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Nr. 24/1999

Biowaffen für den Drogenkrieg

Schädlinge sollen über Feldern abgeworfen werden und die Ernte der Drogenbauern fressen
 Von Martin Ebner

Der Krieg gegen Drogen, den die Vereinigten Staaten und die Uno vor einem Jahr lautstark erklärt haben, war bisher nicht besonders erfolgreich. Je aufwändiger der Kampf wird, so scheint es, desto üppiger wachsen die Mohn- und Koka-Felder in Asien und Südamerika und mit ihnen die Profite der Drogenmafia. Auch das zeitweise Besprühen der Drogenpflanzen mit Herbiziden wie Glyphosat hat den Nachschub an Kokain und Heroin nicht unterbinden können, weil die Anbauflächen in immer verstecktere Winkel verlegt werden. Vielmehr haben die Pflanzengifte die Umwelt belastet, die Tierwelt und nicht zuletzt den Menschen gefährdet.

Doch jetzt haben die USA eine neue Strategie ersonnen, die bis zum Jahr 2008 den Traum von einer drogenfreien Welt Wirklichkeit werden lassen soll: Künftig werden nicht mehr
Schimmelpilze und ähnliche Mikroben sollen Drogengewächse dahinraffen. Doch die Biowaffen könnten auch Nutzpflanzen zerstören
Chemikalien versprüht, sondern man will Schädlinge über den Feldern abwerfen. Sie sollen Mohn-, Koka- und Hanfgewächse zunächst unmerklich infizieren, dann aber ratzekahl auffressen. Der amerikanische Kongress hat im vergangenen Jahr 23 Millionen Dollar für ein Antidrogenprogramm bewilligt, das auch die Erforschung von Pflanzenschädlingen beinhaltet.

Der Biokrieg ist theoretisch möglich, weil Drogenpflanzen natürliche Feinde haben. In Peru zum Beispiel lebt ein Wurm - von den Campesinos sinnfälligerweise heute schon el Clinton genannt - der sich durch die Koka-Blätter futtert. Noch gefräßiger sind verschiedene Pilze. Warum also nicht der Natur nachhelfen? Der Forschungsdienst des US-Agrarministeriums und andere Labors arbeiten daran, aus diesen Pilzen "umweltfreundliche Bioherbizide" herzustellen. Wobei umweltfreundlich heißen soll, dass sie ausschließlich unerwünschte Mohn-, Koka- und Marihuana-Pflanzen angreifen, anderes Grünzeug indes verschonen. Noch in diesem Jahr wollen die Amerikaner die Forschungen weitgehend abgeschlossen haben.

Während die Entwicklung von Pilzen gegen Marihuana-Pflanzen auf den Philippinen weitgehend geheim gehalten werden konnte, ist über die Bekämpfung von Kokain und Opium mehr in die Öffentlichkeit gesickert. Wie die Zeitungen Christian Science Monitor und Sunday Times bereits im vergangenen Jahr berichteten, finanzieren die USA, Großbritannien und das UN-Drogenprogramm UNDCP mit Sitz in Wien noch bis zum Jahr 2001 ein Forschungsprojekt des Usbekischen Instituts für Genetik in Taschkent mit rund 650 000 US-Dollar. Rund 200 Wissenschaftler wollen den Meldungen zufolge aus den eher harmlosen Pilzen Pleospora papaveracea und Dendryphion penicillatum neue, aggressivere Varianten heranziehen und deren großtechnische Produktion vorbereiten. Erste Feldversuche im Osten Usbekistans seien bereits erfolgreich verlaufen. Die für Schlafmohnpflanzen tödlichen Pilze überziehen Blätter und Stängel mit einem grünschwarzen Pulver.

Das Ziel des biologischen Angriffs ist jedoch nicht die schnelle Vernichtung der Mohnfelder, weil die Drogenbauern rasch nachpflanzen würden. Vielmehr will man die Pflanzen schleichend infizieren. Die Bauern - so die Strategie - würden sich erst tüchtig mit den Pflanzen abrackern, dann aber nichts ernten und irgendwann den Drogenanbau frustriert aufgeben. Abgeworfen werden sollen die Pilze über dem Goldenen Halbmond, den Ländern von Iran über Afghanistan bis Tadschikistan (die Opium besonders nach Europa liefern), sowie über dem von Laos, Thailand und Myanmar gebildeten Goldenen Dreieck (aus dem vor allem die USA versorgt werden). Die Pilze können von Flugzeugen über den Feldern versprüht werden. Falls die jeweiligen Regierungen solchen Luftangriffen nicht zustimmen sollten, wäre es auch möglich, die Verbreitung der Pilzsporen einfach dem Wind zu überlassen.

