Landwirte an der Wertschöpfung beteiligen 


 
 
 
 
 
? Ich erinnere mich noch gut an das Schicksal des Flachs in unserer Region - erst Euphorie, dann Ernüchterung. Wird es dem Hanf in Weser - Ems nicht ähnlich gehen? 

Grashorn: Die Vermarktungsmisere beim Flachs ist uns ein mahnendes Beispiel. Deshalb wollen wir das Pferd von der anderen Seite aufzäumen. Wir schauen erst einmal, was wir im Markt unterbringen können. Wir bauen keine teure Aufbereitungsanlage, für die dann gleich 2.000 Hektar angebaut werden müssen, damit sie sich rechnet. 

Der Hanfanbau und seine Vemmarktung stecken in Niedersachsen noch in den Kinderschuhen, so daß noch eine Menge an Pionierarbeit erforderlich ist, um diese Pflanze sowohl in der Landwirtschaft als auch beim Verbraucher zu etablieren. Dennoch bin ich zuversichtlich, daß wir uns mit unseren Produkten am Markt einen Platz sichern werden. 

Anbau: "Langfristig sind 200ha - Areale günstig" 

? Welche Ziele verfolgt die neugegründete HVG Hanfprodukt Nordwest GmbH und Co KG? 

Grashorn: Die HVG Hanfprodukt Nordwest hat sich zur Aufgabe gemacht, Hanfflächen unter Vertrag zu nehmen und aus dem Hanfstroh Produkte zu entwickeln, die gut vermarktet werden können. Dabei ist es uns wichtig, daß unsere Landwirte möglichst an der Wertschöpfungskette beteiligt werden. Das heißt, daß sie z. B. an dem Grobaufschluß der Faser, der zu einem höherwertigen Produkt führt, Anteil haben. 

Wir wollen die Hanffaser nicht in einer teuren stationären Anlage aufschließen, sondern möglichst feldnah. Erste Versuche der Landwirtschaftskammer Weser - Ems in Zusammenarbeit mit Lohnunternehmern und Landwirten in Weser - Ems zeigen, daß dies sogar mit landwirtschaftsnaher Technik möglich ist. Allerdings muß diese Technik noch modifiziert werden. 

? Versteht sich die HVG · Hanfprodukt Nordwest als Gegengewicht zu der niederländischen Hanfverarbeitungsfirma HempFlax aus Oude Pekela, die in diesem Jahr schon 600 Hektar Hanf überwiegend im Emsland unter Vertrag nehmen will? 

Grashorn: Wir sehen uns weder als Gegengewicht noch als Konkurrent zur HempFlax. Wir werden in Weser - Ems in anderen Regionen tätig als die HempFlax es Augenblicklich tut. Der Anbau von Hanf wird sich schon aus Transportgründen immer um eine Faser-Aufschlußanlage konzentrieren müssen. 

Unser Schwerpunkt wird zunächst im Raum Wittmund und Südoldenburger Raum liegen, wo wir Flächen unter Vertrag nehmen werden. Weiterhin schließen wir in Kooperation mit der Landberatung Niedersachsen in Hannover Anbauverträge mit Landwirten im Raum Uelzen. 

Wir verstehen uns nicht als Konkurrent zu den anderen Anbauorganisationen, die in Niedersachsen tätig sind. Wir streben eine Abstimmung mit diesen Organisationen an. Von den möglichen Hanfanbauflächen in Niedersachsen könnten theoretisch drei Aufbereitungsanlagen versorgt werden. 

Aufbereitung: "Wir wollen die Landwirte am Faseraufschluß beteiligen" 

? Auf welche Produkte will sich die HVG Hanfprodukt Nordwest konzentrieren? 

Grashorn: Die Hanfpflanze besteht zu 70 Prozent aus den sogenannten Schäben. Sie sind kein wertloses Abfallprodukt. Im Gegenteil, sie müssen und können gut vermarktet werden. Der Markt für Hanfschäben ist zur Zeit sehr aufnahmefähig. Hanfschäben werden größtenteils als Pferdeeinstreu verwendet, da sie keine Allergien auslösen, wie z. B. der Staub vom Stroh. Die Vermarktung läuft im wesentlichen über die Genossenschaften oder direkt an Pferdeställe. Die Schäben sind deutlich teurer als Stroh. 

