HOCHBURG: Der wachsende amerikanische Appetit auf Drogen stürzt nach Kolumbien nun auch die Drogenhochburg Mexiko zunehmend ins Chaos. Immer noch suchen die USA die Schuld an der Drogenmisere nur auf der Anbieterseite. Nach altem, erfolglosem Muster wird der Drogenkrieg mit 16 Milliarden Dollar neu angeheizt.
Als Bürgermeister der Grossstadt Baltimore kämpft Kurt Schmoke beim amerikanischen Krieg gegen Drogen in vorderster Front. Er hat die Crack-Epidemie der achtziger Jahre erlebt, jetzt kann Schmoke den rasanten Anstieg des Marihuana-Konsums in seiner Stadt beobachten. Sein Fazit: «Ich glaube, der Krieg gegen Drogen richtet mehr Schlechtes als Gutes an.» Schmoke steht beileibe nicht allein mit diesem vernichtenden Urteil, eine rationale Debatte über Sinn und Unsinn der amerikanischen Drogenpolitik jedoch erweist sich nach wie vor als Ding der Unmöglichkeit.
16 Jahre nach dem Beginn des zweiten amerikanischen Kriegs gegen Drogen - Richard Nixon führte den ersten - und nach Kriegskosten von 150 Milliarden Dollar erlebt Marihuana unter jungen Amerikanerinnen und Amerikanern ein rasantes Comeback, steigt der Heroinverbrauch und sind Crack- wie Pulver-Kokain überall erhältlich. Hinzugekommen sind neue Versuchungen wie Methamphetamine oder die Modedroge Ecstasy. 400 000 Bürger sitzen wegen Drogenvergehens in US-Gefängnissen ein, die Kriminalisierung des Drogenkonsums zwingt Bund, Staaten und Kommunen zum Bau von immer mehr Zellen.
Doch während die Nachfrage nach Marihuana unter US-Schülern auf Rekordhöhe geklettert ist, bleibt die amerikanische Diskussion befangen in Klischees und Realitätsferne. Nach neuen Wegen aus der Drogenmisere wird anderswo, vornehmlich in Europa, gesucht, indes amerikanische Drogenbürokraten und Politiker weltweit in die längst verlorene Schlacht ziehen. Vorige Woche ritten die Kreuzzügler Richtung Rio Grande: Nachdem Präsident Clinton Ende Februar in einem alljährlichen Ritual Mexiko wider besseres Wissen, jedoch aus Furcht vor wirtschaftlichen Konsequenzen eine saubere Weste beim Drogenkrieg bescheinigt hatte, verweigerte der auswärtige Ausschuss des Repräsentantenhauses vor Wochenfrist den Persilschein.
Clintons Unbedenklichkeitserklärung, wonach Mexiko trotz aller Schwächen ein tapferer Alliierter im Drogenkrieg sei, nannte der republikanische Senator Jesse Helms, der mächtige Vorsitzende des Senatskomitees für internationale Angelegenheiten, «einen Betrug». Eine Mehrheit im Kongress denkt wie Helms, nicht auszuschliessen ist deshalb, dass der mexikanischen Regierung vom Kongress bescheinigt werden wird, was unbestreitbar ist: Mexiko ist zu einer Hochburg der Drogenhändler geworden, Marihuana, Methamphetamine und Kokain gelangen in Rekordmengen über den Rio Grande in die Vereinigten Staaten.
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