Versammlungsrecht

Übersicht:

  1. Anwendungsbereich des VersG
  2. Verhältnis zwischen VersG und PAG
  3. Versammlungsauflösung (§ 15 VersG)
  4. Insbesondere: Spontan- und Eilversammlungen
  5. Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 21 ff. VersG)

1. Anwendungsbereich des VersG

a) Personaler Anwendungsbereich: Während das Grundrecht aus Art. 8 I GG nur Deutschen zusteht, ist die Versammlungsfreiheit jedoch einfachgesetzlich auch für Ausländer gewährleistet (§ 1 I VersG, aber mit Einschränkungsmöglichkeit in § 37 AuslG). Lediglich der grundrechtliche Schutz für Ausländer ergibt sich aus Art. 2 I GG, nicht aus Art. 8 GG.

b) Sachlicher Anwendungsbereich: Das VersG gilt für alle öffentlichen Versammlungen. Der Versammlungsbegriff deckt sich mit dem in Art. 8 I GG. Eine Versammlung ist öffentlich, wenn die Teilnahme nicht auf einen namentlich oder sonst individuell bezeichneten Personenkreis beschränkt ist, sondern grds. jedermann teilnehmen kann.
Auf die Friedlichkeit der Versammlung kommt es für die Anwendbarkeit des VersG nicht an.
Besonderheiten gelten bei den sog. Spontan- und Eilversammlungen.

c) Zeitlicher bzw. räumlicher Anwendungsbereich: Das VersG gilt jedenfalls für die Teilnahme an und die Veranstaltung von Versammlungen. Str. ist, inwieweit auch die Anreise zu Versammlungen bereits davon erfaßt ist (sog. Vorfeldmaßnahmen): Sofern bereits die Anreise (wegen einer gemeinsamen Meinungsäußerung) die Voraussetzungen des Versammlungsbegriffes erfüllt, ist die Anwendbarkeit des VersG unproblematisch.
Ist dies nicht der Fall, so kommt es nach h.M. darauf an, ob die Verhinderung der Anreise gleichzeitig die Verhinderung der Teilnahme an der Versammlung bewirkt. Dann liegt nämlich mittelbar ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit vor (BVerfGE 69, 315, 349 - Brokdorf), so daß das VersG anwendbar sein muß.

2. Verhältnis zwischen VersG und PAG

Grundsätzlich ist das VersG speziell gegenüber dem PAG, d.h. im Rahmen des Anwendungsbereichs des VersG ist das PAG verdrängt.

Bei den sog. Vorfeldmaßnahmen ist danach zu differenzieren, ob die polizeilichen Maßnahmen "nur" allgemeinen Gefahren vorbeugen möchte (dann PAG) oder ob die Maßnahmen unmittelbar versammlungsbezogene Wirkung hat (dann VersG). Grund hierfür ist, daß das VersG die durch Art. 8 I GG gebotene Privilegierung der Versammlungen gegenüber dem allgemeinen Polizeirecht umsetzt und daher im Schutzbereich des Art. 8 I GG anzuwenden ist.

Im Rahmen von Versammlungen sind daher nur die Spezialbefugnisse des VersG einschlägig, insbesondere die Erteilung von Auflagen nach § 15 I VersG, Auflösung nach § 15 II iVm. 18 I, 13 II VersG, Ausschluß von Teilnehmern nach § 18 III VersG.

Da das VersG jedoch keine Regelungen über Zwangsmaßnahmen enthält, richtet sich die zwangsweise Durchsetzung der versammlungsrechtlichen Maßnahmen nach den allgemeinen Regeln des PAG über polizeiliche Zwangsmaßnahmen.

3. Versammlungsauflösung (§ 15 II VersG)

Nach § 15 II VersG können Versammlungen aufgelöst werden, wenn

Jedoch ist dabei zu beachten, daß die Auflösung einer Versammlung das Grundrecht der Beteiligten aus Art. 8 GG besonders stark einschränkt. Sie muß daher ultima ratio bleiben und ist daher gegenüber Auflagen das mildere Mittel und daher subsidiär.

Zudem ist - gerade bei Gewalttätigkeiten aus der Versammlung heraus - zunächst gegen die unmittelbar Handlungsverantwortlichen vorzugehen (etwa im Wege eines Ausschlusses nach § 18 III VersG), und eine Auflösung der übrigen (friedlichen, d.h. nicht verantwortlichen) Versammlung nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Art. 11 PAG) zulässig (BVerfGE 69, 315, .360 f.).

4. Spontan- und Eilversammlungen

5. Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 21 ff. VersG)

Die §§ 21 VersG enthalten eine Reihe von Straf- und Bußgeldvorschriften für Zuwiderhandlungen gegen Normen des VersG. Problematisch ist insbesondere § 26 VersG (Nr. 1: Fortführung einer aufgelösten Versammlung; Nr. 2: Durchführung einer Versammlung ohne Anmeldung) und § 29 Nrn. 1, 2 VersG (Teilnahme an einer aufgelösten oder verbotenen Versammlung):

§ 26 Nr. 2 VersG ist jedenfalls für Spontan- und Eilversammlungen verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß er nur dann greift, wenn tatsächlich eine Anmeldepflicht bestand.

Bei §§ 26 Nr. 1, 29 Nrn. 1, 2 VersG ist problematisch, ob es ausreicht, daß die Auflösung der Versammlung wirksam war, oder deren Rechtmäßigkeit erforderlich ist. Nach der Rspr. des BVerfG kommt eine Bestrafung nur bei rechtmäßiger Versammlungsauflösung in Betracht, da die Polizei sonst durch rechtswidrige - aber wirksame - Versammlungsauflösungen einen derartigen Druck auf die Versammlungsleiter ausüben könnte, daß sie ihre Versammlungsfreiheit nicht mehr nutzen könnten. Hinzu kommt, daß im Straf- oder Bußgeldverfahren die Rechtmäßigkeit der Auflösung - anders als bei deren Vollziehung - ohne weiteres überprüfbar ist (Pieroth/Schlink Rn. 781).

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