Bei der Hanffaser konzentrieren wir uns zunächst auf Vliese und Filze. Hier sind schon ein paar Vorversuche mit unserer aufgeschlossenen Hanffaser bei verschiedenen Verarbeitern gelaufen. Diese Versuche haben gezeigt, daß wir in der Lage sind, ein marktfähiges Produkt zu erstellen. Interesse an unserer Faser zeigt ein Hersteller von Vliesen und Filzen in Mecklenburg - Vorpommern, der keine eigene Faser - Aufbereitung hat, und ein Geotextilhersteller in Twistringen. 

Ein drittes Standbein könnten die Dämmstoffe werden. Hier sind wir aber noch am Anfang. 

Allgemein ist der Markt für die Hanffaser sehr eng. Es ist nicht so, daß man auf uns gewartet hätte. Wir müssen mit der Faser auf dem Weltmarkt konkurrieren. Das geht nur über den Preis bzw. die Qualität. Die stationären Aufbereitungsanlagen, wie z. B. im rheinland - pfälzischen Malsch, erzeugen die Hanffaser noch zu teuer. 

? Welchen Flächenumfang strebt die HVG - Hanfprodukt an? 

Grashorn: In diesem Jahr werden es zunächst 130 bis 150 Hektar in Weser-Ems sein. Diese Fläche haben wir größtenteils schon sicher. Sie liegen überwiegend im Wangerland, Kreis Friesland. Langfristig brauchen wir Anbauareale von rund 200 Hektar Größe, damit sich die Installation der mobilen Faser - Aufbereitung, z. B. in einer vorhandenen Halle, lohnt. Wir werden versuchen, über Maschinenringe und Lohnunternehmen Landwirte zu gewinnen, die sich zu solchen Anbaugebieten zusammenschließen. 

Fasermarkt: "Man hat nicht gerade auf uns gewartet" 

Bevorzugt wird der Hanf wahrscheinlich in den reinen Ackerbaugebieten stehen, auch wenn z. B. der Küstenstreifen aus klimatischen Gründen, den Trocknungsproblemen im Herbst und wegen der schweren Marschböden für den Hanf nicht ganz so optimal ist. Der Hanf paßt ebenso gut auch auf leichtere Standorte. 

? Wer ist Mitglied der HVG Hanfprodukt Nordwest! 

Grashorn: Gegründet wurde die Gesellschaft von sechs Mitgliedern. Dazu gehören Landwirte, die sich zuvor auch schon in der Hanf-Interessenqemeinschaft Wangerland engagiert haben. Weiterhin gehört dazu die Agrodienst GmbH, ein Zusammenschluß der drei Maschinenringe Wildeshauser Geest, Oldenburger Geest und Delmenhorst Geest, sowie der Bekleidungsfabrikant Andreesen aus Wittmund. 

Mit dem Oldenburgisch - Ostfriesischen Wasserverband, der am Hanfanbau in Wasserschutzgebieten interessiert ist, und der Niedersächsischen Landberatung in Hannover sind wir eine Kooperation eingegangen. Das Institut für Pflanzenbau und Pflanzenschutz der Landwirtschaftskammer Weser - Ems berät unsere Anbauer in pflanzenbaulichen und anbautechnischen Fragen. 

Wir haben bewußt die Form der GmbH und Co KG gewählt, damit weitere Kommanditisten dazukommen können. Wir wünschen uns, daß weitere Landwirte Mitglied in der HVG Hanfprodukt Nordwest werden. Sie müssen in Abhängigkeit von ihrer Anbaufläche einen bestimmten Beitrag in die Gesellschaft leisten. Alle Mitglieder werden bei erfolgreicher Vermarktung der Produkte an dem Gewinn der Gesellschaft beteiligt. So bleibt die Wertschöpfung aus dem Hanfanbau in der Landwirtschaft und in unserer Region. 

