträge im Völkerbund und später als Mitglied der UNO gekennzeichnet: Nachdem im Jahre 1925 durch ein internationales Abkommen Hanf zum ersten Mal als angeblich suchtfördernde und gesundheitsschädliche Substanz deklariert worden war, wurde durch das 2. Opiumgesetz im Jahre 1929 der Besitz von Hanf zu "Rauschzwecken" in Deutschland erstmals für die Konsument(inn)en illegalisiert (theoretische Höchststrafe: 3 Jahre Haft); 1934 erfolgte eine nochmalige Gesetzesüberarbeitung, die ausdrücklich Opium, Morphium, Heroin, Kokain und indischen Hanf als illegale Stoffe im Sinne des Gesetzes aufführte. Unberührt von Gesetzen blieb aber der Hanfanbau zur Gewinnung von Rohstoffen, gegen Ende des 2. Weltkrieges wurde er sogar nochmals durch staatliche Stellen besonders gefördert. Hanf zu Medzinalzwecken war zudem noch bis 1958 in deutschen Apotheken erhältlich. Nachdem seit Mitte der 60er Jahre der Kosum von Haschisch (und auch LSD) in Deutschland allmählich populär wurde, sah sich die seinerzeit sozial-liberal geführte Bundesregierung genötigt, hier eine strafrechtlich erzwingbare Pflicht zur Nüchternheit mittels eines drastisch verschärften Strafrahmens entgegenzusetzen: In der ersten Fassung des Betäubungsmittelgesetes (BtMG) von 1971 wurde die Höchststrafe auf 10 Jahre Haft ausgeweitet - zugleich wurden die Halluzinogene (LSD, Psilocybin und Meskalin) durch dieses Gesetz erstmals für illegal erklärt; der Hanfanbau zur Fasergewinnung war aber weiterhin statthaft. Mit der Neufassung des BtMG im Jahre 1982 wurde die Strafobergrenze auf nunmehr 15 Jahre heraufgesetzt. (Was aber keinen Einfluß auf den Markt mit Cannabis oder anderen Drogen hatte: Die eingeleitenden Strafverfahren stiegen seit 1982 bis 1994 auf mehr als das Doppelte pro Jahr.) Zugleich wurde die Pflanze Hanf mit der Änderung des BtMG 1982 total illegalisiert, damit war auch der Hanfanbau zur Fasergewinnung verboten. Weitere Strafverschärfungenen brachte schließlich die Novellierung des BtMG im Jahre 1992. Wenngleich im internationalen Vergleich* die BRD in der Hanf-Prohibitionsskala zur Zeit nur einen mittleren Platz einnimmt, ist bundesdeutsches Drogenstrafrecht doch der Ausdruck einer rigorosen Kontrollpolitik mit dem utopischen Ziel einer zu erzwingenden drogenfreien Gesellschaft (Alkohol zählt für die CDU/CSU ja nicht als Droge). Um vermeidliche Täter dingfest zu machen, werden insbesondere bei Ermittlungsverfahren wegen Betäubungsmitteldelikten alle jenen Gesetze und Methoden angewendet, die als verfassungswidrig zu bezeichnen sind: Kronzeugenregelung, verdeckte Ermittler und Lockspitzel, Raster- und Schleppnetzfahndung. Auch der umstrittene "große Lauschangriff" soll gezielt in Drogenermittlungsverfahren eingesetzt werden. Der sogenannte Cannabisbeschluß des Karlsruher Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1994 stellte zudem ausdrücklich fest, daß die Erwähnung von Hanf im BtMG nicht gegen das Grundgesetz verstößt (aber Verfassungsgerichtsurteile zur Gesetzmäßigkeit von Strafbestimmungen wurden zu einem späterern Zeitpunkt schon öfter revidiert, wie z.B. im Sexualstrafrecht). Der Beschluß legte positiverweise immerhin klar, daß bei Besitz von geringen Drogenmengen das Verfahren nach § 29 (5) u. § 31a BtMG nicht nur eingestellt werden kann, sondern stets eingestellt werden soll, weil eine Strafe eine übermäßige und damit verfassungswidrige Sanktion darstellen würde. Seit Frühjahr 1996 schließlich ist der Anbau von THC-armen Hanfsorten zur Rohstoffgewinnung in Deutschland wiederum erlaubt, und die rot/grüne Landesregierung in Schleswig Holstein plant eine begrenzte freie Abgabe von Cannabisprodukten zu Konsumzwecken über Apotheken in diesem Bundesland. Auch der offen vorgetragene Protest gegen die unhaltbare Hanf-Verbotspolitik der Bundesregierung wächst: In vielen Städten werden öffentliche "Kiff-Ins" veranstaltet, Prominente "outen" sich als Cannabiskonsumenten, und bundesweite Demos (die erste am 23. August 1997 in Berlin) für die Legalisierung von Hanf sollen den Gesetzgeber zu einer Umkehr in seiner realitätsfernen Drogenpolitik bewegen. Aktuell konsumieren etwa 3 Prozent der deutschen Bevölkerung regelmäßig Hanf, die Zahl der Gelegenheitskonsument(inn)en liegt bei über 5 Prozent und etwa 10 Prozent der Bevölkerung haben mindestens schon einmal mit Hanf experimentiert (40 Prozent sind es in der Gruppe der 18-40 