Arbeitsgemeinschaft Cannabis
als Medizin
Argumente und Initiativen für
eine Verwendung von Hanfprodukten zur Krankenbehandlung
Einladung zur Gründungsversammlung am 12.
April 1997
Die Arbeitsgemeinschaft Cannbis als Medizin setzt sich für
die Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Nutzung der Hanfpflanze (Cannabis
Sativa L.) und deren wichtigsten pharmakologischen Inhaltsstoffen, den
Cannabinoiden, für therapeutische Zwecke ein. Die Arbeitsgemeinschaft
Cannabis als Medizin lehnt es ab, daß Patienten, die heute Cannabis
zu Heilzwecken verwenden wollen,
· ihre Medizin auf dem illegalen Markt besorgen müssen, ·
einen durch die Prohibition überteuerten Preis zahlen müssen,
· möglicherweise verunreinigte Produkte verwenden müssen,
· kriminalisiert werden
Hanf (Cannabis Sativa) hat eine sehr lange Geschichte medizinischer Verwendung,
vor allem im fernen und mittleren Osten. In der westlichen Medizin des
19. Jahrhunderts wurden drogenhaltige Hanfpräparate eingesetzt bei
Schmerzen und Migräne, bei Krampfzuständen und Epelepsie, bei
Menstruationsbeschwerden und zur Geburtsunterstützung, bei Magenbeschwerden
und Appetitlosigkeit, bei Unruhe und Schlaflosigkeit. In den medizinischen
Fachzeitschriften der USA und Westeuropas erschien zwischen 1840 und 1900
mehr als 100 Fachartikel über den medizinischen Einsatz von Cannabis.
Heute sind diese Erfahrungen nahezu vollständig verloren gegangen.
Die Cannabinoide wurden erst Mitte des 20. Jahrhunderts identifiziert.
Bis dahin konnten nur Präparate von erheblicher Variabilität
in der Stärke und damit von großer Unzuverlässigkeit hinsichtlich
der erwünschten Wirkung verwendet werden. Cannabis war in dieser Hinsicht
den nunmehr entwickelten synthetischen Medikamenten unterlegen. Hinzu kam
die weltweite rechtliche Gleichstellung mit Opiaten und Kokain und die
Einstufung als Betäubungsmittel. Eine vor allem in den USA geführte
und auf unzutreffende Behauptungen basierende kampagnenartige Dämonisierung
als "Mörderdroge" erschwerte auch die therapeutische Verwendung und
die medizinische Forschung. Zu Anfang der 70er Jahre wurde Cannabis in
Deutschland als nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel eingestuft,
was die medizinische Verwendung völlig ausschloß.
Natürliche Drogenhanfprodukte wie Marihuana (Cannabiskraut) und Haschisch
(Cannabisharz) werden heute vor allem als Rauschmittel wahrgenommen. Die
Öffentlichkeit wird oft fehlinformiert und mit dem Schreckgespenst
der Einstiegsdroge für Heroin verunsichert.
Mit der Strukturaufklärung des pharmakologisch wichtigsten Inhaltsstoffes
der Hanfpflanze, dem THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol), in den 60er Jahren
erhielt die Cannabisforschung neuen Aufschwung. Die vergangenen Jahre führten
zu bahnbrechenden Erkenntnissen über die Wirkungsweise der Cannabinoide.
So konnten 1988 erstmals spezifische Bindungsstellen für Cannabinoide
auf Nervenzellen nachgewiesen werden. 1992 wurden erstmals körpereigene
Verbindungen entdeckt, die wie THC wirken und an diese Rezeptoren binden.
Diese Substanzen werden Anandamide genannt.
Der medizinische Wert von Cannabis
In der klinischen Forschung fanden
viele der überlieferten therapeutischen Effekte Bestätigung.
Von Bedeutung sind heute vor allem:
· die Anregung des Appetits, · die Hemmung von Übelkeit
und Erbrechen, · die Reduzierung von Krämpfen und muskulären
Verspannungen, · die Schmerzhemmung, · die Stimmungsaufhellung,
· die Senkung des Augeninnendrucks.
Vor allem viele chronische Erkrankungen können mit den heute verfügbaren
Therapieverfahren nicht immer hinreichend behandelt werden.
