1) Dieser Text soll ein Beitrag sein zur Diskussion über die Drogen- und Stadtteilproblematik im Schanzenviertel. Auslöser ist das Schanzenviertelfest am 26. August und die verkündete Sicherheitspartnerschaft von AnwohnerInnenverbänden und Polizei. Er nimmt Bezug auf Einzel- (Stammtisch-)Gespräche der linken/autonomen Szene und die sich darin formulierende Unfähigkeit, einen angemessenen politischen Ansatz zu entwickeln. Dieser Text will keine Lösung bieten, sondern versteht sich als Anstoß zur Diskussion.
Im Folgenden soll speziell vom Heroin die Rede sein. Weniger vom Stoff an sich, als vielmehr vom Umgang damit. Vom Umgang des Staates mit den KonsumentInnen, den daran Verdienenden. Doch genauso sei hier "unser" (der Szene-)Umgang damit ein Thema. Andere (stoffliche) Süchte werden quasi als Querverweis erwähnt, sind jedoch in dieser Kurzform nicht angemessen zu behandeln. Weitere Drogen wie Koks, XTC, Hasch und Konsorten werden häufig nur deshalb mit Heroin in eine Reihe gestellt weil sie auch illegal verkehren. Zur Funktion dieser Illegalisierung (=Prohibition) kommen wir später erst.
Andere Drogen wie Alkohol, Tabak und (Psycho-)Pharmaka genießen eine weitere Verbreitung/Akzeptanz und verursachen eine ungleich größere Gesundheitsschädigung. Kurz zur Erinnerung: die substantiellen gesundheitsschädigenden Wirkungen des Heroins bewegen sich auf einem zu vernachlässigendem Niveau. Problematisch sind die Nebenwirkungen eines kalten Entzugs (= ohne Symptomlinderung). Der Langzeitkonsum an sich ist unproblematisch; es ist möglich jahrzehntelang ohne jegliche körperliche Beeinträchtigung Heroin zu konsumieren.
Korrekt dosiertes, reines Heroin, von BAYER früher als Hustenmittel vertrieben, erzeugt außer gelegentlicher Verstopfung keine organischen Schäden.
Das Elend der Heroinsucht wird einzig und allein durch die Prohibition verursacht. Über Mechanismen, die nachher gesondert erläutert werden, kommt es zu folgenden Erscheinungen:
a) schlechte Qualität des Heroins; es wird häufig mit (toxischen) Substanzen gestreckt, dies erhöht die Profitrate;
b) keine einheitliche Qualitätskontrolle möglich;
c)Gefahr, daß KonsumentIn plötzlich qualitativ hochwertiges Heroin erhält und somit unbeabsichtigt überdosiert (häufigster Grund für goldenen Schuß).
Der zweite Problemkomplex der Prohibition liegt in den direkten Auswirkungen der Kriminalisierung der NutzerInnen auf ihr soziales Dasein. Der Dreck ist dermaßen teuer, daß die Junkies kaum noch einer geregelten Arbeit nachgehen können, selbst wenn sie wollen. Diebstahl, Prostitution, Dealerei sind klassische Erwerbszweige in der Hartdrogenszene, die nicht primär mit dem Wesen der Droge oder der UserInnen zusammenhängen, sondern durch den sozio-politischen Umgang damit vorprogrammiert werden. Damit wiederum verbunden sind die aufzehrenden Lebensumstände und die assoziierten Krankheiten (Hepatitis B, HIV, Thrombosen, andere entzündliche Erkrankungen). Die Junks werden also in beschissene soziale/hygienische Verhältnisse gedrängt und von medizinischer Vorsorge u. Versorgung abgeschnitten. Durch das Verbot von Druckräumen werden sie in die Bahnhofsklos gejagt, wo sie den, meist gepanschten Stoff (durch womöglich tagealte, x-fach benutzte= stumpfe und verdreckte Kanülen) schießen, welchen sie zuvor durch Prostitution o.ä. erwerben mußten. Weil sie in der Regel auch schon häufiger in ihrem Leben bei irgendwelchen Hehlereien erwischt worden sind, ist ihnen die Tür zum propagierten "Wiedereinstieg in die Gesellschaft ohnehin verschlossen. Rausschmiß aus Familie, Schule und Job, entwürdigende Cleantherapien gegen ihren Willen (bei der Wahl zwischen Knast oder Therapie läßt sich wohl kaum von freiwilliger Entscheidung sprechen), Sorgerechtserknastung. Daß Knastis und Vorbestrafte gebrandmarkt bleiben und staatliche Resozialisierungsprogramme Augenwischerei darstellen, ist mittlerweile selbst in bürgerlichen Kreisen bekannt. Es sind die lebenden Heroinabhängigen, die von Seiten des Staates und der gesellschaftlichen Institutionen zu Mündeln gemacht werden. Menschen, die Heroin genießen, dürfen keine freien BürgerInnen sein, müssen nochmals erzogen werden, durch Strafe oder Therapie. Ihre vorläufige Daseinsberechtigung wird ihnen entzogen, nur als reuige SünderInnen werden sie wieder zum gesellschaftlichen Diskurs vorgelassen. Alle diese Angriffe finden ihren Höhepunkt in jenen 2000 HeroingebraucherInnen, die jährlich sehenden Auges verrecken gelassen werden, damit sie, wie der frühere Bundesdrogenbeauftragte Franke offen erklärte, als abschreckendes Beispiel dienen.