Jährigen). * Die Entwicklung zu mehr Liberalität ist hier noch weit hinter derjenigen z.B. in Holland und einiger weniger US-Staaten (Alaska, Columbia etc.) zurück, doch sind die hiesigen Verhältnisse doch noch nicht ganz so rigoros, wie in vielen anderen Ländern, wo z.B. auch der reine Hanfkonsum bestraft wird (bei uns ist immerhin das Rauchen eines Joints straffrei!). Die negativen Spitzenpositionen in Europa nehmen Frankreich und Schweden ein, wo eine regelrechte behördliche Hanfhysterie herrscht (selbst das Tragen von T-Shirts mit Hanfaufdruck ist in Frankreich verboten!). Die schärfsten Prohibitionsgesetze findern sich jedoch in diversen US-Bundesstaaten (z.B. Alabama, Kansas, Nevada etc.), in arabischen Staaten und in Südostasien: die Höchstrafen für den illegalen Hanfbesitz sind dort lebenslängliche Haft oder sogar die Todestrafe (bei Besitz von "Handelsmengen" z.B. in Malaysia oder den Phillipinen). (Psychoaktive) Inhaltsstoffe der Hanfpflanze Die psychoaktiven Inhaltstoffe des Hanfharzes sind die Cannabinoide; dies sind gut fett- und daher wenig wasserlösliche (stickstoffreie) Verbindungen. Die wichtigste psychoaktive Verbindung ist das Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC), dessen chemische Strukturaufklärung erst 1964 in Israel vollständig gelang. Der THC-Gehalt der Hanfpflanze nimmt während des Wachstums kontinuierlich zu, bei üblichen ,indischen Hanf" werden bis zu 3 % THC (bezogen auf das Tockengewicht) in den männlichen Pflanzen und bis zu 5 % THC in den weiblichen Pflanzen erreicht; der THC-Gehalt der obersten Blätter der Pflanze ist hierbei am größten. Die Blätter enthalten aber stets weniger Hanfharze bzw. THC als die weiblichen Blüten, diese können bei holländischen Hanf-Superzüchtungen (Super Skunk etc.) bis zu 10 % THC enthalten; bis 10 % THC werden auch bei Haschisch, dem eingetrockneten Harz der Blüten, erreicht. Das sogenannte Haschöl (ein klebriger, eingedickter alkoholischer Hanfplanzenextrakt) kann sogar bis zu 30 % THC beinhalten. THC reagiert unter Zersetzung empfindlich auf Licht, Sauerstoff und Wärme, wobei als Abbauprodukt das fast psychoinaktive CBN (Cannabinol) entsteht. Ein anders wichtiges Cannaboid ist das auch psychoinaktive CBD (Cannabidiol), welches eine Synthesevorstufe von THC darstellt, und dessen Umbau zu THC in den speziell gezüchteten THC-armen Hanf-Sorten blockiert ist. (Anmerkung: Die Hanfpflanze selbst bildet stets die psychoinaktiven Carbonsäuren von THC; beim Rauchen von Gras werden diese jedoch zu THC decarboxyliert; durch die Hitzeeinwirkung bei der Herstellung von Hanf-Tees oder von Hanfgebäck wird das gleiche erreicht.) Cannabis-Konsum und Abbau von THC im Körper Marihuana oder Haschisch werden meistens geraucht, wobei für eine psychoaktive Wirkung etwa 2-4 mg THC im Körper benötigt werden. Da aber etwa nur ein Fünftel des im Rauch enthaltenen THCs tatsächlich über die Lunge aufgenommen wird, werden real 10-20 mg THC für eine psychoaktive Wirkung benötigt. Dies entspricht ca. 0,2-0,4 g Marihuana mittlerer Qualität mit 5 % THC. Die Wirkung hält nach dem Rauchen, abhängig von der Dosis, 2 bis 4 Stunden an. Weniger verbreitet ist der Verzehr von Hanfprodukten, wobei die meisten Kosument(inn)en darauf achten, die gut fettlösliche Substanz THC zuvor in heißer geschmolzener Schokolade, zerlassener Butter oder in warmen Joghurt aufzulösen. Als weniger wirksam erweisen sich hingegen wässrige Hanfauszüge (etwa ein Tee aus Hanfblüten oder Blättern). Die Wirkung setzt 30-90 Minuten nach dem Konsum ein und dauert 2-12 Stunden an. Das THC wird im menschlichen Körper (unter Einfügung von -OH Gruppen) in eher wasserlösliche Formen umgebaut, welche mit Urin und Stuhl innerhalb einiger Stunden ausgeschieden werden. Ein gewisser Prozentsatz des THC wird jedoch nicht gleich metabolisiert und ausgeschieden, sondern bleibt im Fettgewebe mehrere Tage gespeichert. Spontane Freisetzungen größerer Mengen des gespeicherten THCs sollten nach einer mittlerweile nicht mehr haltbaren Theorie zu den sogenannten "Flashbacks" (spontane Echo-Rauschzustände) führen. Die Ablagerungen von THC und seinen Metaboliten in den Haaren sowie besonders der Nachweis der THC-Metabolite im Urin werden von den Drogenverfolgungsbehörden (und Führerschein-behörden) im übrigen zum Nachweis eines vorangegangenen Cannabiskonsums gern herangezogen. Wegen der langen Depotzeit von THC