junge Welt |
Interview |
27.06.1997 |
Warum zieht die UNO eine Drogenshow ab? |
Junge Welt sprach mit Günter Amendt |
Unser Gesprächspartner ist Sozialwissenschaftler und Publizist. Mit Patrick Walder veröffentlichte er kürzlich das Buch »Ecstasy & Co.«. F: Zum gestrigen »Welttag gegen Drogen« haben die Vereinten Nationen den Umsatz des Rauschgifthandels auf jährlich 400 Milliarden Dollar beziffert. Das entspricht acht Prozent des Weltexports. Diese Zahlen sind völlig willkürlich, sie geben nur Größenordnungen an. Es war auch schon von 500 Milliarden die Rede. Im übrigen ist für mich die UNO keine Autorität, die verläßliche Zahlen angeben könnte. Man darf die UNO nicht als eine Art Rat der Weisen betrachten. Sie ist nichts als eine Versammlung von Interessenvertretern, die sich über Unterorganisationen wie beispielsweise den UN- Suchtstoffkontrollrat die Rolle einer moralischen Instanz anmaßt. Der Kontrollrat funktioniert wie eine Stabsabteilung des US-Außenministeriums. Er hat die Aufgabe, US- amerikanische Repressions- und Prohibitionspolitik weltweit durchzusetzen. F: Müßte der Kampf gegen Drogensucht Ihrer Ansicht nach mehr von staatlicher oder eher von privater Seite her geführt werden? Der UN-Generalsekretär forderte in Wien alle gesellschaftlichen Gruppen auf, »national oder lokal bis hin zur einzelnen Familie« den Drogenmißbrauch zu bekämpfen. Einzig die Niederlande und die Schweiz sind meiner Einschätzung nach in der Lage, von Regierungsseite aus innovativ zu wirken, um aus dem drogenpolitischen Desaster herauszukommen. Die Äußerung des UN-Generalsekretärs liegt genau auf der Linie von Reagans, Bushs und Clintons Drogenpolitik. Es ist die Verniedlichung eines Problems, bei dem es in Wirklichkeit um riesige Kapitalinteressen geht. Da wird das Thema zurückgeschraubt auf innerfamiliäre Prozesse. F: Aber es muß doch zumindest ein gewisses Interesse der Industriestaaten da sein, das Drogenproblem zu unterbinden? Die Regierungen dieser Staaten haben kein Interesse daran, den Drogenhandel zu unterbinden. Und in der UNO sitzen Vertreter eben jener Anbauländer, deren nationale Bourgeoisien enorm verdienen an den illegalen Finanzströmen, die auf dem Wege des Drogenhandels durch ihre Länder geschleust werden. Die Vertreter der Anbauländer aus Lateinamerika und Südostasien unterstützen die Prohibitionspolitik, weil die Prohibition Quelle ihrer Einnahmen ist. Prohibitionspolitik ist Mafiapolitik. Dieselben Leute, die in der UNO Drogenpolitik mitbestimmen, transferieren über den Drogenhandel große Summen auf ihre Privatkonten. F: Berlins Regierender Bürgermeister hat Überlegungen zur Legalisierung von Drogen als »Irrweg« bezeichnet. Durch eine Duldungspolitik werde der Konsum »strukturell gefördert.« Gerade das konservative Lager - das in der Drogenpolitik allerdings bis tief in die Sozialdemokratie reicht - mißbraucht den Drogenmißbrauch politisch, um seine »law- and-order«-Politik durchzusetzen. Drogenpolitik besteht insbesondere für die CDU/CSU darin, Kontrolle ausüben zu wollen, bei der Bevölkerung Ängste zu schüren und Vorurteile zu verbreiten. Die Dealer am Endverbrauchermarkt sind in fast allen westeuropäischen Länder erkennbar Ausländer, so daß sich hier eine wunderbare Gelegenheit ergibt, das »Drogenproblem« mit dem »Ausländerproblem« demagogisch zu verknüpfen. F: Wie kann Ihrer Meinung nach das Suchtproblem gelöst werden? Eine Lösung des Drogenproblems gibt es nicht. Es wird immer Drogen geben und Menschen, die in die Suchtfalle tappen. Es gibt aber Strategien zur Entschärfung. UNO- Konferenzen sind reine Show-Veranstaltungen, hinter denen keinerlei politischer Wille steckt, endlich einen radikalen Wechsel der internationalen Drogenpolitik zu vollziehen. Der würde bedeuten: Aufhebung der Prohibition, staatlich kontrollierte Freigabe von Drogen. Das ist die einzige Strategie, die den Angebotsdruck bricht und die Extraprofite aus dem Handel nimmt. Interview: Leif Allendorf |
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