Vorläuiges Fazit: Das Problem ist nicht der Stoff, sondern der Umgang damit.
Rauschmittel wie Kaffee, Alk, Nikotin haben an sich, daß ihre Wirkung direkt gesundheitsschädigend wirkt. Es verbietet sich hier, mit den volkswirtschaftlichen Kosten der medizinischen Versorgung zu argumentieren, die z.B. aus Alkoholkonsum resultieren. Allein die Zahl der Todesopfer durch ihren eigenen Abusus spricht schon Bände, von den vielen im Straßenverkehr Totgefahrenen ganz zu schweigen.Doch im Gegensatz zur beschriebenen gesellschaflichen Ächtung der Junkies wird dem Alkohol gesellschaftlich attestiert, daß seine Opfer gut funktionieren. Der im Kapitalismus stets geforderte "nüchterne" Realitätssinn (grundlegend für ungebrochene Leistungsfitness) wird bis kurz vorm endgültigen Abwinken wohlwollend unterstellt. Flankiert vom gesunden Volksempfinden wähnt sich Durchschnittsalki frei von Abhängigkeit, Verführung, Suchtverhalten. Der zukunftsorientierte, dem sozialen Alkoholerlebnis zugeneigte, arbeitsverkrampfte "deutsche Charakter" halluziniert sich im Einklang mit den Wünschen und Nöten seiner alltäglichen Existenz zu leben. Die öffentliche Verdrängungskampagne verhindert das offene Streitgespräch über all die Sehnsüchte und Erlebnisse des Rausches. Und da nehmen wir Schreibenden uns in keiner Weise raus.
Der Versuch, sich in einer krankmachenden Gesellschaft selbst zu medikamentieren treibt unterschiedlichste Blüten, die Wurzel ist die gleiche.
Zucker (Fressen, Kauen ...), Heroin, Endorphin (Leistungssport, Magersucht, Schock-Erlebnis-Sportarten ...), Alk, usw. sind die stofflichen Träger der erfolglosen Suche nach Befriedigung und subjektiv-sinnlichem Erlebnis bzw., ganz banal, Konfliktbewältigung.
Wohlgemerkt: Wir gehen hier jetzt nicht von einem ursprünglich- vollkommen-natürlich-drogen-und-problemlosen aber leider verlorengegangenen Normalzustand in der fernen Geschichte aus!
Dichtgemacht wurde sich schon immer und überall. Drogenfreie Gesellschaften hat es noch nie gegeben, doch stets Versuche der Herrschenden, eine solche herzustellen. Im 17. Jahrhundert wurden europaweit die Drogen des aufkommenden BürgerInnentums, Tabak und Kaffee, verboten - bis hin zur Todesstrafe für KonsumentInnen. In den 20er Jahren dieses Jahrhunderts wurden die bis dahin gebräuchlichen Rausch- und Arzneimittel Opium samt seiner Abkömmlinge (Morphium und Heroin), Kokain und Cannabis verboten, und der UNO-Drogenbeauftragte Nahas begründete beispielsweise 1965 das Hanfverbot damit, daß Cannabis das gebräuchlichste Selbstmordmittel in Europa sei. Doch erst 1972 wurde in der BRD die bis dato gültige Praxis, Opiate an Abhängige ärztlich abzugeben, abgeschafft, und seitdem erst greift - nicht zuletzt dank der modernen Repressionsinstrumente - die gesetzliche Durchsetzung eines moralisch richtigen Lebensstils so, wie es sich vielleicht schon die da oben genannten Feudalherren gewünscht hätten.