im menschlichen Körper ist deshalb auch noch ein um Wochen zurückliegender Hanfkonsum im Urin nachweisbar. Inzwischen werden von findigen Anbietern jedoch auch teure Präparate als Trinklösung oder Haarshampoo vertrieben, wodurch das THC und seine Derivate nicht mehr im Urin oder in den Haaren nachzuweisen sein soll; dies trifft jedoch nur bedingt zu, wie entsprechende Tests ergaben (Zeitschrift "Grow", März 1997). THC und sein Rezeptor im Gehirn: Schlüssel und Schloß zur Glückseeligkeit Damit eine psychoaktive Substanz, wie THC, wirken kann, muß sie an einer bestimmten Stelle der Nervenzelle - dem Rezeptor - gebunden werden. THC paßt auf diesen Rezeptor wie ein Schlüssel in ein Schloß. Die Entdeckung des Rezeptors für THC zu Beginn dieses Jahrzehntes führte zu einem völlig neuem Verständnis zur Wirkung des THC im Gehirn: Damit ist der Wirkstoff des Hanfes kein "mysteriöses Gift" mehr, das sich in das Gehirn der Konsumenten einschleicht, sich diffus ausbreitet und es schließlich zersetzt. Damit ist THC vielmehr der Schlüssel zu vielen Schlössern, mit dem sich vorher verschlossene Türen in unserem Gehirn öffnen lassen. Marcia Barinaga schrieb 1992: "Natürlich haben sich diese Rezeptoren nicht über Jahrmillionen entwickelt, um herumzuhängen, bis jemand "high" werden könnte. Aber was ist dann ihre natürliche Funktion in unserem Körper? Und welche körpereigenen Stoffe passen auf sie?" Diese Frage konnte noch im selben Jahr beantwortet werden: Das körpereigene THC heißt Anandamid, ein Derivat der Arachidonsäure, einer in den Zellmembranen vorhandenen Fettsäure. Der Begriff Ananadamid kommt zum Teil aus dem indischen Sankskrit: ananda = Glückseeligkeit. Im Tierversuch lösen Ananamide das gesamte Wirkungspektrum aus, das auch vom THC bekannt ist: Anandamide beeinflussen Bewegungskoordination, Emotionen und Gedächtnisfunktionen. Anandamide lassen Schmerzen vergessen aber auch Kleinigkeiten; sie setzen uns eine rosa Brille auf, machen gesellig und friedfertig, aber auch medidativ und müde. Immer wenn wir uns angenehm fühlen, rollt sich unser Gehirn sozusagen einen Anandamid-Joint. Man findet Nervenzellen mit THC/Anandamid-Rezeptoren vor allem im Bereich des Kleinhirns und der Basalganglien, wo die Bewegungsabläufe und die Feinmotorik koordiniert werden; über die THC-Wirkung auf das Kleinhirn wird deshalb die Schwierigkeit zu koordinierter Bewegung nach hohem Cannabiskonsum erklärt. Ferner befinden sich THC/Anandamid-Rezeptoren im Hippocampus (Teil des Gefühlzentrums) sowie der vorderen Großhirnrinde (Ort des Bewußtseins und Gedächtnisses). Die üblichen Cannabiswirkungen, wie Hochstimmung (Euphorie), das Herbeiführen traumähnlicher Zustände usw. werden mit der Wirkung von THC in diesen Gehirnbereichen in Verbindung gebracht. Der Hirnstamm, der lebenswichtige Körperfunktionen wie die Atmung steuert, enthält allerdings keine bzw. kaum Rezeptoren für THC/Anandamid. Hieraus erklärt man sich, daß THC (im Unterschied zu den Opiaten) keinen Einfluß auf lebenserhaltende Grundfunktionen hat. Dies mag auch der Grund dafür sein, warum auch extrem hoher Cannabiskonsum bislang noch niemals zum Tode führte (anders als bei Alkohol und Heroin). THC gilt somit als die "ungiftigste" psychoaktibe Substanz schlechthin. (Das Verhältnis von psychoaktiv wirksamer zu tödlicher Dosis beträgt für: THC ca. 1 : 20.000 (vermutet), LSD, Psilocybin ca. 1 : 1000 (vermutet), Ecstasy (MDMA) ca. 1 : 10, Alkohol 1 : 8, Heroin ca. 1 : 4, Strychnin ca. 1 : 2) Allgemeine THC-Wirkung Körperliche Reaktionen Beim Menschen wirkt sich THC vor allem auf Funktionen des Herz-Kreislauf-Systems und des Zentralnervensystems aus: Fast immer steigt die Pulsfrequenz, der Blutdruck wird hingegen kaum beeinflußt. Die Körpertemperatur kann leicht herabgesetzt sein. Der Blutzuckerspiegel ist nach Cannabis-Konsum erniedrigt, was zu einem gesteigerten Appetit - insbesondere nach Süßem - führt. Wirkung auf die Psyche Die subjektiv empfundenen Wirkungen sind unterschiedlich. Sie sind abhängig von der Dosis, dem Verhältnis der einzelnen Cannabinoide zueinander, dem Aufnahmeweg, der Erfahrung und Erwartung der Konsumenten (set), den äußeren Gegebenheiten, und dem augenblicklichen Gemütszustand der Konsumenten (setting). Alle Sinneseindrücke und Empfindungen können verstärkt werden, während Leistungs- und Konkurenzdruck an Bedeutung verlieren. Das Zeitgefühl ist