Cannabis als Medizin
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Erfahrungsbericht „Multiple Sklerose"


geb. 1962, männlich.

Ich schreibe wieder mal im Anschluß an einen Ausflug nach Cortison-Valley (5 Tage lang 32 mg Fortecortin bzw. Dexamethason). Ich legte die 5 Tage ein, da ich nicht mehr sicher sagen kann, ob mein Widerstandswille gegen die MS abnimmt oder die MS sich intensiviert. Mit dem Entzündungshemmer Cortison habe ich nach wie vor ein halbwegs sicheres Gefühl.

Die MS trat (?) erstmals mit 18 Jahren auf und äußerte sich mit Taubheitsgefühlen der unteren Extremitäten bzw. Lähmungserscheinungen, Körperfremdgefühlen. Die Stärke der Symptomatik variiert wahrscheinlich in Abhängigkeit vom psychischen Gesamtzustand. Turnusmäßig erscheinen etwa alle 3-6 Monate krankheitsintensiviere Zeiten. In den letzten 3-4 Jahren sind immer mehr Restrelikte der einzelnen MS-Schübe hängengeblieben, so daß das „Normal-Null" meiner heutigen Existenz völlig anders ist. Beispielshaft sei ein neu entstandener Entmarkungsherd auf Höhe des 3. Halswirbels mit einem Durchmesser von 8 mm erwähnt. Dieser Fleck veränderte dauerhaft (im wahrsten Sinne des Wortes) mein Körpergefühl. Körpertaubheit, wie eingeschlafen, von den Schultern abwärts, ist seitdem mein Gefühl, schnelle Erschöpftheit die Folge. Durch eine linksseitige Sehnervenentzündung verlor ich 80% der linken Sehfähigkeit mit Sehfeldausfällen. Muskelspastik in den Waden gehört zur Dauersymptomatik.

Ich lebe seit 2,5 Jahren die Fischöl-Ernährungsumstellungs-Therapie nach Dr. Uwe Fratzer, Kirchheimbolanden. Ansonsten habe ich bisher zur Entzündungshemmung Cortison-Präparate eingenommen.

Ich rauche Cannabis, seltener esse ich kleine Mengen. Die Gesamtdosis ist geringer geworden. Da ich nicht mehr so fit bin, habe ich auch schneller genug Input. Ich rauche keine Zigaretten, benutze den Tabak nur als Trägermaterial für Cannabis. Nicht täglich, aber fast. Dann einen bis etwa vier Joints. Ich versuche erst am späten Nachmittag zu beginnen, dieser Vorsatz gelingt allerdings nicht immer, aber eigentlich fast immer. Ich bin halt psychisch abhängig. Der wichtigste unerwünschte Nebeneffekt für mich ist das in Mitleidenschaft gezogene (wieder im wahrsten Sinne des Wortes) Kurzzeitgedächnis. Mann und Frau schweift gedanklich doch sehr ab. Aber ich mag das eben. Die Unterschiede zwischen den Phasen des Cannabiskonsums und den „freien" Zeiten können ganz klar als leistungswilligere und leistungsfähigere Zeiten eingeordnet werden. Wegen dieses Wissens habe ich zum Beispiel einfach so von einem auf den anderen Tag ein halbes Jahr vor dem Beginn meiner Diplomarbeit aufgehört zu „kiffen", um zu „entgiften" und einen klaren Kopf zu haben. Ich hatte etwa eine Woche Einschlafprobleme milderer Natur, sonst nichts. Keine physischen Schwierigkeiten, keine MS-Intensivierung. Wenn ich mich recht erinnere.

Erstmals Kontakt mit Cannabis hatte ich erst nach dem ersten MS-Schub.

Warum ich Cannabis rauche? Wegen der Psyche. Nicht zwingend täglich, aber fast.

Das durch die MS in Mitleidenschaft gezogene Gleichgewichtsfeeling wird durch Cannabis nicht verbessert.

Auch nach 15 Jahren Konsum habe ich nicht das Gefühl, daß ein Gewöhnungsprozeß zu spüren ist. Ob ich profitiert habe? Na klar doch. Medizinisch keine Ahnung.

Meine Ärzte sind eingeweiht, verhalten sich allerdings unterschiedlich, der eine ist Gutachter für die staatsanwaltschaftliche Seite, die anderen haben keine Ahnung oder paffen selbst. Die gesamte Bandbreite also. Ich selbst habe noch keine Justiz-Probleme, allerdings mein jüngerer Bruder. Bewährungsstrafe wegen Handel mit Hasch. Ist auch schon länger vorbei.
 


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