Die Frage ist jedoch wie Rauschmittel in einem dermaßenen Umfang aus ihrem rituellen bzw. kulturellen Kontext gelöst werden konnten.
Doch schnell zurück zur Funktion von Droge.
Gesellschaftsformen, die ein Gros der Bevölkerung von der politischen Einflußnahme ausschließen, sind allgemein dadurch charakterisiert, daß die Verinnerlichung (d.h. die Privatisierung gesellschaftlicher Probleme) gleichermaßen als Vorraussetzung und auch als Resultat erscheint. Platt gesagt: gehe ich an meinem Job und anderen Verhältnissen kaputt, ohne mich spürbar dagegen wehren zu können, (häufig wird via Sozialisation die Unergiebigkeit + moralische Unanständigkeit politischer Einmischung vermittelt), liegt es nahe, mir im Privaten meine Identität (=Selbstwert) positiv definieren zu müssen. Gesellschaftlich propagierte Schlüssel zur Selbstwertregulierung sind Reichtum, Ansehen, Aussehen, beruflicher Erfolg, persönliches Glück.
Ersatzweise bzw. "runter"buchstabiert kann das sein: Gruppenidentität, stofflicher Rausch, Chauvinismus, Autoritätshörigkeit, Rassismus, usw...
Vor diesem abstrakteren Hintergrund erscheinen Xenophobie und Massensuchtverhalten in patriarchal-kapitalistischen Gesellschaften auf sozialpsychologischer Ebene als Geschwister (selbstverständlich nur was die Wurzel anbelangt; grundsätzlich unterschiedlich ist die politische Relevanz). Sie beide haben eine Identitätsstiftende "Schutz"funktion gegen eine abstrakt erscheinende = bedrohlich-äußerlich und unbeeinflußbar wirkende gesellschaftliche Entwicklung.
Keinesfalls geht es hier darum alles Übel der Welt in einen Pott werfen zu wollen. Unabdingbar für eine Drogendebatte jedoch ist es, die gesellschaftliche Bedingungen, die erst zur Problemreifung beitragen, mit zu berücksichtigen.
Wer von Sucht redet und ausgerechnet bei Heroin anfängt, unterschlägt die postfordistischen Auflösungsprozesse und deren sozialpsychologische Kompensationsmechanismen. Neben dieser allgemeineren Interpretation heben Dörner/Plog (siehe Anmerkung) besonders die Aspekte der Technologiesierung umfassender Lebensbereiche mit einhergehender Allmachbarkeit(-sphantasie) sowie die Struktur der patriarchalen Kleinfamilie als Hauptort der Sozialisation und Hauptfeld der Lebenskonflikte als ursächlich für die Entstehung von Suchtverhalten hervor.
Und um nicht nur von stofflichen Süchten zu sprechen: Wer wird (endlich) dem Soldaten, der im Krieg verreckt, deutlich machen, daß er eigentlich Selbstmörder ist, der an einer sorglosen Abhängigkeit von seinen Befehlshabern und an seiner Sucht nach Heldentaten zugrunde geht? Abgesehen davon stehen im Tessin die Villen der Rüstungskonzernmanager und die der internationalen Drogenhändler nebeneinander.
Im Patriarchat stellt sich eine geschlechtsspezifisch tradierte "Norm" der Kompensation gesellschaftlicher Widersprüche dar; insgesamt sind Frauen von stofflichen Süchten weniger betroffen (Ausnahme: Psychopharmaka).
Heroin zu schießen, wird von allen, die einmal in den Genuß kamen, als ein wahnsinniges Gefühl beschrieben. Die beliebten Schlagworte (Glück, innere Wärme, Überlegenheit, usw.) treffen es wohl ganz gut. Die Illegalität macht einen kleinen Teil des Reizes aus, läßt sich doch verstärkt eine Gruppenidentität entwickeln. Daß die Karriere häufig im Grab endet, ist vielen bekannt, wird also häufig in Kauf genommen, zum Teil gewiß verdrängt. Bis vor kurzem noch hatte die Junkszene, wahrscheinlich berechtigterweise, den Nimbus einer jugendlichen, rebellischen Verweigerungskultur. "Lieber kurz und schön leben, als lang und verlogen". Heute ist Heroin nicht mehr als "Gegenbewegung" wahrzunehmen, die UserInnen haben andere Hintergründe, es ist die Droge der Armut und der Resignation. Doch der Schritt in die Sucht ist eine Suche, und wäre auch durch andere Inhalte zu füllen, wenn es sie denn gäbe.