verändert, eine Stunde kann wie drei erscheinen. Konsument(inn)en berichten über gesteigertes Wohlbefinden, leichte Euphorie, Entspannung und eine Befreiung von Ängsten. Bei höheren Dosen können Wahrnehmungsverschiebungen und veränderte Sinnseseindrücke (allerdings nicht im Sinne von echten Halluzinationen) erlebt werden: So kann von Gegenständen eine Ausstrahlung ausgehen, die den gesamten Raum zwischen diesen und dem Wahrnehmenden atmosphärisch ausfüllt. Diese Intensivierung geht aber nicht mit einem Antriebsüberschuß sondern mit einer gemäßigten Wendung nach innen einher. Eine beschriebene "wohlige, warme Atmosphäre" breitet sich aus; zusammen mit anderen Menschen wird ein Gefühl der Zusammengehörigkeit vermittelt und die Empfindung, daß man sich gegenseitig versteht, ja schon immer verstanden hat. Anders als bei Alkohol führt gelegentlicher hoher Cannabiskonsum am nächsten Tag zu keinem Drogenkater, die Konsument(inn)en fühlen sich oft sogar ausgesprochen "gut drauf", wenn auch die Motivation zur Arbeit nach intensivem Cannabiskonsum am nächsten Tag zuweilen reduziert sein kann. Geringer bis mittlerer Cannabiskonsum hat darüber hinaus oft ausgeprägte aphrodisierende Effekte (was auch durch eine bundesweitweite Umfrage der Berliner AG Drogen bestätigt wurde); nicht ohne Grund taucht deshalb Cannabis als Bestandteil der orientalischen Liebes- und Glückspillen auf. Die Ausbildung einer Toleranz (es werden immer höhere Dosen benötigt, um die gleiche Wirkung zu erzielen) kommt beim THC in nur sehr geringem Umfange vor, auch eine Kreuztoleranz zu anderen Drogen (die Wirkung dieser Drogen wird aufgehoben) wurde für THC nicht beschrieben. Nebenwirkungen/Risiken des Cannabiskonsums Unter akuter THC-Wirkung kann es zu einem trockenen Mund und gelegentlich zum Auftreten von Schwindelgefühlen kommen. Häufig erweitern sich die Blutgefäße in der Hornhaut des Auges, wodurch sich die Augen nach dem Konsum von Cannabis stark röten können. Ansonsten sind die Cannabinoide gut verträglich und führen zu keinen körperlichen Langzeitschäden. Schädigung der Atemwege Der Cannabisrauch allerdings enthält ebenso wie Tabak Teer und damit Benzpyrene, die über eine Schädigung der Atemwege ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko bedeuten. Die Schädigung der Atemwege durch eine Marihuanazigarette entspricht etwa der durch zwei Tabakzigaretten. Das Lungenkrebsrisiko kann jedoch durch das Benutzen einer Wasserpfeife reduziert werden; durch den Verzehr von Cannabis-Gebäck (Spacecakes) etc. wird dieses Risiko gänzlich ausgeschaltet. Wirkung auf das Kreislaufsystem Die durch das THC verursachte Erhöhung der Herzschlagfrequenz (Puls) kann bei Menschen mit Erkrankungen des Herzens (Koronarerkrankungen) unter Umständen zu bedrohlichen Situationen führen. Dies gilt für diesen Personenkreis insbesondere dann, wenn Cannabis zusammen mit anderen Drogen konsumiert wird (wie etwa Ecstasy oder LSD), die ebenfalls die Pulsfrequenz hochregulieren. Wirkung auf das Hormonsystem Bei Männern kann der chronisch hochdosierte Gebrauch von Cannabis den Testosteron-Spiegel erniedrigen und die Spermienproduktion reduzieren. Die männlichen Fortpflanzungsfähigkeit und sexuelle Potenz sind aber nicht eingeschränkt. Bei Frauen führt andauernder Cannabiskonsum zu einer absinkenden Produktion der Sexualhormone LH und FSH. Hierdurch kann der Menstruationszyklus beeinflußt werden, es wurden Zyklen ohne Eisprung beobachtet. Diese Wirkungen sind aber reversibel, d.h. sie verlieren sich nach Absetzen von Cannabis. Beeinflussung der Psyche und Verkehrstüchtigkeit Unter akutem Cannabis-Einfluß ist die Fähigkeit vorübergehend beinträchtigt, komplexe Aufgaben zu bewältigen, welche Aufmerksamkeit und konkretes Einordnen von Einzelbeobachtungen erfordern. Entsprechend ist die Verkehrstüchtigkeit bis zu mehreren Stunden nach dem Cannabiskonsum objektiv stark vermindert, obwohl subjektiv das Gefühl bestehen kann, daß man/frau noch gut Autofahren kann. Bei sehr hohem THC-Konsum können außerdem akute Depressionen, Panikanfälle und leichte Paranoia auftreten. Doch sind derartige Reaktionen eher selten und gehen meist rasch vorüber. Bei Menschen mit verborgenen (latenten) Psychosen besteht jedoch das Risiko, daß diese durch Cannabiskonsum aktiviert werden. Entwicklung einer Abhängigkeit Regelmäßiger Cannabis-Konsum führt zu keiner körperlichen