Den Vorwurf, die Uno fördere mit dem Projekt die international geächtete Entwicklung von Biowaffen, weist Sandro Tucci, Sprecher des UNDCP, zurück. Geheimdienstler und B-Waffenexperten seien nicht beteiligt. Es gehe allein um "pflanzen-pathogene Pilze", sagt er, die als "verlässliche und effektive biologische Kontrollmittel" eingesetzt werden sollten.

Allerdings heißt es in der offiziellen Projektbeschreibung der Uno, das Taschkenter Institut verfüge über "ein einzigartiges professionelles Potential für derartige Forschungen". In der Tat haben die dortigen Wissenschaftler zu Zeiten der Sowjetunion B-Waffen entwickelt. Seit in den dreißiger Jahren Tausende Sowjetbürger an Pilzen aus falsch gelagertem Getreide gestorben waren, beschäftigten sich Sowjetforscher mit Pilzgiften (Mykotoxinen). Beim Einsatz entsprechender Waffen sollen zu Beginn der achtziger Jahre in Laos, Kambodscha und Afghanistan amerikanischen Behauptungen zufolge mehr als 10 000 Menschen umgekommen sein. Kein Wunder also, dass manche das Engagement in Taschkent kritisch sehen.

Mit dem Kartoffelkäfer wollten schon die Nazis Biokrieg führen

Auch befürchten Kritiker, die Killerpilze würden ohne die Zustimmung jener Länder, in denen die Drogenfelder liegen, versprüht. Solch ein eigenmächtiger Einsatz der Pilze wäre "ein gefährlicher Präzedenzfall" und verstieße gegen die internationale Biowaffenkonvention, warnen Paul Rogers, Simon Whitby und Malcolm Dando, Friedensforscher an der University of Bradford in England.

Mit den Briten teilt das Transnational Institute in Amsterdam eine zweite Sorge: Könnten Antidrogenpilze nicht auch anderes Grünzeug befallen und dahinraffen? Aufgrund der Geheimhaltung der Projekte gebe es jedenfalls "keine effektive Kontrolle" durch unabhängige Wissenschaftler, warnt das Amsterdamer Institut. Die Pilze könnten beispielsweise Heilpflanzen, aus denen Medikamente gewonnen werden, ausrotten - oder auf andere Lebewesen überspringen. Die bisher vereinbarte Probezeit von einem Jahr sei viel zu kurz, um potenzielle Effekte auf die Umwelt auszuschließen.

Schließlich befürchten Kritiker, dass mit der Herstellung der Antidrogenpilze auch eine Technik geliefert wird, um Biowaffen gegen Kartoffeln, Tomaten oder Reis zu entwickeln. Von solchen Biokriegen, in denen die Ernte des Feindes vernichtet wird, hatten schon die Nazis geträumt. 1943 züchteten sie in einem geheimen Projekt Kartoffelkäfer, die sie nach England schmuggeln wollten. Die Ernte 1944 wurde jedoch verpasst, dann war der Krieg vorbei.

"Unsere größte Sorge aber ist, dass die Entwicklungen der Möglichkeit, Drogenpflanzen durch Pflanzenpathogene zu vernichten, unausweichlich zu einem Know-how führen, das in einem offensiven biologischen Krieg gegen die Nahrungsmittelproduktion anderer Länder verwendet werden kann", schreiben die Friedensforscher aus Bradford in der aktuellen Ausgabe von Scientific American.

Auch andere bezweifeln den Sinn des Unternehmens. "Wenn es uns tatsächlich gelingt, alle Koka- und Mohnpflanzen restlos auszurotten, werden die Leute ganz einfach auf synthetische Drogen umsteigen", prophezeit etwa der amerikanische Publizist Albert McCallum. "Das Pilzprojekt ist reine Geldverschwendung und bringt Völker rund um den Erdball gegen uns auf. Was wir vielleicht wirklich bräuchten, ist ein Pilz, der Politiker angreift."

© beim Autor/DIE ZEIT 1999 Nr. 24
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