Und wenn dieser Schritt uns seltsam frommt, so sollte das uns idealerweise dazu anregen, das Zustandekommen derselbigen dahingehend zu akzeptieren, daß die Alternative (=Normalität) als nicht besonders erbaulich akzeptiert wird.
Uns "Linken" dürfte das eigentlich nicht schwerfallen, aber dennoch habe ich das Gefühl, daß besonders in meinem begrenzten Umfeld der Szene ganz besonders moralisch und verständnislos-abwertend das Resultat der Entscheidung verurteilt wird.
In dem Moment, wo wir uns anmaßen, als moralische Überbau-Instanz den Umgang mit Drogen zu bewerten, kolaborieren wir mit den gesellschaflichen Zuständen, die diesen Umgang zu verantworten haben und stehlen uns aus der Verantwortung uns an die eigene Nase zu packen. Gerne nutzen wir die Konstruktion unserer Szene-Identität als vermeintliche Abgrenzung gegenüber der herrschenden bürgerlichen Identität, doch dazu später mehr.
Ich möchte nun auch noch ein paar Worte über die sogenannte Einstiegsdroge Haschisch verlieren. Einfach deshalb, weil es so gerne genommen wird. Wir alle wissen ja, daß die Mähr der "Einstiegs"droge lediglich durch die Illegalisierung einen gewissen Realitätsbezug bekommt. Da der öffentliche Verkauf verboten ist, liegt es aus marktwirtschaftlichen Gründen aus Dealersicht nahe, Handelswege kombiniert zu nutzen. Sprich: der/die HaschdealerIn kennt fast immer auch ne Gift-Connection und umgekehrt. Durch diese Personalunionen läßt sich tatsächlich die Einstiegslüge anhand von Ausnahmebeispielen aufrechterhalten. Konsequent zu Ende gedacht hieße dies natürlich Haschisch frei zu verkaufen um die Heroinverbreitung zu behindern. Es gibt auch tatsächlich Anzeichen, welche für den BRD-Staat in diese Richtung deuten, aber der Widerstand seitens konservativer Verbände ist immer noch immens. Argumentieren die fortschrittlichen Kräfte, daß der Anteil der niederländischen Haschisch-ErstkonsumentInnen seit der staatlichen Duldung des öffentlichen Verkaufs zurückgegangen sei, antwortet die reaktionäre Linie, daß die Gesamthaschischmenge, die über den Ladentisch gehe eher zugenommen habe. Die Tatsache, daß gerade diese Zahlen nur der BRD-Prohibition geschuldet seien, weil natürlich viele deutsche Jugendliche in A-Dam einkehren, und sich deshalb halbwegs repräsentative Zahlen erst bei globalen Initiativen ergeben, zeigt nochmal deutlich, daß gerade fortschrittliche Drogenpolitik auch in eine umfassende internationale Konzeption eingebunden sein muß. National-reformerisch kann hier niemals argumentiert werden, sonst wird der Reaktion fahrlässig das Terrain für weitreichende Grenzsicherungs-plädoyers überlassen. Dennoch macht es u.E. unbedingt Sinn sich der tagespolitischen Forderung nach Entillegalisierung anzuschließen und die Diskussion aktiv mitzugestalten.
Diese nervige Verharmlosung ihres eigenen Dope-Konsums seitens der Szene-KifferInnen sollte auch mal ein Thema sein. So unreflektiert, wie sich besonders Linke allabendlich die Omme zuknallen, so lächerlich wirkt dann das Gezeter dieserjenigen, wenn mal jemand Unbekanntes von außerhalb die Flora-Vokü mit nem Bier in der Hand betritt. Die Unfähigkeit, Befangenheit in Widersprüche zuzugeben, und über den Mechanismus der Verharmlosung eigener Kompensationsprogramme bei einhergehender Dramatisierung anderer (vermeintlich völlig absurder und unverständlicher, meistens jedoch gerade 2 Wochen zuvor abgelegter) Kompensationsmechanismen, fällt uns selbst zurück auf die Füße; entwirft Suchthitparaden, die wesensmäßig als Selbstentlastung nur zu Konkurrenz anstatt zu einem Erkennen gemeinsamer Ängste und Wünsche beitragen.