? Wie wollen Sie den Anbau regeln? 

Grashorn: Wir machen mit allen Anbauern einen Anbauvertrag und wollen den Anbauumfang über Kontingente regeln. Da wir noch in der Phase der Produktentwicklung stecken, ist es schwierig, jetzt schon feste Preise für das Hanfstroh zu nennen. Wir sind aber daran interessiert, daß dieser Preis für unsere Anbauer attraktiv ist. 

? Die EU plant nach wie vor für das Haushaltsjahr 1997/98 eine Kürzung der 
Hanfprämie um 7,5 Prozent. Ist die Abhängigkeit von dieser öffentlichen Förderung nicht kritisch zu sehen? 

Grashorn: Nach meinen neuesten Informationen wird die Prämie in diesem Jahr noch bei 1.510 DM/ha bleiben. Für diese Prämie müssen die Landwirte und Abnehmer aber einen hohen bürokratischen Aufwand leisten. 

Erschwerend kommt hinzu, daß wir für dieses Anbaujahr immer noch nicht die genauen Anbaubedingungen kennen. Auch der Saatgutmarkt bleibt entgegen mancher Erwartungen in diesem Jahr angespannt, weil nur französische Sorten zugelassen werden. Dadurch kommen auf die Landwirte schon alleine für Saatgut Kosten von ca. 450 DM/ha zu. 

Ganz negativ für unseren Raum sind aber die EU-Auflagen bezüglich des Erntezeitpunktes. Es darf erst geerntet werden, wenn 50 Prozent der Samen reif sind. Dadurch sind bei uns die Hanfflächen erst ab Mitte September bis in den Oktober hinein geerntet worden. Da bekommen wir schon erhebliche Probleme, das Hanfstroh trocken in den Ballen zu pressen. 

Hier scheint es vorerst aus Brüssel auch keine Lockerung zu geben. Die Niederländer haben sich im letzten Jahr eine Ausnahmegenehmigung für eine vorgezogene Ernte geholt. Jetzt müssen sie dafür um den Verlust der gesamten Prämie fürchten. 

Wir sind natürlich im Hanfanbau stark von der Prämie abhängig. Wenn die öffentlichen Subventionen zurückgehen sollten, muß der Hanfanbau für die Landwirte durch eine höhere Wertschöpfung attraktiv bleiben. Das kann er nur, wie schon gesagt, wenn die Landwirte 
am Faseraufschluß beteiligt werden. Dazu ist eine Verarbeitungs- und Vemmarktungsorganisation wie die HVG Hanfprodukt Nordwest notwendig. 

Herr Grashorn, vielen Dank für das Gespräch!  
Kt 
 
 
 
Zur Person 

Cord Grashorn, 40 Jahre alt, ist Landwirtssohn aus Kirchhatten. Mehrere Jahre war er als Elektroingenieur tätig bevor er mit dem Studium der Politikwissenschaften begann. In den letzten Jahren seines Studiums hat sich Grashorn bereits mit Hanf beschäftigt. Auf seinem elterlichen Betrieb wurden erste Erfahrungen mit dem Hanfanbau gesammelt sowie Verwertungsmöglichkeiten ausgelotet. Im Mai 1996 nahm er Kontakt zu den anderen "Hanfpionieren" aus Friesland auf. In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe wurde die Unternehmensgründung der HVG Hanfprodukt Nordwest, deren Geschäftsführer er heute ist, vorbereitet.
 

Für weitere Fragen 

Die HVG Hanfprodukt Nordwest hat ihr Büro in den Räumen der Agrodienst GmbH in Huntlosen bezogen. Die genaue Anschrift lautet: 

HVG Hanfprodukt Nordwest GmbH und Co KG, Bahnhofstr. 82 
26197 Huntlosen 
Tel. 0 44 87/92 85-0 

Für weitergehende Fragen steht dort Geschäftsführer Cord Grashorn zur Verfügung.

Landwirtschaftsblatt Weser-Ems Nr. 14 vom 4. April 1997

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