Schwarz-grüne Allianz gegen Jugendliche
In Magdeburg schüren CDU, SPD und ein Grüner die Angst vor VerbrechenSaubere Innenstädte, hohe Polizeidichte, null Toleranz. Mit diesen von New York abgeschauten Sicherheitsvorstellungen sollen derzeit in Deutschland nicht nur Metropolen wie Berlin von "Verwahrlosung", "Ratten" und "Gesindel" (Klaus-Rüdiger Landowsky, Fraktionsvorsitzender der Berliner CDU) - gemeint sind Obdachlose, Bettler, Punks, Graffiti-Künstler, Hausbesetzer - gesäubert werden. Auch das beschauliche Magdeburg, das zwar Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts ist, ansonsten eher dem Klischee ostdeutscher Provinz entspricht, soll endlich "sicher" werden, also frei von alternativen Lebensformen und öffentlich sichtbarem sozialen Abstieg. Und weil die Innere Sicherheit bekanntlich ein sozialdemokratisches Thema ist, verwundert es wenig, daß es ein SPD-Oberbürgermeister ist, der fordert, Magdeburg in den von Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) angeregten Modellversuch zur Verbrechensbekämpfung in Großstädten aufzunehmen. SPD-OB Willi Polte will eine Verstärkung der örtlichen Polizei durch den Bundesgrenzschutz, um vor allem der Kleinkriminalität, so Polte ausdrücklich, vorzubeugen. Die CDU-Fraktion im Landtag schloß sich dieser Forderung an, um mit "Verbrechen" wie "Sachbeschädigung, Schmierereien und Randale in Verkehrsmitteln" endlich angemessen umgehen zu können. Angefeuert werden die Politiker in ihrem Rechtskurs von Wirtschaftsvertretern wie dem Manager des Allee-Centers, Axel Diewald, der dafür plädierte, "bestimmte Personen", deren Erscheinen die Kundschaft abschrecken könnte, aus der Innenstadt zu "entfernen". Seither übertreffen sich die Magdeburger Lokalpolitiker mit repressiven Forderungen. "Ich unterstütze den Vorschlag, eine Kopfprämie auszusetzen, damit Sprayer gefaßt werden", machte sich der SPD-Landtagsabgeordnete Michael Hoffman für Wildwest-Methoden stark. Die CDU versuchte, im Magdeburger Stadtrat einen Dringlichkeitsantrag mit dem Titel "Sofortmaßnahmen gegen Straßenterror in Stadtfeld" durchzubringen. Straßenterror - das ist für die Konservativen nicht der Mord an dem 17jährigen Punk Frank Böttcher, der im Februar im von Naziskins dominierten Neubaugebiet Neu-Olvenstedt von Rechten erstochen wurde, sondern das sind laut Antrag "teilweise gewaltsame Übergriffe einiger weniger" Bewohner zweier linker Wohnprojekte im Stadtteil Stadtfeld. Zum Feindbild Nummer eins sind die Graffiti-Sprayer geworden. Die Verdächtigen werden in dem von Jugendlichen aus dem autonomen Spektrum bewohnten Haus Uhlandstraße 8 und in dem von Punks bewohnten Haus Raabestraße 20 vermutet. Der vom CDU-Abgeordneten Rainer Nitzsche eingebrachte Antrag sieht rund um die beiden Häuser in Stadtfeld eine "ständige Präsenz von Polizei und städtischen Ordnungskräften" vor. Außerdem sollen die Anwohner zu Denunzianten ausgebildet werden: Sie sollen so "geschult" werden, daß sie "in die Lage versetzt werden, jeden Übergriff unter Nennung der Täter zur Anzeige zu bringen und als Zeugen auszusagen". Ferner wird die "rasche Räumung" der Häuser gefordert, obwohl für beide Projekte Mietverhältnisse bestehen. Der Antrag Nitzsches gipfelt in der Forderung, an Schulen Kampagnen zu starten und "Demonstrationen von Jugendlichen zu initiieren" mit dem Motto "Die Jugend in Stadtfeld ist anders, hat nichts mit den wenigen zu tun, die das Zusammenleben stören". Nitzsche, der wie in guten alten Zeiten staatlich organisierte Demos initiieren will, ist nicht nur innenpolitischer Experte der CDU, sondern zudem ein enger Mitarbeiter von Landesinnenminister Manfred Püchel (SPD). Zwar wurde der Dringlichkeitsantrag im Stadtrat von der PDS vorerst abgelehnt, doch zumindest bei Bündnis 90/ Die Grünen wird die Geschichte trotzdem ein Nachspiel haben. Denn Nitzsche legt Wert auf die Feststellung, daß er seinen Antrag nicht allein ausgearbeitet hat, sondern zusammen mit Stadtrat Alfred Westphal von den Grünen. Die Magdeburger Grünen allerdings haben sich auf ihrer letzten Vollversammlung hinter das linke Wohnprojekt in Stadtfeld gestellt. Grünen-Sprecher Norbert Doktor vom Landesvorstand erklärte gegenüber Jungle World, ihm sei bekannt, daß Westphal "gewisse Sympathien" für die Forderungen des CDU-Mannes Nitzsche habe. "Wenn Herr Westphal diesen Antrag unterstützt, steht er in der Partei völlig isoliert da", so Doktor. Wie kommt es nun, daß auch in der grünen Bürgerrechtspartei solche polizeistaatlichen Vorstellungen Fuß fassen können? Man könnte fragen: Warum nicht? Warum sollten ausgerechnet die Grünen vor der Kanther/Schröder-Offensive gefeit sein? Aber in diesem Fall ist die Antwort wohl relativ simpel. Es reicht ein kurzer Blick auf die Person Alfred Westphal. Denn der ist nicht nur Stadtpolitiker der Bündnisgrünen, er ist auch Verkaufsleiter der Wohnungsbaugesellschaft (Wobau), also deren Chefprivatisierer. Die Wobau hat wiederholt versucht, genau die Häuser zu verscherbeln, in denen nun, vertraglich abgesichert, alternative Lebensformen ausprobiert werden. Mit den jetzigen unbequemen Bewohnern finden sich allerdings keine Käufer.
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