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Hanf - Die Droge
Von Raphael Staubli
Dass wir aus Hanf, vom Papier bis zum kompostierbaren Plastik1, Tausende von ökologischen Artikeln herstellen und
damit die Welt vor dem Kollaps bewahren könnten, wissen wir jetzt. Dass viele überzeugt sind, dass der Nutzwert
dieser Pflanze "die Gefahr des Missbrauchs als Droge" bei weitem überwiegt, wissen wir auch. Doch ich sage, es
ist falsch. Von Grund auf falsch.
Der Hanf übertrifft bei weitem jede andere Nutzpflanze der Erde. Das ist richtig. Dass der Nutzwert aber
in allem ausser den psychoaktiven Inhaltsstoffen liege, will ich im Folgenden widerlegen. Denn die Nutzung
gerade dieses wesentlichen Bestandteils war, ist und wird immer vertretbar sein, ja sogar entscheidend.
Hanf hat Kultur
Zum Ärger aller militanten Hanfgegner sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass schon die fühesten
Kulturformen der Menschheit wesentlich von Hanf beeinflusst wurden. Und nicht etwa zum Schlechten,
denn der Hanf ist ein Teil unseres kulturellen Erbes, er ist das Fundament, auf dem die stabilsten Kulturen
dieser Erde errichtet wurden, und der Mörtel, der sie zusammengehalten hat.
Es gibt Thesen darüber, dass Hanf die erste Pflanze war, welche von den Jägern und Sammlern angebaut
wurde und sie zur Erfindung des Ackerbaus und somit zur Zivilisation führte.2 Diese Theorien werden derzeit
von den Pygmäen bestätigt, welche als einzige Pflanze den Hanf anbauen. Mit diesem berauschen sie
sich vor der Jagd, um besser für alle Mühen gewappnet zu sein. Und das schon seit Urzeiten.
Sogar bevor die Jäger und Sammler vor 10'000 Jahren begannen sesshaft zu werden, dürfte Hanf
grösstenteils als Droge Verwendung gefunden haben. So wurden schon die ersten Formen unseres
Bewusstsein, das mystische und religiöse Denken, vom Hanf beeinflusst. Gewisse Forscher behaupten
sogar, dass "alle mentalen Funktionen, die wir mit dem Menschsein in Verbindung bringen,
einschlisslich Vorstellungskraft, Erinnerung, Sprache, Namengebung, magische Sprache, Tanz und
ein Gefühl von religio, auf die Verwendung von halluzinogenen Pflanzen zurückzuführen sind."3
Unser Bewusstsein soll also erst durch Drogenkonsum entstanden sein.
Nebenbei war Hanf das beste Universalheilmittel, da er krampflösend, schmerzstillend, sedativ und
fiebersenkend ist. Am wichtigsten ist aber wohl seine antibiotische Wirkung, ohne dass er resistenzbildend ist.
So war Hanf einst allgegenwärtig.
Hanf ist Kultur4
In der alten Welt existieren noch heute Überreste der alten, spirituell begründeten Hanftradition parallel
zu den eher zeitgenössischen Formen des Genusses. Eine auffallende Anzahl von Kulturen stellt eine Verbindung
zwischen Hanf und der Totenverehrung her. Zweifellos ist das der scheinbaren Fähigkeit des
Hanfs zuzuschreiben, räumliche und zeitliche Grenzen zu überschreiten.
Obwohl sich die grossen Religionen des Westens von jedem mystischem Erbe gelöst haben, spielt Hanf sonst
in fast jeder grossen spirituellen Tradition eine wichtige Rolle. In einigen esoterischen Traditionen steht er
sogar im Mittelpunkt.
So zieht sich die komplexe Ganja-Kultur durch die gesamt Arbeiterschicht Jamaikas und beeinflusst sie
stark. Während man sich bei uns wegen der angeblichen demotivierenden Wirkung von Hanf
Sorgen macht, dient Ganja in Jamaika zur Erfüllung der Arbeitsethik.
Die Männer aus der Arbeiterschicht verwenden Ganja hauptsächlich als kräftigendes Mittel, während es von
den Nichtrauchern zu medizinischen Zwecken eingesetzt und von Frauen und Kindern zu prophylaktischen
und therapeutischen Zwecken als Tee getrunken wird. Dabei wird Ganja über einen längeren Zeitraum
und mit höherem THC-Gehalt konsumiert als hierzulande, ohne dass dies schädliche soziale oder
psychologische Folgen hätte.5
So ist Hanf noch immer kulturell gefestigt anzutreffen.
Hanf hier und heute
Hanf ist also Kulturträger und kann doch gleichzeitig eine Kultur auch zerstören, wenn er unkontrolliert
missbraucht wird. Kontrolle heisst jedoch nicht Verbot und auch nicht ärztlich kontrollierte Abgaben. Veilmehr
sollte der Gebrauch und das erwartete Verhalten kulturell geformt und durch gut etablierte Traditionen
kontrolliert werden, damit die Gefahr des Abrutschens auf ein Minimum gesenkt wird. Nein, nein, ihr
braucht jetzt gar nicht triumphierend aufzuschreien, Hanf sei also doch eine Einstiegsdroge und gehöre verboten,
denn genau dieses Verbot behindert einen Suchtgefährdeten die Abgrenzung zwischen weichen und
harten Drogen klar zu sehen. So ist man als Haschischfixer noch immer genau gleich kriminell wie jemand,
der Kokain rupft oder Heroin drückt. Und ob man äs Rauchi oder ä Line verkauft, wird auch
nicht unterschieden, denn Dealer ist Dealer.
Eine verfrühte Legalisierung birgt aber sicher auch Gefahren. Denn zuerst würden wir Hanf in unsere Wissenschaft
und Wirtschaft aufnehmen, das wäre schon ein riesiger Beitrag zur Lösung unserer Umweltprobleme. Doch wenn wir uns
danach weiterhin kategorisch dagegen wehren, Hanfkonsum in irgendeiner Form in unsere Kultur aufzunehmen,
kann das Suchtproblem nicht vermindert werden. Die Entkriminalisierung und das entfallende Argument, Hanf sei eine
Einstiegsdroge, sprechen jedoch klar für eine baldige Legalisierung.
Und die Moral von der Geschicht': Shit happens, but it's better to smoke it!
Quellen:
1Jack Herer: "Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze HANF Canabis Marihuana", Zweitausendeins, 1995
2Carl Sagan: "Die Drachen von Eden"
3Terence McKenna: "Plan, Plant, Planet", Whole Earth Review, 1989
4Rowan Robinson: "Hanf", vgs, 1996
5Jamaica-Studie: 1970 durchgeführt vom National Institute of Mental Health der USA;
untersucht wurde Gesetzgebung, Ethnohistorie, das aktuelle Sozialgefüge und die medizinischen Aspekte des Ganja-Gebrauchs.
Erschienen in der Ausgabe 35 (Original)
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