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1/1999 |
EUROPOL PolizeiStaatEuropa (Aufriß) |
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Am 1. Juli 1999 soll EUROPOL die Arbeit aufnehmen.»Europa« hat den Euro und eine Europäische Zentralbank als Hüterin der Finanzen. Die Europäischen Innenminister haben die ständige Vorläuferorganisation (seit Anfang 1994) der Europäischen Polizeibehörde in Den Haag jetzt zur Hüterin der Echtheit der Euronoten und -münzen bestellt.
Was ist das - Europa? - »Ein Trümmerhaufen, ein Beinhaus, eine Brutstätte der Pest und des Hasses ...«, sagte Winston Churchill 1947. Sein Urteil hat die Geschichte für sich, ob mit Blick auf die Hegemonialkriege des 16. und 17. Jahrhunderts, die folgenden Kolonialkriege oder die imperialistischen Kriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: »Ein Trümmerhaufen, ein Beinhaus, eine Brutstätte der Pest und des Hasses .«
»Europäische Bürgerkriege« (Aron): In der Tat hatte der »Sitz des Krieges« seit dem Ausgang des Mittelalters den Ortswechsel von den »Fürstenhöfen« (Erasmus) zum bürgerlichen Staat erlebt (Thomas Morus: »Verschwörung der Reichen gegen die Armen«; J.J. Rousseau: »l'Etat des riches«; Marx/Engels: »ein Ausschuß, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisklasse verwaltet«), waren die europäischen Kriege zunehmend Kriege der Staaten der »Bürgergesellschaften« gegeneinander geworden. Churchills Appell zielte auf nichts anderes als die Übertragung »derselben selbstsüchtigen Überlegungen, durch die Grundbesitzer und Kapitalisten (im nationalen Rahmen, hpb) dazu genötigt werden, sich untereinander anzuerkennen« (Bernhard Shaw), auf die europäische Ebene.
Aber auch in Zeiten der Offensive vergißt der (deutsche) Bürger nie die politisch-soziale Krise, die soziale Revolution, so z.B. der Rechtsprofessor Roman Herzog, ehemaliger Innenminister von Baden-Württemberg und derzeitiger Bundespräsident, wenn er das Widerstandsrecht aus Artikel 20 GG als staatliches Widerstandsrecht gegen einen Angriff »von unten« interpretiert: Das »(hänge) ausschließlich von den jeweiligen Machtverhältnissen ab« (1982, 6).
(Maßstab ist also alleine die Tradition der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Katastrophen, nicht ihr menschenrechtlicher/bürgerrechtlicher Anspruch, nicht ihre Gesetzesreligion und nicht ihr Juristenpriestertum. Ein Vergleich mit historischen sozialistischen Gesellschaften, deren Machtorganen und internationalen Ausdrucksformen ist als Tribut an den Zeitgeist verständlich, bleibt im günstigsten Falle nur untauglich, beschädigt in der Regel aber die Argumentation; vgl. für viele: Heiner Busch, Grenzenlose Polizei, 1995, S. 343) BMI Kanther rief das Jahr 1998 zum »Sicherheitsjahr« aus. Dieselbe Propagandafiguration sprach von einer »Union der öffentlichen Sicherheit« in Europa und einer »europäischen Innenpolitik« mit eigener Polizeimacht als Ziel, EUROPOL.
Die Kontrolle des Binnenraums hat die Befestigung der Außengrenzen zur Voraussetzung. Diese wird einmal in neofeudaler Weise bewerkstelligt durch bilaterale Verwaltungs-Abkommen mit Vasallenstaaten und unter Instrumentalisierung des Föderalismus durch »polizeiliche Aufbauhilfe« der Bundesländer in Osteuropa. Die Vortragsweise beschreibt den Zugriff: Bekämpfung von Drogenhandel und Schleuserkriminalität (»Balkanroute«) auf der einen und Autoschiebern (»Deutschland-Polen«) auf der anderen Seite legitimiert die Präsenz auf beiden Seiten der Grenzen, die Bekämpfung der »Hinterleute« die Durchdringung der nachbarlichen Polizeiapparate.
Das alles richtet sich nicht gegen Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende, sondern trifft diese Gruppe nur derivativ, als Ausfluß der zentralen Absicht auf Kontrolle des Binnenraums vor nicht bürgerlichen, nicht etablierten, also »raumfremden« Störfaktoren unter dem geduldigen Sammelnamen »Organisierte Kriminalität«. Der Errichtung eines Sicherheitssystems ist die Behauptung der Bedrohung immanent. Begleitet wird sie vom Angebot einer »europäischen Identität«. Die unterscheidet sich in ihrer Funktion nicht von jeder »nationalen Identität«: Es geht auch hier nicht in erster Linie um Diskriminierung und Ausgrenzung von Fremdem, sondern um die Innenwirkung, die Vermittlung von Scheinsicherheit in einer vermeintlichen Gemeinschaft und damit Delegitimierung des sozialen Konflikts, die Legitimierung seiner Repression. Nationalismus und Ausländerfeindlichkeit sind Erfolge von »oben« bei der Bemühung um innere Formierung »unten«. Der »Fremdenfeind« verletzt zunächst seine eigenen Interessen, dann die des »Fremden«. Militärisch gesprochen, denn die WEU ist nicht weit: Der »Festung Europa« entspricht die »Festungsmentalität« - in einer belagerten Festung gibt es keine Diskussion. Die sozialdemokratische Antwort darauf heißt »Burgfrieden«, auch »sozialer Frieden« genannt.
Die Europäische Sicherheit als System beinhaltet die national vermachtete internationale Vernetzung der nationalen Sicherheitseinrichtungen über Polizeiliche Aufbauhilfe, OK-Abkommen, TREVI, Schengen, EUROPOL, WEU bis zur Europäischen Zusammenarbeit in der NATO. EUROPOL erscheint darin als Fluchtpunkt des Systems der Binnenkontrolle Europas. Eine europäische Verfassungsdiskussion brächte die Tendenz zu einem PolizeiStaatEuropa aus Systemgründen zum Vorschein, die eine Rückbesinnung auf kommunale, regionale und nationalstaatliche Demokratisierungsstrategien als Notbremse nahelegt.
Literatur:Ulfkotte, Enfopol, FAZ vom 16.3.1999; APuZ 3-4/99; R. Mokros, Polizei im europäischen Verfassungsstaat, in: HU-Mitteilungen, IV/Dezember 1998, S. 97 und 100/101; BMI (Hg.), EUROPOL - Das europäische Polizeiamt, Themenheft »Innenpolitik« VI/1997; GEHEIM 4/97; GEHEIM 1/94; GEHEIM 2/93Hans Peter Bordien |
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