Geachtet auch vom Gegner.
PORTRAETIERT
Pino Arlacchi, Italiens erfahrenster Experte fuer organisierte Kriminalitaet, soll kuenftig von der UNO-Behoerde in Wien aus den internationalen
Kampf gegen Drogenhandel und -konsum fuehren. Als Leiter des "United Nations Drugs Control Programm" (UNDCP) wird er zugleich einer der
Vize-Generalsekretaere der UNO, also auch Vertreter von Kofi Annan.
Damit zeigt sich neuerlich, dass sich die italienische Politik und Diplomatie sehr ins Zeug legen, wenn es um Wuerden und Vorteile fuer
Landsleute geht. Regierungschef Romano Prodi hat monatelang nachgeholfen, um gegen starke Konkurrenz dem umgaenglichen 46jaehrigen gebuertigen
Sueditaliener aus Calabrien den Karrieresprung an die Spitze eines Amtes mit tausend Mitarbeitern moeglich zu machen. Dabei hatte der
Professor fuer angewandte Soziologie (nach Lehrauftraegen im sardischen Sassari und an der Columbia-Universitaet von New York
zuletzt an der Universitaet Florenz) im vergangenen Jahr offensichtlich mit einem Karriereknick schwer zu kaempfen.
Als der Vorsitz der parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission zu vergeben war, war wie selbstverstaendlich die Ernennung des bisherigen
Vize-Vorsitzenden und Senators Pino Arlacchi, der der ex-kommunistischen PDS angehoert, angesichts seiner jahrzehntelangen einschlaegigen
Arbeit und vielen Buchveroeffentlichungen erwartet worden. Doch seine eigene Partei versagte ihm damals aus internen
Ruecksichten auf die Olivenbaum-Koalition die Unterstuetzung und verhalf dem einstigen Gewerkschafts- und Sozialistenfuehrer, Senator
und Freizeitmaler Ottaviano Del Turco zu der angesehenen und wichtigen Buerde.
Vor der entscheidenden Abstimmung verliess Arlacchi still das Parlament - eine Demonstration seiner tiefen Enttaeuschung.
Arlacchi kennt sein neues Amt in der oesterreichischen Hauptstadt schon lange. 1984 kam er mit seinem Freund, dem acht Jahre spaeter
ermordeten sizilianischen Untersuchungsrichter Giovanni Falcone, nach Wien, um dort vor UNO-Gremien das italienische Gesetz vorzustellen,
nach dem der Besitz von Rauschgiftdealern und anderen Verbrechern beschlagnahmt werden kann. Dieses Modell haetten inzwischen mehr als
fuenfzig Laender uebernommen, erzaehlt der neue Drogen-Behoerdenchef zufrieden. Er ist davon ueberzeugt, dass das, was er in Calabrien
ueber den Zusammenhang zwischen Mafia, Arbeitslosigkeit und Unterentwicklung beobachtet hat, dort genau so gilt wie in Kolumbien,
Hongkong oder Mailand. In Interviews zeigte sich Arlacchi, der mit seinen Studien Einfluss auf die Fahndungsarbeit der Polizei und auf
die Gesetzgebung gehabt hat, stolz darueber, dass er das UNO-Drogenkontrollprogramm nicht nur verwalten, sondern neu organisieren soll.
UEber die Aufgabe, eine ganz enge Verbindung mit den Bueros und Programmen gegen Drogen, sonstige Kriminalitaet und Terrorismus
herbeizufuehren, sei er mit Kofi Annan von Anfang an einig gewesen. Ausserdem seien "ganz neue Horizonte und Arbeitsfelder"
in den Bereichen Geldwaesche und Korruption zu oeffnen. Nach seinen Erfahrungen duerfte es ihm nicht schwerfallen, solche Boegen
zu schlagen. In seinem Buch "Der Prozess" legt Arlacchi gruendlich die Hintergruende fuer das Verfahren gegen Ex-Ministerpraesident
Andreotti wegen Mafia-Mittaeterschaft dar. Dieser selbst, der seit September 1995 Angeklagter in Palermo ist, aeussert sich anerkennend
ueber Arlacchi: "Ich muss bekennen, dass ich zusammen mit dem Groll wegen seiner haeufigen Attacken gegen mich einen Grund fuer
Dankbarkeit ihm gegenueber habe." Und zwar, weil Andreotti aus den Untersuchungen des Soziologen und politischen Gegners viel ueber die
sizilianische Mafia, die Cosa nostra, gelernt hat. ROMAN ARENS
PINO ARLACCHI (46), bisher Senator fuer die PDS in Rom, hat seit Jahrzehnten in Italien die Mafia und das organisierte
Verbrechen bekaempft. Jetzt soll er von der UNO-Behoerde in Wien aus den internationalen Kampf gegen Drogenhandel und -konsum leiten.
Foto: Andreas Schoelzel
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