Abhängigkeit, nennenswerte Entzugssymptome treten nicht auf. Auch besitzt die Droge als solche nicht die Stoffeigenschaft, psychisch abhängig zu machen. Dient der Konsum von Cannabis aber zur Kompensation von Frustrationen, können sich allerdings problematische Konsummuster wie hochdosierter Dauerkonsum ergeben. Cannabis als "Mörderkraut" Die bis in die 50er Jahre von Anslinger (s.v.) vorgetragen Behauptung, Cannabiskonsum führe zu einer erhöhten Bereitschaft zu Gewaltverbrechen bis hin zum Mord, gilt als eindeutig widerlegt. Das Gegenteil ist der Fall: Im Tierversuch wirkt THC beruhigend, es unterdrückt aggressives Verhalten und führt bei Affen zu einem gesteigerten Sozialverhalten. Ähnlich wirkt Cannabis auch beim Menschen. Bemerkenswert ist auch hier eine deutliche Unterdrückung von Agressionen: Während 30-50 % aller Gewaltstraftaten inkl. Mord nach Kriminalstatistiken unter Alkoholeinfluß begangen werden, sind solche Straftaten nach Cannabiskonsum geradezu eine absolute Ausnahme. Cannabis als Einstiegsdroge Seit den 50er Jahren wird (nach Widerlegung der "Mörderkrauttheorie") behauptet, Cannabiskonsum sei der erste Schritt in einer "Drogenkarriere", an deren Ende die Heroinabhängigkeit steht. Diese Behauptung wurde aus dem Befund hergeleitet, wonach über 95 % der heroinabhängigen Menschen zuvor auch Cannabis konsumiert hatten. Mehr als 99 % dieser Personen hatten jedoch zuvor auch Alkohol oder Nikotin konsumiert, aber niemand käme auf die Idee, diese Drogen als Einstiegsdrogen für Heroin zu bezeichnen. Richtig ist: Wer Cannabis konsumiert gerät weder zwangsläufig noch mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine Heroinabhängigkeit. Nur ein sehr geringer Prozentsatz der Cannabiskonsumenten steigt wirklich auf Heroin um. Das Umsteigen ist aber nicht durch die psychische Wirkungsqualität von Cannabis bedingt. Die Ursachen zum Umsteigen sind vielmehr spezielle Persönlichkeitsstrukturen und soziale Faktoren. Cannabis flash-backs (Nachrausch) Bis in die jüngste Vergangenheit wurde behauptet, daß die spontane Freisetzung von im Fettgewebe gespeichertem THC zu einem sogenannten Nachrausch führe. Solche besonderen Erlebnise auch ohne Cannabiskonsum kommen zwar gelegentlich vor, jedoch haben diese weitaus kompliziertere Ursachen. Die durch eine Freisetzung von gespeichertem THC erzielbaren THC-Werte im Blut reichen jedenfalls für eine psychische Wirkung keinesfalls aus. Trozdem dient die Flash-back Theorie noch immer Gerichten und Ämtern als Vorwand, ertappten Cannabiskonsument(inn)en den Führerschein (als Schikanemaßnahme) zu entziehen. Gehirnschäden und Amotivationssyndrom Es wurde auch vorgetragen, häufiger Cannabiskonsum führe zu einer Gehirnschädigung; eine irreversible Veränderung im Gehirn konnte aber noch nie nachgewiesen werden. Das sogenannte "Amotivationssyndrom" bei Cannabiskonsument(inn)en (beschrieben mit Antriebsverlust, Gleichgültigkeit gegenüber dem Umfeld, Nachlassen der Leistungsfähigkeit und des Verantwortungsgefühls) stellt auch eher eine Ausnahme dar. Die beschriebenen Symptome sind zudem in der Regel weniger durch die THC-Wirkung selbst, sondern vielmehr durch die äußeren Lebensumstände der Konsument(inn)en bedingt. Cannabis als Nutz- und Heilpflanze Hanf ist die ursprüngliche Pflanze zur Papiergewinnung (s.v.). Aus Hanffasern gewonnenes Papier ist wesentlich besser und haltbarer als Papier aus Holzzellulose. Hanf ist eine sehr schnell wachsende (4 m Höhe in 6 Monaten) und hinsichtlich der Bodenzusammensetzung anspruchslose Pflanze; aus einem ha Hanf-Anbaufläche läßt sich pro Jahr viermal so viel Zellulose gewinnen wie aus einem ha Wald: Die vermehrte Nutzung der Hanfpflanze als Papierlieferant kann damit dazu beitragen, den Kahlschlag der Urwälder dieser Erde zu stoppen. Die Hanffasern lassen sich außerdem zu sehr hautverträglichen Textilien weiterverarbeiten, und die Samen liefern ein wertvolles (THC-freies) Speiseöl, das reich ist an lebenswichtigen mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Die Blüten der Hanfpflanzen werden außerdem zur Herstellung von Kosmetika und neuerdings (z.T als Hopfenersatz) auch zum Brauen bekömmlicher (und teilweise psychoaktiv wirkender*) Biere verwendet. * Versuchsprojekte hierzu z.B. seit 1997 in Berlin Die Anwendungsmöglichkeiten von Cannabis in der Medizin sind überaus vielfältig: Bei Krebs- oder Aids-Patient(inn)en beseitigt