Wirkungsweise
Lange Zeit war unklar, ob Cannabinoide wie
etwa Alkohol und Kokain unspezifisch auf Zellfunktionen einwirken oder
wie die Opiate und Benzodiazepine spezifisch über spezielle Bindungsstellen
auf den Zelloberflächen, sogenannten Rezeptoren. Man weiß nun
seit einigen Jahren, daß die meisten Wirkungen der Cannabinoide durch
die Imitation körpereigener Substanzen (Anandamide)
zustande
kommen, die physiologisch an spezielle Rezeptoren auf der Oberfläche
bestimmter Zellen binden. Den Zellen werden so Signale übermittelt,
die in der Zelle verschiedene Prozesse in Gang setzen.
1987 wurde von Howlett und Mitarbeitern von der Medizinischen
Fakultät der Saint Louis Universität in Missouri/USA auf dem
Cannabis-Symposium in Melbourne erstmals demonstriert, daß einige
Cannabiswirkungen rezeptorvermittelt sind. 1988 gelangen Devane, Howlett,
Melvin und Johnson schließlich der direkte Nachweis eines Cannabinoid-Rezeptors
im Rattenhirn. Dann wurden auch bei den meisten anderen Säugetieren
und beim Menschen Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn nachgewiesen. Später
wurde neben dem Rezeptor im Gehirn (CB1-Rezeptor) ein weiterer Cannabinoid-Rezeptor-Typ
auf Immunzellen der Milz entdeckt (CB2-Rezeptor). 1992 wurden körpereigene
Substanzen, die spezifisch an diese Rezeptoren binden, nachgewiesen. Sie
werden Anandamide genannt, nach „Ananda", einem Wort aus dem Sanskrit,
das soviel bedeutet wie „Glückseligkeit".
Über die physiologische Funktion der Anandamide, von denen bisher
drei Typen bekannt sind, weiß man bisher wenig. Besonders hohe Konzentrationen
der CB1-Rezeptoren im Kleinhirn und in bestimmten Hirnkernen (Basalganglien)
des Gehirns stimmen mit den Effekten von Cannabinoiden auf die Bewegungskoordination
überein, mittlere Verteilungen im limbischen System weisen auf einen
Bezug zu Stimmung, Wahrnehmungsmodulation und Emotionen hin. Der Hippocampus
spielt eine Rolle bei der Kodierung sensorischer Informationen und beim
Gedächnis. Hohe Konzentrationen im Riechkolben (Bulbus olfactorius)
bieten darüber hinaus eine Erklärung für die Beeinflussung
von Geruchs- und Geschmacksinn. Die geringe Konzentration im verlängerten
Mark (Medulla oblongata) ist vermutlich die Ursache für das Fehlen
tödlicher Komplikationen von Marihuana. Im verlängerten Mark
finden sich Regulationszentren für elementare Lebensfunktionen wie
Atmung und Kreislauf. Diese Funktionen werden offenbar auch bei sehr hohen
Cannabinoidkonzentrationen nicht lebensgefährdend beeinträchtigt
(siehe: Unerwünschte
Wirkungen).
Neben den pflanzlichen Cannabinoiden und den Anandamiden sind heute weitere
Substanzen bekannt, die diese Rezeptoren stimulieren. Auch Cannabinoid
- Rezeptoren - Blocker wurden beschrieben. Die natürlichen Cannabinoide
lassen sich heute auch künstlich herstellen. Durch Abwandlung der
Molekülstruktur wurden in den vergangenen Jahrzehnten auch synthetische
Cannabinoide entwickelt, darunter das bisher in Deutschland als einziges
Cannabinoid nach der Anlage III des BtMG rezeptierbare Nabilon (siehe:
Behandlungsmöglichkeiten).
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