Anscheinend eine gute Möglichkeit, eine Debatte zu gewinnen, ist stellvertretend für die richtige eine falsche zu führen.
Auf diese Weise wird sichergestellt, daß Menschen ihre Zeit verschwenden Unbedeutendes zu diskutieren. Solch ein Beispiel ist auch die Drogendiskussion, wenn sie als ein Problem von Recht und Ordnung präsentiert wird. Effektivere Polizeiarbeit wird aller Dealer habhaft werden und den Verkauf stoppen, so die frohe Botschaft, die über die Medien gestreut wird. Sodann werden nämlich unter BürgerInnen-Mitbeteiligung effektivere Mittel der Polizeiarbeit diskutiert (die "Sicherheitspartnerschaft" ist derer ein besonders modernes = kaschiertes). Auf diese Weise vergessen wir allzuleicht den Punkt, daß ein Verbot prinzipiell falsch ist. Selbstverständlich ist es nur möglich eine Debatte auf diese Weise zu manipulieren, wenn die Mittel der Kommunikation fest unter Kontrolle sind, aber das ist eine andere Geschichte.
Drogendealer sind genau wie andere Kaufleute auch, vom Verlangen motiviert, Profite zu machen, und Profite hängen bekanntlich vom Preis ab. Der Preis ist abhängig von der Beziehung zwischen Angebot und Nachfrage. Das Angebot ist die Summe von etwas, das verkauft wird, und die Nachfrage ist die Summe des Geldes, die Leute bereit sind, dafür zu bezahlen. Im ökonomischen Sprachgebrauch ist Prohibition die Einschränkung des Angebotes.
Dies hat gesetzmäig den Effekt, daß der Preis ansteigt, da die Nachfrage ja nicht im gleichen Maße nachläßt.
Jede große Beschlagnahme von Drogen unterstützt die Profite der Dealer, denn je mehr beschlagnahmt wurde, desto besser die Anwartschaft der anderen, kokurrierenden Drogendealer, und der Anreiz für sie noch mehr zu importieren. Die Prohibition hält den Markt in Bewegung, öffnet Nischen für Neuanbieter und sorgt so für einen Dauer-Boom. Prohibition versagt, indem sie die Profite der Dealer garantiert.
Sie hat diverse Nebeneffekte, z.T. bereits angerissen.
Es stellt die Verkaufskraft von Gelegenheitsdealern wieder her, die Drogen verkaufen um sich ihren eigenen Verbrauch zu finanzieren. Es unterstützt die Kriminalität, da die, die sich diese teure Sucht eingefangen haben, stehlen gehen müssen, um an die benötigte Kohle zu kommen. Selbst in Polizeischätzungen wird gemutmaßt, daß bei sofortiger Entillegalisierung mit einhergehenden Methadonprogrammen die Rate der Einbruchs- und Überfallkriminalität schlagartig um ca. 40 Prozent zurückgehen würde. Dealer verdünnen ihre Scheiße; Steigerung der Profitrate durch Erhöhung des Gesundheitsrisikos der Abhängigen. Prohibition verleitet zur Kooperation mit der Polizei. Häufig wird bestochen, um in Ruhe gelassen zu werden; Praxis ist ebenfalls Geschäftsrivalen zu verpfeifen: die Polizei hat eine Festnahme für ihre Glaubwürdigkeit, der Denunziant hat einen Marktvorteil.
Trotz staatlicher Verfolgung und anderer Schwierigkeiten beharren Drogendealer natürlich darauf, die KonsumentInnen mit dem benötigten Stoff zu versorgen. So sind Drogendealer kurioserweise die Helden des sogenannten freien Marktes. Warum werden sie geächtet von den Kapitalisten in der Gesetzgebung, die, bei dem Versuch den Drogengebrauch zu bekämpfen, ihre Freie-Markt-Prinzipien widerrufen? Es scheint, daß die Verteidiger des freien Marktes gar nicht wissen, was dieser bedeutet und wie er funktioniert.
