Keine Legalisierung in dieser Legislaturperiode!
Christa
Nickels, Drogen- und Suchtbeauftragte der Bundesregierung, erklärt,
warum es unter Rot-Grün keine Cannabis-Freigabe gibt. Schuld ist der
Koalitionsvertrag: "Daran halte ich mich"
taz: Im Grundsatzprogramm der Grünen wird ausdrücklich
die Legalisierung von Haschisch und Marihuana gefordert. Wann wird es eine
Freigabe geben?
Christa Nickels: Zunächst einmal bin ich als Drogenbeauftragte
der Bundesregierung an den Koalitionsvertrag gebunden. Bekanntermaßen
ist das Ergebnis so ausgefallen, daß es in dieser Legislaturperiode
keine Legalisierung geben soll und wird. Ich muß noch mal klarstellen:
Wir haben 6,7 Prozent der Wählerstimmen erhalten, die SPD 41 Prozent
- auf dieser Grundlage ist die Entscheidung gefallen. Daran halte ich mich.
Als Partei setzen sich die Grünen natürlich weiterhin für
eine Legalisierung von Cannabis ein.
Das Thema fällt also einfach unter den Tisch. Ist das nicht
eine weitere Schlappe für die Grünen?
Das sehe ich überhaupt nicht so. Zum einen ist die Regierungsarbeit
ist ja nur eine Ebene. Die grüne Partei wird bei dieser Frage nicht
in den Dornröschenschlaf verfallen. Zum anderen arbeiten wir an weiteren
wichtigen Projekten in der Drogenpolitik: Bei der Überlebenshilfe
für Schwerstabhängige sind wir etwa dabei, einen Paradigmenwechsel
herbeizuführen. Wir versuchen auch, den Modellversuch heroingestützte
Behandlung von Opiatabhängigen so schnell wie möglich umzusetzen.
Bereits vor 5 Jahren hat das Bundesverfassungsgericht entschieden,
den Besitz geringer Cannabismengen nicht mehr zu verfolgen. Bis heute haben
sich die Länder nicht auf eine einheitliche Menge verständigt.
Ist hier eine Einigung in Sicht?
Ich werde Gespräche mit den Ländern führen. Hier
muß man allerdings vorsichtig sein: Wir wollen ja alle nicht, daß
am Ende der bayrische Level als Definition der geringfügigen Menge
herauskommt. Die Frage ist aber lange noch nicht entscheidungsreif. Für
mich hatten zuerst andere Themen Vorrang wie die rechtliche Beanstandung
der Richtlinien für die Methadonsubstition oder der Heroin-Modellversuch
- auf Bundesebene wurde hierfür schon grünes Licht gegeben. Die
Städte müssen sich jetzt entscheiden, ob sie das Modellprojekt
gemeinsam mit Bund und Ländern durchführen wollen. Das ist alles
in kurzer Zeit vorangetrieben worden. Ich bin ja erst seit 18. November
im Amt.
Welche straffreie Menge Cannabis halten Sie für angebracht?
Dazu möchte ich mich zur Zeit nicht äußern. Es
würde eine Einigung erschweren, wenn ich mit irgendwelchen Vorgaben
komme.
Die Situation ist paradox: Experten fordern die Freigabe von Cannabis
- auch für medizinische Zwecke. Zugleich nimmt die Zahl strafrechtlicher
Verfahren zu. Was kann man gegen diese Ungleichbehandlung tun?
Das ist ein schwieriges Feld. So lange der Besitz von Cannabis
strafrechtliche Konzequenzen haben kann, wird es überzogenes Vorgehen
der Polizei geben. Die andere Frage, die medizinische Nutzung von Cannabis,
haben wir bei uns im Gesundheitsministerium intensiv beraten - dazu laufen
interessante klinische Studien nicht nur in Großbritannien, sondern
auch im Berliner Krankenhaus Moabit. Wir werden alles dafür tun, daß
Cannabis bei solchen Krankheitsbildern, bei denen der therapeutische Nutzen
erwiesen ist, eingesetzt werden darf.
Glauben Sie an den Mythos von Cannabis als Einstiegsdroge?
Die Zahlen im Drogenbericht 1998 sprechen eine eindeutige Sprache:
Die meisten abhängigen Menschen haben mit Rauchen und Trinken angefangen
- Tabak und Alkohol sind die Einstiegsdrogen Nummer eins. Heute sagen alle
Fachleute, daß man bei der Primärprävention davon wegkommen
muß, zwischen legalen und illegalen Drogen zu trennen.
