Natur:

Neue Methoden sollen radioaktiv verseuchte Böden wieder nutzbar machen

(Meldung vom 19.4.1999)

Nach spanischen, ukrainischen und US-amerikanischen Forschungsergebnissen soll es eventuell möglich werden, daß verstrahlter Boden, wie jener rund um den Kernkraftreaktor von Tschernobyl, nach langen Jahren doch wieder von Menschen genutzt werden kann. Das Mulchen von Pflanzen verhindert offenbar deutlich die Verstrahlung der Ernte, und durch die Bepflanzung mit Hanf können radioaktive Elemente aus dem Boden gezogen werden.
Um Tschernobyl ist ein Gebiet von der anderthalbfachen Größe Luxemburgs für das Bewohnen und Bepflanzen gesperrt. Dort ist noch in weiten Gebieten eine erhöhte Radioaktivität meßbar. Zwar ist die Verstrahlung vorwiegend auf den Boden beschränkt, jedoch sammelt sie sich in den angebauten Pflanzen an und macht sie ungenießbar. Das wichtigtste Radionuklid aus der Nuklearkatastrophe von 1986, Cäsium-137, hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren. Eine bewährte Methode, dessen Ansammlung in Pflanzen zu verhindern, ist die Anreicherung des Bodens mit reichlich Kaliumdünger: die Pflanzen nehmen dann bevorzugt das Kalium-Ion statt das Cäsium-Ion auf.
Teresa Sauras Yera, Biologin an der Universität von Barcelona, hat einen ähnlichen Effekt mit dem einfachen Mulchen des Bodens erzielt. Diese deutlich billigere und einfachere Methode nutzen Gärtner und Bauern seit jeher, um Feuchtigkeit in der Erde zu halten und das Unkraut-Wachstum zu stoppen. In Zusammenarbeit mit spanischen Kollegen und Wissenschaftlern vom "Institute of Agricultural Radiology" in Kiev untersuchte Sauras Yera den Mulch-Effekt: über drei Jahre hinweg pflanzten sie in der Sperrzone Hafer. In einem Jahr bedeckten sie die Erde mit schwarzen Polyethylen-Folien, in den anderen beiden Jahren verwendeten sie Stroh. Jedes Jahr konnten sie eine Verringerung der Radio-Cäsium-Belastung um 30 bis 40 Prozent feststellen, so das Fachjournal Environmental Science & Technology. Die Forscher vermuten, daß der Mulch die Blätter und Wurzeln der Pflanzen vor radioaktiven Teilchen in Regen und Wind schützt.
Allerdings sind die Verstrahlungswerte von Tschernobyl noch deutlich zu hoch, um für Menschen sicher genießbare Nahrung anzupflanzen. Untersuchungen der US-Biotechnologie-Firma Phytotech arbeiten deshalb darauf hin, die radioaktiven Ionen aus dem Boden zu entfernen. Gemeinsam mit der Ukrainischen Akademie für Agrarwissenschaften in Glukow stellte Slavik Duschenkow von Phytotech fest, daß die schnellwachsenden Hanfpflanzen dabei helfen können. Rund um Tschernobyl pflanzten sie Cannabis an, dessen Hanffasern und andere Pflanzenteile hoch mit Cäsium angereichert waren. Die verseuchten Pflanzen entsorgte man in speziellen Brennöfen, um sämtliche radioaktive Asche zu sichern.
Allerdings scheint es, als könne diese Methode nur rund 1 Prozent des Cäsiums aus dem Boden entfernen, weil viele der Ionen eng an Bodenpartikel gebunden seien, so Duschenkow. Einzeln seien diese Prozesse vielleicht nicht sehr ökonomisch, sagt er, doch gemeinsam angewandt, könnte man deutliche Fortschritte erzielen.

[Quelle: Dörte Saße, NewScientist]

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