es infolge der Chemotherapie Übelkeit und Erbrechen, es steigert den Appetit und wirkt leicht schmerzstillend. Die Harze der Pflanze wirken zudem antiepileptisch, sie senken den Augeninnendruck bei Glaukomen (grüner Star) und beugen so einer drohenden Erblindung vor. THC wirkt ferner bei multipler Sklerose und lindert Bronchialkrämpfe bei Asthmatikern. Trotz all dieser positiven Wirkungen ist die Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland (anders als in vielen anderen Staaten) immer noch nicht zugelassen, was eine Unverantwortlichkeit insbesondere gegenüber den Krebs- und Aidspatient(inn)en darstellt. (Weitere Informationen zu diesem Thema können Interessierte auch beim Verein "Cannabis und Medizin" erhalten; Infos u.a. bei Dr. F. Grotenhermen, Köln, Tel. 0221-139 25 79 oder bei PD Dr. R. Gorter, Berlin, Tel. 030-39 76 34 20). Sowohl die psychotrope Substanz THC als auch praktisch die gesamte Pflanze sind in der Anlage I des BtMG aufgenommen, d.h. weder verschreibungs- noch verkehrsfähig. Ausnahmen gelten lediglich für die Samen (diese enthalten nämlich auch bei sehr THC-reichen Sorten kein THC) und für besonders THC-arme Hanfsorten zur Nutzung als Rohstofflieferant. Seit Februar 1998 ist jedoch auch der Besitz von Hanfsamen strafbar, wenn diese zum unerlaubten Anbau von (THC-haltigen) Hanfpflanzen bestimmt sind. Strafbar sind nach dem Gesetz der Anbau, der Besitz (auch zum ausschließlichen Eigenverbrauch), der Erwerb, die Abgabe, die Einfuhr und Ausfuhr sowie nahezu alle anderen Umgangsformen mit Cannabis. Nur der unmittelbare Verbrauch, also der reine Hanfkonsum ist (ebenso wie der Konsum aller anderen illegalisierten Substanzen) grundsätzlich (!) straffrei, da eine eventuelle eigenverantwortliche gesundheitliche Selbstgefährdung durch Cannabiskonsum durch Art. 2, Abs. 1 des Grundgesetzes (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) geschützt sei. Nicht zu einer Strafverfolgung führen außerdem aufgefundene Rückstände von Cannabiskonsum (THC-Rückstände in Rauchgeräten, aufgefundene Jointkippen etc.), aber auch das Weiterreichen eines Joints an den (über 18 jährigen) Nachbarn ist straffrei. Bei Besitz ausschließlich zum Eigenkonsum kann aber das Gericht (nach § 29 Abs. 5 bzw. §31a Abs. 2 des BtMG) oder bereits die Staatsanwaltschaft (nach § 31a Abs.1) das Verfahren einstellen, wenn es sich lediglich um eine "geringe Menge" handelt. Im sogenannten "Cannabisbeschluß" vom 9. März 1994 haben die Karlsruher Verfassungsrichter ausgeführt, daß die Staatsanwaltschaften bei der Sicherstellung von geringen Cannabismengen ausschließlich zum Eigenkonsum nicht nur von einer Strafverfolgung absehen können, sondern sollen (s.v.). Die vom Bundesverfassungsgericht zugleich eingeforderte einheitliche Regelung der Definition einer "geringen Menge" für alle Bundesländer steht aber immer noch aus, wobei ein eindeutiges Nord-Süd-Gefälle sowie eine tolerantere Einstellung in den Metropolen im Vergleich zu den ländlichen Gebieten zu registrieren ist. Im rot-grün regierten Schleswig Holstein und in Hessen etwa gelten 30 g (ca. 100 Konsumeinheiten) noch als "geringe Menge"; im CDU-regierten Baden-Württemberg oder gar im CSU-dominierten Bayern sind es hingegen deutlich weniger. Bei aufgefundenen Cannabismengen oberhalb der "geringen Menge" reicht das Strafmaß bei den sog. Grundtatbeständen (d.h. keine erschwerenden Fälle, s.u.) nach § 29 BtMG von Geldstrafen bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug. Das Strafmaß ist dabei von mehreren Umständen, wie z.B. der aufgefundenen THC-Menge, anderen Vorstrafen oder der Sozialprognose abhängig, aber auch davon, wo sich das verurteilende Gericht befindet! (s.o.) Mit nicht unter einem Jahr Haft (Bewährungsstrafe aber noch möglich) wird hingegen bestraft, wer nach §29 gewerbsmäßig mit Cannabis (oder anderen illegalen Drogen) Handel treibt. Dieses Mindeststrafmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe gilt nach § 29a Abs. 2 BtMG auch für den Besitz einer "nicht geringen (nicht unerheblichen) Menge". In der Rechtssprechung (BGH-Urteil) liegt dieser Grenzwert derzeit (Mai 1997) noch bei 7,5 g THC (= 500 Konsumeinheiten zu 15 mg) d.h. etwa 75 g Haschisch mit 10 % THC oder 150 g Marihuana mit 5 % THC. Wer Cannabis (oder andere illegale Drogen) an Personen unter 18 Jahren abgibt (auch das Weiterreichen eines Joints zählt hierzu!) und