13.11.98
 
ARMAGEDDON

Jahr-2000-Problem: Bitte stellt die Bomben ab

Armageddon ruft. Eine Militär-Forschungsgruppe der Amerikaner und der Briten fordert: Die USA und Rußland müssen zum Jahrtausendwechsel ihre Atomwaffenarsenale ausschalten. Sonst blüht der GAU.

Den Finger braucht am 31.12.1999 niemand auf dem berühmten "Roten Knopf" haben: Atombomben könnten auch ohne Fingerdruck starten. Das befürchtet das "British American Security Information Council BASIC" in einem am Donnerstag vorgelegten 36-seitigen Report über die Sicherheitslage von Waffensystemen zum Jahrtausendwechsel. Noch immer befinden sich Waffensysteme der USA und Rußland in ständiger Alarmbereitschaft. Die unabhängige Forschungseinrichtung fordert daher die USA und Rußland auf, zum Jahrtausendwechsel zumindest Atomsprengköpfe zu entfernen und vor allem das automatische Frühwarnsystem der Nuklearwaffen auszuschalten. BASIC befürchtet, daß das Jahr-2000-Problem zur Auslösung der Systeme führen könnte. Nach der Strategie "launch at warning" würden bei einer durch das Jahr-2000-Problem ausgelösten fehlerhaften Warnung sofort Atomraketen zur Abwehr gestartet werden - eine Routine, die nicht unbedingt menschliches Eingreifen erfordert.

Grund zur Furcht bietet das Jahr-2000-Problem wirklich: Keiner weiß, welche Rechner von der Zeitbombe infiziert sind und welche nicht - vor allem in Rußland. Selbst wenn die Hauptrechner den Datumswechsel von 1999 auf 2000 verkraften oder die Programme bis dahin aktualisiert worden sind, ist unklar, ob alle Subsysteme funktionieren. Auf die einfache Frage "Wissen Sie, was das Jahr-2000-Problem ist?" antwortet der Pressesprecher des russischen Verteidigungsministers gegenüber SPIEGEL ONLINE: "Ich glaube, das hat irgendetwas mit Computern zu tun, oder?" Weitere Fragen bitte per Post.

Den Programmierern rennt die Zeit davon. Zeile für Zeile der Programme müßte überprüft werden, sämtliche eingebetteten Mikroprozessoren und Chips berücksichtigt werden. Das bedeutet auch einen erheblichen finanziellen Aufwand: Das bankrotte Rußland hat dafür kaum einen Rubel übrig. BASIC zitiert den stellvertretenden amerikanischen Verteidigungsminister John Hamre: "Schätzungsweise an einem von fünf Tagen wache ich schweißgebadet auf und denke, das Problem ist viel größer, als wir denken. Die anderen vier Tage denke ich, wir haben es geschafft. Alles ist so vernetzt; es ist so kompliziert, mit Exaktheit sagen zu können, wir haben das Problem gelöst."

BASIC zufolge habe das Pentagon bereits eingestanden, daß einige Hochrisiko-Systeme nicht mehr rechtzeitig getestet oder repariert werden könnten. Um das Problem lösen zu können, planen Amerikaner und Russen, militärisches und ziviles Personal auszutauschen.

Thorsten Höge


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