Ist es nicht an der Zeit, zu akzeptieren, daß Drogen zu Jugendkulturen
einfach dazugehören?
Daß gerade junge Menschen alles mögliche ausprobieren,
ist ein Fakt. Der gehört genauso zur Lebenswirklichkeit wie die Tatsache,
daß es keine drogenfreie Gesellschaft gibt. Aber wenn man dazu beitragen
will, daß nicht mehr Menschen abhängig werden, muß man
in einer Art und Weise über Drogen informieren, die junge Leute erreicht.
Da helfen keine Kreuzzüge und Dämonisierungen.
Gesundheitsministerin Andrea Fischer hat in Clinton-Manier gesagt,
sie hätte zwar an einem Joint gezogen, aber nicht inhaliert. Haben
Sie schon mal gekifft?
Nein,
noch nie. Aber man muß nicht alles so ernst nehmen: Wenn ich Abgeordnete
abends bei ihrem Bier treffe, sagen die: "Vorsicht, die Drogenbeauftragte
kommt!" Die Arbeit macht mir trotzdem viel Spaß.
Interview: Ole Schulz
taz Nr. 5791 vom 20.3.1999 Seite 4 138
Zeilen
Interview Ole Schulz
sep/98
Gerhard Schröder : Klares Nein zur Legalisierung
In
der Serie "Jugendliche diskutieren mit Politikern" des Magazins Stern (Ausgabe
37) offenbarte sich SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder als klarer
Gegner der Legalisierung.
"Ich halte nichts von Legalize it, die Erfahrungen in Holland sind
ja auch nicht nur positiv" erwiderte er auf entsprechende Fragen. Der geplante
Modellversuch seiner Parteigenossin Heide Moser in Schleswig-Holstein findet
nicht seine Unterstützung.
Das in Schweden inzwischen zu einer weit härteren Drogenpolitik übergegangen
wurde ist für ihn der Beweis, daß die Versuche die Drogenszene
auf diese Weise auszutrocknen nicht erfolgreich waren. Auch das Argument
Alkohol als ursprüngliche Einstiegsdroge zählt für ihn nicht.
"Alkohol ist eine Droge, mit der viele Menschen umzugehen gelernt haben,"
so Schröder im Stern. Koffieshops nach Holländischem Vorbild
kommen für ihn nicht in Frage. "Der Staat hat nicht die Aufgabe, behilflich
zu sein, an Drogen zu kommen. Ich kriege den Sprung nicht hin zu
befürworten, eine Droge zu legalisieren. Dann kommt die nächste
Forderung."
Auf die Entgegnung, dann könne man ja auch Herrn Seehofer im Amt belassen
erwiderte er: "Den Seehofer nicht unbedingt. Unter der Voraussetzung genügender
Therapieplätze bin ich für jedes Experiment offen, das hilft,
Schwerstabhängige rauszuholen. Aber ich kann mich nicht dazu entschließen,
den Zugang zu erleichtern."
(zaphood)
Montag, 9. November 1998, 11:49 Uhr
Freigabe von Hasch und Marihuana für Schily nicht aktuell
Berlin
(AP) Eine mögliche Freigabe weicher Drogen ist für Bundesinnenminister
Otto Schily derzeit nicht aktuell. Die Haltung der Sozialdemokraten richte
sich gegen eine Freigabe von Haschisch und Marihuana, und «ich sehe
im Moment überhaupt keine Veranlassung, diese Position zu verändern»,
sagte Schily am Montag in Berlin. Entsprechende Aussagen von ihm in der
jüngsten Ausgabe des Hamburger Nachrichtenmagazins «Der Spiegel»
seien überbewertet worden.
Der SPD-Politiker hatte in dem Interview erklärt, er wolle «es
jedenfalls prüfen lassen», ob der Verbrauch von Cannabisprodukten
straffrei werden solle. Er sei bereit, seine bisherige Haltung auch zu
überprüfen, wenn die Freigabe weicher Drogen von Sachverständigen
anders bewertet werde. Vorrangiges Ziel der Bundesregierung sei es aber,
dafür zu sorgen, daß Menschen von vornherein nicht Drogen verfielen
und daß der organisierte Drogenhandel bekämpft werden könne. |