dabei über 21 jahre alt ist, wird gemäß § 29a Abs. 1 BtMG ebenfalls mit mindestens einem Jahr Freiheitsentzug bestraft. Noch höher ist das Mindesstrafmaß (minimal 2 Jahre Haft ohne Bewährung), wenn nach § 30a Abs. 1 BtMG jemand gemeinsam mit anderen übergeordnete Bandeninteressen verfolgt (z.B. innerhalb eines Dealerringes), oder wenn jemand Cannabis in nicht geringer Menge ein- oder ausführt (d.h. wer mehr als 7,5 g THC bzw. 75 bis 150 g Cannabisprodukte etwa aus Holland über die Grenze schmuggelt). Aber auch diese Grenzwerte scheinen aufzuweichen: So verurteilte das Lübecker Landgericht Anfang 1997 jemanden nach Einfuhr und Besitz von über 400 g THC (in 12 kg gestrecktem Haschisch) lediglich zu 18 Monaten Haft (auf Bewährung). Wer bei einer Verkehrskontrolle, an der Grenze, bei einer Razzia oder sonstwo mit illegalen Drogen (also Cannabis) erwischt wird, der muß insbesondere in den südlichen Bundesländern - auch bei der Sicherstellung einer nur geringen Menge - mit einer anschließenden sofortigen Wohnungsdurchsuchung rechnen. Werden dort spezielle Waagen, in Tütchen portionierte Mengen etc. vorgefunden, so gehen die Ermittlungsbehörden dann sogar vom strafverschärfenden Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (s.o.) aus. Aufgefundene illegale Drogen bei Verkehrskontrollen (aber auch sonst) haben darüber hinaus nach Meldung an die Führerscheinstellen in vielen Fällen den Versuch des Führerscheinentzuges zur Folge und zwar auch dann, wenn nicht unter Drogeneinfluß gefahren wurde. Begründet wird der Entzug der Fahrerlaubnis bei aufgefundenem Cannabis mit der pauschalen Behauptung, Cannabiskonsumenten seien allgemein weniger "vernunftgesteuert" (OLG Koblenz, 1996) sowie immer noch mit der angeblichen Gefahr spontan auftretender Rauschzustände selbst Wochen nach dem letzten Cannabiskonsum (sog. Flashback-Hypothese). Letzteres gilt jedoch nunmehr als wissenschaftlich unhaltbar, wie u.a. Gutachten bei einer Anhörung 1995 durch den Bundesgerichtshof (BGH) darlegten. Rechtskräftige Verurteilungen nach den §§ 29 ff. BtMG werden zudem in das Bundeszentralregister eingetragen und sind dort je nach Strafmaß Jahrzehnte lang gespeichert, so daß dann im polizeilichen Führungszeugnis eine Vorstrafe steht. Dies kann sich nachteilig bei Stellenbewerbungen auswirken, bei Beamten bedeutet dies unter Umständen auch Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Entlassung aus dem Dienst. Bei allen polizeilichen Vernehmungen sollte man grundsätzlich keine Angaben zur Sache machen, und auf eventuelle Drohungen oder Versprechungen seitens der Kriminalpolizei nicht eingehen, denn eine einmal gemachte Aussage ist nur schwer zu widerrufen (Merke: Reden ist Blech, Schweigen ist Gold!). Vielmehr empfiehlt es sich in jedem Fall einen Anwalt zu Rate zu ziehen, der auch Einsicht in die Ermittlungsakten verlangen kann. (Eine umfassendere Beratung zu diesem Thema und evtl. die Vermittlung eines fachkompetenten Rechtsanwaltes gibt es übrigens bei der Grünen Hilfe e.V.; Adressen: u.a. Infoladen im "Conne Island", Koburgerstr. 3, 04277 Leipzig, Tel. 0341-3026504 oder H.A.N.F. e.V., Mühlendamm 5, 10178 Berlin, Tel. 030-2424827). Aus medizinischer Sicht birgt der regelmäßige Konsum von Cannabis auf keinen Fall ein höheres gesundheitliches Risiko als der regelmäßige Konsum von Alkohol oder Tabakwaren (Nikotin etc.), das Risiko ist sogar deutlich geringer. Die Erwähnung von Cannabis und die Nichterwähnung von Alkohol und Tabak im BtMG verstoßen deshalb (auch nach Ansicht vieler Juristen) gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes (Artikel 3, Abs. 1), selbst wenn eine konservative Mehrheit des Karlsruher Bundesverfassungsgerichtes 1994 noch anderer Meinung war. Da eine Aufnahme von Alkohol und Tabak in das BtMG absurd erscheint, ist deshalb die totale Streichung von Cannabis und THC * aus dem BtMG zu fordern, so wie dies auch Bündnis 90 / Die Grünen in allen aktuellen Wahlprogrammen für richtig halten. Die Konsequenz der totalen Legalisierung ist ein freier Handel, belegt mit staatlichen Steuern (so wie dies bereits vor 80 Jahren der Fall war), bei einer Abgabe an Personen über 16 Jahren, vergleichbar den Regelungen für Tabak und Alkohol, gekoppelt aber mit einem Werbeverbot für legale Drogen aller Art in den öffentlich-rechtlichen Medien. * Bei den übrigen Drogen des Betäubungsmittelgesetzes