Über gobale Marktstrategien werden ganze Länder z.T. im Interesse der imperialistischen Staaten in den Drogenhandel gedrängt. Nord-Thailand z.B. wurde während des Vietnamkrieges zur Heroinmonokultur von den USA quasi zwangsverpflichtet (der CIA vertickte das Gift an die GIs). Fünfundzwanzig Jahre später marschierten die USA in Panama ein, um einen Präsidenten, den sie zum Drogendealer erklärt hatten, gefangen zu nehmen und einige hundert ZivilistInnen zu töten. Der Kampf gegen die Drogen und den Handel, den sich die imperialistischen Staaten auf die Fahnen geschrieben haben, ist ein nahezu beliebig anwendbares Ideologem, mit dem internationale machtpolitische und ökonomische Interessen, sowie nationale Kontrollmechanismen gegen die "eigene" Bevölkerung unter Beifall der Untertanen sich formulieren und durchsetzen lassen.
Häufig decken sich ohnehin Interesse von Dealern und nationaler Ökonomie, wird doch der Großteil der Profite HIER in den satten Metropolen investiert und nicht in den Erzeugerländern. Doch warum sollte dem "freien Markt" in Form von Drogendealern erlaubt sein an menschlichem Elend zu verdienen?
Der Profit kann ihnen genommen werden, indem Drogenbesitz freigegeben wird! Die Prohibition versagt in der Praxis, das ist auch fast allen mittlerweile klar, es gilt aber vehementer darzustellen, daß das staatliche Vorgehen besonders vor dem Hintergrund kapitalistischer Wirtschaftsdoktrin nicht Teil der Lösung sondern Teil, wenn nicht sogar Ursache des Problems ist.
Hannover, Mai `89
Nachdem die niedersächsische Polizei es sich zur Aufgabe gemacht hatte, den Bahnhof und den angrenzenden Raschplatz von der Junkszene zu säubern, begann eine Zeit der ständigen Razzien. Diese wurden nach rassistischen Kriterien durchgeführt, Schwarze wurden unter Generalverdacht gestellt, häufig mißhandelt auf der Wache, schikaniert, usw. Parallell dazu die übliche Pressehetze gegen ausländische kriminelle Straftäter, damals bereits in Vorbereitung der Abschaffung des Grundgesetz-Artikel 16.
In dieser Zeit geschah es, daß in einem beliebten Park der hannöverschen Nordstadt (Szeneviertel) zunehmend derartige Geschäfte abgewickelt wurden. Besonders von Schwarzafrikanern, welche sich in der City nicht mehr blicken lassen konnten.
Bei einem ersten Treffen von Leuten aus dem autonomen Spektrum wurde beschlossen, zu den Dealern hinzugehen und sie aufzufordern das Feld zu räumen. Die Stiimung war gereizt, blöde Wortwechsel, beide Seiten fühlten sich bedroht, einer der Dealer zog irgendwann auch mal zur Drohung ein Messer. Unterm Strich wußten die Dealer die Situation nicht richtig einzuordnen, wie sich später herausstellte, einige hatten gedacht, wir seien Nazis.
Inder Folge wurden in der Nordstadt Plakate verklebt (Heroindealer, verpißt Euch!) und ähnlich lautende Hauswurfsendungen verteilt. Bei einer weiteren Diskussionsveranstaltung (120 Leute) wurde nochmals beschlossen unbewaffnet (!) in den Park zu gehen. Als sie dort eintrafen, waren etliche der Dealer schon geflüchtet, einige schwarze Männer waren dort geblieben und verteidigten sich verbal in dem Tenor
a) wo sollen wir denn sonnst hingehen,
b) ihr habt uns gar nichts zu sagen. Im weiteren Verlauf wurde sich in beide Richtungen superblöde angemacht.
Am 26. Mai wurde beschlossen endgültig und militant gegen die Dealer vorzugehen. Gerade in dem Moment, als der Beschluß durchgesetzt werden sollte, zogen die Bullen eine Razzia durch, welcher dann ruhig zugeschaut wurde. Den Zielen der Medienkamagne kam dieses Verhalten zupaß. Was dargstellt wurde als "Autonome + Polizei gemeinsam gegen schwarze Dealer im Kampf um die Reinerhaltung der Nordstadt" fiel auf den Boden der Forderung nach mehr Stellen und Befugnissen der Polizei. Nach dem Motto: könnten wir das Problem endlich polizeilich lösen, bräuchte es keine Bürgerwehren geben. Die gesamte Situation war gekennzeichnet von einem völligen Unverständnis der Situation der Schwarzen.
