Die 68er

 

McDonalds triumphiert über Marx

Die 68er haben Geschichte geschrieben. Sie haben Deutschland verändert wie später nur noch die Wiedervereinigung. Es ist ihnen gelungen, der erstarrten Wirtschaftswundergesellschaft den Mief der 50er Jahre auszutreiben, die Gesellschaft offener für Veränderung zu machen.

Den größten Erfolg verbuchten die 68er mit der sexuellen Revolution, die der Bürgerschaft ihre Verklemmtheit nahm. Der Blätterwald wurde bunter. Barbusige Mädchen prangten auf den Titelseiten der Magazine. Sogar im Fernsehen und im Kino waren plötzlich nackte Menschen zu sehen. Sex vor der Ehe war nicht mehr länger ein Tabu, sondern die Regel.

Gierig griffen die Kulturschaffenden jener Zeit die Anregungen der 68er auf und verhalfen der Subkultur zum Durchbruch. Popart wurde modern, Rockbands durften in den heiligen Tempeln der klassischen Musik die Gitarren jaulen lassen. Sogar die Bosse sahen in den Gammlern plötzlich Konsumenten. Nicht nur die Fernsehwerbung sprach die Jugend an, neue Produkte kamen auf den Markt, die sich dem "american way of life" der Woodstock-Generation unterwarfen: Aus dem Fleischkloß wurde der Hamburger, aus dem Wienerwald McDonalds.

Es gab noch mehr Anstöße: Die 68er verliehen der Frauenbewegung neuen Schwung, sie schoben die Reformen im Schulwesen an. Die Forderungen nach antiautoritärer Erziehung der Kinder führte wenigstens dazu, daß die Kleinen von ihren Eltern nicht mehr regelmäßig durchgeprügelt wurden. Auch Lehrern wurde das Schlagen der Schüler verboten.

Erst als die 68er aus dem Rampenlicht verschwunden waren, stellte sich ein anderer Erfolg ein. Die Deutschen wurden toleranter: Wer eine andere Meinung vertrat wurde nicht gleich mit der Faust zu Boden gestreckt, und selbst Männer mit langen Haare bekamen einen Job. Diese tolerantere Grundhaltung führte direkt zu einer Stärkung des demokratischen Bewußtseins. Sicherlich gibt es noch viele wesentliche Dinge in der heutigen Gesellschaft, die ihre Wurzeln in den 68ern haben.

Gescheitert ist hingegen das revolutionäre Anliegen der APO. Das ist nicht weiter schlimm. Das ständige Gerede von der Revolution und die nie endenden politischen Debatten waren ausschließlich Sache der Studenten. Die Mehrheit der 68er begnügte sich damit, als Zeichen ihrer revolutionären Gesinnung ein Che-Guevara-Poster ins Wohnzimmer zu hängen, vor dem sich bei einem Haschischpfeifchen trefflich von Heldentaten träumen ließ.

So bleibt als Fazit: Die 68er haben viel bewegt. Der politische Teil der Bewegung kam nie aus dem Studentenmilieu hinaus. Aber ihre Kultur erfaßte die gesamte Jugend. Letztendlich hat McDonalds über Marx triumphiert.

Spätestens das Scheitern der politischen Forderungen der 68er machte klar: Karl Marx gehört ins 19. Jahrhundert und hat im 20. nichts verloren.


Neue Kleider braucht die Zeit. Die 68er haben sich daran gehalten. Die Welt des Konsums wurde auf neue Beine gestellt.

Literaturtips:

Bärbel Danneberg, Fritz Keller u.a.: die 68er. eine generation und ihr erbe

Wolfgang Kraushaar: 1968 Das Jahr, das alles verändert hat

Wolfgang Kraushaar: Frankfurter Schule und Studentenbewegung

Oskar Negt: Achtundsechzig. Politische Intellektuelle und die Macht

Michael Ruetz: 1968. Ein Zeitalter wird besichtigt

Wolfgang Schepers: '68 Design und Alltagskultur zwischen Konsum und Konflikt