wird von den Grünen eine Entkriminalisierung angestebt, d.h. ihr Besitz zum Eigenkonsum soll nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden, da diese Strafbestimmung das Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit verletzt (Art. 2, Abs. 1). Willkürliche Strafandrohung für den Besitz dieser Drogen haben zudem niemand vom Erwerb ernstlich abhalten können, wie Umfragen eindeutig belegen; eine Motivation zum Nichtkonsum waren eher ein gesundheitliches Risiko, welches vermeintlich von der Droge ausgeht: Umfassende sachliche Aufklärung der Bevölkerung über Wirkungen, Nebenwirkungen und riskante Konsumpraktiken aller Drogen - nicht jedoch Strafandrohung - muß deshalb der Inhalt zukünftiger Drogenpolitik sein. Soll der Erwerb (Ankauf) von Drogen zum Eigenkonsum straffrei ermöglicht werden, so muß dies dann konsequenterweise auch für die Drogen-Abgabe an die Endverbraucher gelten. Andernfalls manifestiert sich eine paradoxe Situation, wie wir sie heute bei Cannabisprodukten vorfinden: Der Besitz und Erwerb (zumindest geringer Mengen) zum Eigenkonsum ist auf Weisung des Bundesverfassungs-gerichtes straffrei; die zum Erwerb erforderliche Abgabe der Droge wird aber nach wie vor unnachsichtig verfolgt. Eine Lösung dieses Problems wäre ein Abgabe z.B. der Partydrogen über lizensierte Stellen (Vereine der Drogenselbsthilfe, Apotheken, Coffeshop-ähnliche Einrichtungen), ähnlich dem praktizierten Coffeeshopmodell für Cannnabisprodukte in Holland. Im Unterschied zum Straßenhandel wird hierdurch auch eine kontrollierte Abgabe (an Personen über 18 Jahren) von kontrollierten (auf ihre Zusammnesetzung hin geprüften) Drogen zudem erst ermöglicht - gesundheitliche Schäden hervorgerufen durch überdosierte oder verunreinigte Ecstasy-Pillen (s. Testberichte von "Eve und Rave" e.V.) ließen sich so wiederum vermeiden. Alternativen zum illegalen Markt müssen insbesondere auch für Heroingebraucher(innen) geschaffen werden, sofern für diese eine Substitution nicht in Frage kommt. Die einfachste Regelung hierzu wäre eine Heroinabgabe über ein fachärztliches Rezept. Der Heroinbezug aus der Apotheke schützt die Heroin-User nicht nur vor einer unbeabsichtigten Überdosierung, zugleich beseitigt der Apothekenbezug auch das Problem des kostspieligen illegalen Heroinerwerbs, welcher bisher oft in Beschaffungskriminaliät oder Zwangsprostitution endet (jeder dritte Einbruch ist ein Drogenbeschaffungsdelikt). Die Absatzmärkte der Heroinkartelle müßten aufgrund der ärztlichen Abgabe wegen Verknappung der Nachfrage empfindliche Einbußen hinnehmen, was letzlich zum Zusammenbruch dieser kriminellen Vereinigungen führen würde. Das Ziel des gültigen BtMG, die Drogenkartelle über Beschlagnahme ihrer Drogen (Verknappung des Angebotes) effektiv zu bekämpfen, ist hingegen illusorisch, da weniger als 10 Prozent der illegalen harten Drogen überhaupt beschlagnahmt werden, und eine Verknappung des Angebotes zudem automatisch die Preise - und damit auch die Profite der Dealerringe - in die Höhe treibt. Dieser Infobroschüre sind in einem Teil der Auflage einige Hanfsamen beigefügt, die z.B. als (THC-freie) wertvolle Nahrungsmittel verwendet werden können... (Warnung: Das unbeabsichtigte Verlieren dieser Samen bei einem Spaziergang durch Wiesen und Flur mit der Folge der Entwicklung neuer Pflanzen stellt einen Verstoß gegen das BtMG dar!) u.a.: Die Speisen der Götter (Terence McKenna), Edition Rauschkunde (1992); Das Recht auf Rausch (R. Rippchen), Der Grüne Zweig, Bd. 147 (1993); Psychoaktive Pflanzen (Bert Marco Schuldes), Der Grüne Zweig, Bd. 164 (1995); Von Hanf ist die Rede (Hans-Georg Behr), Zweitausendundeins (1995); Pflanzen der Götter (Albert Hofmann und R. E. Schultes), Edidtion Rauschkunde (1995); Pflanzen der Liebe (Christian Rätsch), Edidtion Rauschkunde (1995); Vom Urkult zur Kultur (Hans Cousto), Nachtschattenverlag (1995); Das definitive Hanf Handbuch (Hainer Hai und Ronald Rippchen), Der Grüne Zweig, Bd. 73 (1987); Bd. 173 (1996); Drogen und Psychopharmaka (Robert M. Julien), Spektrum-Verlag (1997). Impressum und Bezugsquellen: Produktion: Landesarbeitsgemeinschaft Drogen(politik) Berlin Redaktion: Joachim Eul (f.f. und v.i.S.d.P.) *, *** Jürgen Kunkel ist (angehender) Jurist mit Schwerpunkt Betäubungsmittelstrafrecht und Mitglied bei Eve und Rave e.V. Berlin.
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