- Statt eines antirassistischen Kampfes der gesichertes Aufenthaltsrecht für AsylantInnen, Verhinderungen von Abschiebungen, Aufhebung des Arbeitsverbotes für AsylantragstellerInnen usw. beinhaltet, wurde selbst zur rassistischen Praxis gegriffen, indem eine ausländische Minderheit angegriffen wurde.
- Statt die Entkriminalisierung des Drogenkonsums zu fordern, haben sie zur Ausgrenzung der Minderheit der Drogenabhängigen beigetragen.
- Statt gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse, die die Ursache des Drogenkonsums sind, zu kämpfen, haben sie die herrschende Form der Problemlösung übernommen : Vertreibung.
- Statt einer Diskussion mit Abhängigen und anderen Interessierten aus dem Stadtteil über Perspektiven gemeinsamen politischen Handelns genügte den AkteurInnen eine gehörige Portion autonomes Sendungsbewußtsein und Kiezmilizgefühl.
Ähnliche Dumpfaktionen sind unseres Wissens in Hamburg bisher zum Glück noch nicht gelaufen. Insgesamt gibt es bisher wenig greifbares, verbindlich bzw. gemeinsam Erarbeitetes der Szene zu dieser aktuellen Problematik im Schanzenpark. In unserem Bekanntenkreis ist dies jedoch tägliches Thema, meist in Form von Ekel und Ablehnung der Entwicklung, Trauer, daß der Park nicht mehr "unser" ist sowie ein undifferenziertes Bedrohtheitsgefühl.
Uns selbst ärgert es saumäßig, neulich ist ein Barfußhippie neben uns eine Kanüle gelatscht. Wir können uns jedoch nicht daran erinnern, jemals die Klage gehört zu haben, daß so wenig Spritzenabwürfe bereitstehen. Auch die Forderung nach mehr Beratung, Gesundheitsräumen und Spritzentausch erreicht selten das Ohr Es ist zu befürchten, daß die Mehrzahl dieser Leute sogar eher gegen erwähnte Einrichtungen votieren würde, aus der Ahnung heraus, daß das noch mehr Probleme (=offensichtliche Sucht) anziehen würde. Dies wird bisher nicht offensiv vertreten, es ist eher aus Stimmungen rauszuhören; eindeutig äußern möchte sich niemand, ziemlich tabu das ganze Thema. Abgesehen davon, daß da natürlich die irrige Fehlanalyse dahinter stünde, die Beratungsstellen würden ihren Kunden vorrausreisen, bezeichnet dies ein trauriges Bild den betroffenen Menschen gegenüber.
Diese werden nicht als Individuen in einer bestimmten (beschissenen) Situation wahrgenommen, sondern nur als wabernde, bedrohliche Masse, die über EineN hereinschwappt, unkontrolliert, fremdartig, die Struktur, die Idylle, den geordneten Fluß gefährdent.
Dieses Konzept der Identitätsstiftung über Konstruktion und Abgrenzung eines "Anderen", wesentliches Element der Xenophobie/Antisemitismus, findet sich unter vermeintlich anderen Vorzeichen in linker Szenepolitik. Ein moralich richtiger Lebensstil wird definiert und eingefordert: Droge und Müßiggang werden als bedrohlich im Sinne von a) kampfkraftschwächend oder b) fehlgerichteter Rebellion gedeutet. Unsere Definition vom Kampfverhältnissen gegen die gesellschaftliche Norm wird aus einer Art Überbau-Instanz übertragen auf alle von gesellschaftlicher Ausgrenzung betroffenen Individuen, unabhängig von ihren persönlich-politischen Ausgangsbedingungen. Die berechtigte Selbstauflage eine befreite Gesellschaft in Ansätzen im Hier und Jetzt zu verwirklichen, herrschaftsfreie Räume und Lebensformen zu entwickeln, verkehrt sich ins Gegenteil, wo emanzipatorische Prozesse auf äußerliche Strukturen wie z.B. den Stadtteil übertragen werden. Abgesehen davon, daß solch ein Inseldasein (meistens ja auch noch ausschließlich kulturell bestimmt) sich nicht durchsetzen läßt, scheint es auch kaum erstrebenswert. Der Wunsch, nicht sexistisch/rassistisch angemacht zu werden läßt sich nicht durch Problemverlagerung (aus unserem Stadtteil raus in andere Stadtteile) erreichen. Räumliches Umfeld muß als Ausgangspunkt für Kämpfe strategisch begriffen werden, nicht als Ruhe-Oase für Szene-Reproduktion.
