Hans Söllner und die "Freiheit, frei zu sein"

Der legendäre bayrische Sänger, Streiter, Kiffer, Erzähler und Mittelstreckenläufer gastierte in Weissach im Tal


Von unserem Redaktionsmitglied Peter Schwarz

"Such das Glück der Welt nicht in Gold und Geld. Geh aufs Ganze, such's in der Pflanze." Wolfgang Neuss

Weissach im Tal. Fast hätte sich am Sonntag in Weissach im Tal ein Interview mit Hans Söllner ergeben - aber nur fast. Und das kam so: Seine Managerin, die am Halleneingang Karten abriß, sagte: "Schaust amol dahint'n" und zeigte nach draußen, hinter der Halle. Da sei der Hans vorher in seinem BMW gesessen. In dem ungefähr 25 Jahre alten BMW mit silbernen Zierleisten und wunderschönen, aerodynamisch unverzeihlichen Form-Auswüchsen ist allerdings keiner gesessen. Da ist bloß einer dringelegen.

Klar, der ist bekifft, so ist halt der Söllner - das war die erste Vermutung. Aber auf der Laderampe hinter der Bühne ist der Tontechniker gekauert, erschöpft, in Socken und mit roter Rübe, und der hat erklärt, wie's wirklich war: Sie hätten vorhin einen 1000-Meter-Lauf gemacht, und der Söllner habe gewonnen. "3:40 Minuten, ganz okay für einen über 40jährigen." Und jetzt sei's vielleicht gut, wenn man den Hans noch eine halbe Stunde schlafen lasse.

"Leg los, Mann!" "Bald, Mann!"

Eine halbe Stunde später schlappt er auf die Bühne der Seeguthalle, mit Wandergitarre, Mundharmonika und Dreadlockmähne. Das ist er also: der berühmte Widerborst und Wurzelsepp, bekennende Kiffer und Alkoholgegner, leidenschaftliche Vegetarier und Vater, Prolet und Poet, Bayer und Mensch, unbeugsam und durchgeknallt, legendär geworden in unzähligen Gerichtsverhandlungen wegen Politikerbeschimpfung und Marihuana-Genuß, der Hans, der "sagt, wie's ist, auch wenn sich's sonst keiner traut", der Hans, der "einfach bloß er selbst ist". Mehr als 1000 Leute sind da. "Leg los, Mann!" schreit einer hoch. "Bald, Mann!", nuschelt Söllner runter.

Söllner erklärt, warum er gegen rechts ist - weil die Polizisten bei Verkehrskontrollen grundsätzlich immer ihn rauspicken und sagen: "Fahren Sie mal rechts ran." Söllner erzählt, daß er eine Markierung am Seitenfenster hat - damit er genau die 11,7 Zentimeter runterkurbeln kann, die's braucht, um den Verbandskasten durchzuschieben, wenn die Polizei kontrolliert. Die Polizisten, "die wer'n freiwillig richtige Drecksäu", machen "Lehrgänge im Bledwer'n, bloß damit se an klana Kiffa dawisch'n."

Manchmal hat man das Gefühl, daß Söllner nicht einfach bloß er selbst ist, sondern Gefangener des Söllner-Kults. Er hat halt einen Ruf, und die Leute haben bezahlt, daß er dem gerecht wird, der wuide Hund.

Aber als er nach der Pause auf die Bühne zurückkommt, während das Hallenlicht noch an und erst die Hälfte der Leute aus dem Foyer wieder drinnen ist, da zeigt er seine andere Seite; die Seite, die nicht bloß dagegen ist - gegen die Polizei, gegen die Großkopfeten; die Seite, die dafür ist - für ein selbstbestimmtes, unentfremdetes, liebevolles Dasein; die Seite, die Zeilen aus der Luft pflückt wie: "Schau her, do geht die Sonne auf, und mit a bißle Phantasiiiieee scheint's heit bloß für Di". Er singt erdige Liebeslieder in kunstvoller Volksliedschlichtheit: "Drah de a weng hin, drah de a weng her, setz di a weng drauf auf mi, jo, des is schee."

Seinen grotesken Kampf gegen die Macht bricht er in einem herrlichen Monolog - er schwärmt vom Onanieren und erzählt, wie die Polizei jetzt bestimmt empört tuschele: "Der bringt ja die Leut' zum Wichs'n! Der wiegelt die auf!" Aber Söllner steht da drüber. Er hat sich kurz vorher "oan obegholt" und ist nun "die Ruhe selbst". Er weiß, er ist glücklicher als die, die ihn schikanieren. Er ist bei sich zu Hause.

Söllner und das Recht, auf sich selber aufpassen zu dürfen

Manche sagen, es genüge nicht, frei "von" etwas zu sein, produktiv sei nur die Freiheit "zu" etwas. Der Söllner-Hans aber prägt an diesem Abend den schönen Satz: "Es geht mir um meine Freiheit, frei zu sein." Und erzählt, wie er sich einmal rumstritt mit einer Richterin wegen seiner Kifferei. "Ich hab zum Beispiel ein Auto gerichtet heut", sagte er zu ihr, "und was haben Sie gerichtet, wenn Sie Richterin heißen? Ist irgendwas heiler heut abend wegen Ihnen?" Und er erklärte ihr, daß er mit Marihuana umgehen kann und keinen Alkohol trinkt, weil er davon einen "dicken Hals vor lauter Spei'n" kriegt, daß die Richterin sich "um mich keine Sorgen machen" solle, "ich paß schon auf mich auf."

So ist er - ordinär und würdevoll, stammtischig und tiefsinnig, kindisch und weise, freiheitswütend und lebensgeil. Mit dem Mann braucht man kein Interview mehr zu machen. Der hat genug erzählt.




[Hans Soellner]
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