Thema Sexismus. Frauen heben hervor, vermehrt von Schwarzen im Park angequatscht, belästigt zu werden. Sexistische Anmache ist, wenn die betroffene Frau es als solche erlebt. Punkt. Jedoch sollten wir uns aufs äußerste in Acht nehmen vor einer Vereinheitlichung der Maßstäbe: Das Ergebnis wäre eine von rassistischen Ressentiments geprägte Kulturarroganz.
Wir denken, daß das Angequatschtwerden rein gar nichts mit der Hautfarbe des Anquatschers zu tun hat.
Frauenbefreiung ist das Resultat von Frauenkämpfen. Die Kämpfe sind weder einheitlich bestimmbar, führbar oder bewertbar, haben z.T. grundlegend unterschiedliche Ansätze. Eine, im Fritz Bauch-Diskurs häufig mitschwingende Echauffierung ("die sind einfach doch noch ein bißchen sexistischer") bleibt verhaftet im abendländischen Modell der linearen Geschichtsentwicklung. Im Übrigen möchte ich verweisen auf den oft abgenudelten 3:1 Ansatz unter weiteren aktuellen AntiRa-Ansätzen. Wir wollen uns auch in keinster Weise hinstellen und sagen, jedwede Kritik sei unsolidarisch und rassistisch. Wir sind uns nur nicht sicher, ob es überhaupt einen adäquaten Rahmen für antipatriarchale, weiße Kritik an Schwarzen/Migranten gibt. Haben wir eine glaubhafte antirassitische Praxis? Akzeptieren wir die Bedingungen der Migration als Ausgangsebene?
Und jetzt auch wieder allgemein auf die Drogenfrage: Sind wir bereit erst mal nachzufragen und zuzuhören, bevor wir unsere Unsicherheit und Unwissen und bleierne Dogmen gießen?
Es gibt zwei Hauptstränge:
a) - Dekonstruktion von Szene-/Viertelidentität,
- Antirassistische, antipatriarchale, antikapialistische Kämpfe als Einheit ganz oben auf die Tagesordnung
- Offenheit gegenüber Schwächen, Wünschen, Ängsten, Süchten, Abkehr von der Blockformierung der Sauberautonomen
b) - Drogendiskussion als Interventionsfeld für die Vermittlung progressiver, systemantagonistischer Inhalte begreifen.
- Forderung nach Entkriminalisierung
Beides wird dieses Jahr erstmal nicht im Rahmen des Viertelfestes zu leisten sein. Die bisherige Nicht-Diskussion würde als Folge einer bloßen Adaptierung fortschrittlicher Positionen (b) zwangsläufig (a) zuwiderlaufen.
Für das Fest sollten wir uns dieses Jahr damit begnügen einen großen Teil der Überschüsse z.B. dem Fixstern zu spenden. Wenn dann jetzt in der Folgezeit ein paar mehr Gruppen zu diesem Thema eine Position entwickeln würden, ließe sich vielleicht im nächsten Jahr mal so etwas wie ein Drogenpolitischer Kongress in der Roten Flora planen. Ein Wochenende, an dem Drogeninis, interessierte linke Gruppen und Einzelpersonen Austausch und Perspektivdiskussion organisieren.
Das wars fürs erste:
LINKE WELTVERBESSERER,
SEKTION WOHLERSPARK
Kontakt über: Antifa Planten un Blomen, c/o Schwarzmarkt,
kSK 46, 20357 HH
Anmerkungen:
Kapitel 2 stützt sich z.T. auf Dörner/Plog, "Irren ist menschlich", erschienen im Psychologie Verlag, sowie auf eine Sonderausgabe der Zeitung "Tendenz" zum Thema Drogen, herausgegeben von der Gruppe JungdemokratInnen/Junge Linke
Kapitel 3 wurde über längere Passagen wörtlich übernommen aus einer Broschüre englischer (?) AnarchistInnen (?) die wir irgendwo gefunden haben. Eine Kopie des Originaltextes findet sich im Ordner, da Übersetzungsfehler nicht ausgeschlossen sind.
Eine Erläuterung der Fremdworte war geplant, leider fehlt jetzt zum Schluß ausgerechnet dafür die Zeit, peinlich, peinlich.
Das gleiche glit für eine Literaturliste, die wir aber in jedem Falle noch nachreichen, es gibt da einige schöne Sachen zum Weiterlesen.