Cannabispräperate können sinnvoll bei folgenden Leiden eingesetzt
werden:
· Glaukom: Die Glaukom-Erkrankung (grüner Star) ist vor allem
charakterisiert durch einen erhöhten Augeninnendruck. Sie stellt die
häufigste Erblindungsursache in den westlichen Industrieländern
dar. Operationen und Medikamente können in den meisten Fällen
diese schwere Komplikation verhindern, sind jedoch nicht immer hinreichend
wirksam. Drogenhanf und verschiedene einzelne Cannabinoide senken den erhöhten
Augeninnendruck. · AIDS: Bei Appetitlosigkeit und Kachexie (Auszehrung)
im Rahmen einer AIDS-Erkrankung bzw. bei HIV-Positiven verbessert Cannabis
den Appetit und führt zur Gewichtszunahme bereits bei Dosierungen
unterhalb der psychisch wirksamen Schwelle. Dies kann lebensverlängernd
wirken. Herkömmliche Medikamente führen vor allem zu einer Gewichtszunahme
durch Wassereinlagerung und nicht zur Vermehrung der Muskelmasse. Cannabis
vermindert die durch die Erkrankung oder durch antivirale Medikamente hervorgerufenen
Übelkeitsgefühle . Zudem kann es das allgemeine Wohlbefinden
steigern. · Krebs: Bei Übelkeit und Erbrechen im Rahmen einer
Krebschemotherapie, aber auch bei Strahlentherapie wirkt es brechreizhemmend
(antiemetisch). Zwar verfügt die moderne Medizin über wirksame
Antiemetika, jedoch kann die Situation nicht zufrieden stellen. Cannabis
wirkt einer durch die Erkrankung bedingten Gewichtsabnahme und Tumorschmerzen
entgegen. · Multiple Sklerose: Viele der 120.000 Multiple-Sklerose-Patienten
in Deutschland leiden unter spastischen Lähmungen, d.h. oft schmerzhafter
Tonussteigerung der Muskulatur mit Zunahme der Steifheit. Cannabispräperate
wirken muskelentspannend und schmerzhemmend. Darüber hinaus wirken
sie antiataktisch, d.h. sie harmonisieren den Bewegungsablauf. Sie wirken
Muskelzittern und anderen Bewegungsstörungen entgegen. · Querschnittslähmung:
Auch viele Patienten mit hohem (Tetraplegie) oder tiefem Querschnitt (Paraplegie)
leiden unter schmerzhaften Spasmen. In vielen entsprechenden Rehabilitationszentren
wird - zum Teil mit Duldung der Ärzte Marihuana geraucht, da legal
verfügbare Arzneimittel nicht hinreichend wirken oder nur um den Preis
nicht akzeptabler Nebenwirkungen. · Schmerzen: 5 bis 7 Millionen
Menschen leiden in Deutschland an chronischen Schmerzen, darunter etwa
500.000 mit problematischen, schwer zu behandelnden Schmerzkrankheiten.
Viele Patienten mit starken chronischen Schmerzen sind untherapiert. Zum
Teil vertragen sie Opiate schlecht oder sprechen nicht ausreichend auf
die verwendeten Schmerzmittel an. Viele Patienten berichten von ihren Erfolgen
mit Cannabispräparaten.
Die Wirksamkeit von Marihuana oder THC bei diesen Erkrankungen konnte in
den vergangenen 25 Jahren in verschiedenen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen
werden. Darüber hinaus gibt es historische Hinweise und persönliche
Erfahrungen, daß Cannabispräperate sinnvoll eingesetzt werden
können bei Migräne, Asthma, Menstruationsbeschwerden, Epilepsie,
Depressionen und zur Linderung der Entzugssymtomatik bei Alkohol- und Opiatabhängigkeit.
Cannabis ist eine sichere Medizin. Der therapeutische Index - das Verhältnis
von wirksamer zu tödlicher Dosis - ist mit 1 zu 1.000 bis 1 zu 20.000
so günstig wie bei fast keinem anderen Medikament. Sie sollte Patienten,
die davon profitieren können, legal zugänglich gemacht werden.
"Die Toxizität der Droge wie auch der Cannabinoide wird als vergleichsweise
gering eingestuft und liegt im Bereich sozial akzeptierter Drogen wie Kaffee,
Alkohol und Tabak." (Hagers Handbuch der pharamazeutischen Praxis, 1992).
Behandlungsmöglichkeiten
Patienten, die in Deutschland Cannabisprodukte
für medizinische Zwecke verwenden wollen, haben heute folgende Möglichkeiten:
· Verwendung von Nabilon, ein synthetischer THC-Abkömmling,
der vom Arzt auf einem Betäubungsmittelrezept verschrieben werden
darf. Das Präparat wird dann aus Großbritannien eingeführt.
Die Einfuhr- und Genehmigungsprozedur dauert 6 bis 10 Wochen. Eine Packung
mit 20 Kapseln kostet etwa 500 DM. · Teilnahme an einem Forschungsprogramm
mit THC bzw. Cannabis. In Deutschland werden zur Zeit einige Studien an
Universitätskliniken initiiert bzw. durchgeführt. · Selbstbehandlung
mit illegalem Marihuana bzw. Haschisch.
THC soll demnächst in Deutschland rezeptierbar werden. Es wäre
dann ebenfalls auf einem Betäubungsmittelrezept erhältlich.
Betäubungsmittel dürfen laut Gesetz vom Arzt nicht verschrieben
werden, "wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden
kann." Diese Vorschrift führt neben dem Verwaltungsaufwand zu einem
rückhaltenden Verschreibungsverhalten vieler Ärzte. Die Erfahrung
mit der Rezeptierung von Opiaten lehrt, daß Betäubungsmittel
auch bei bestehender Indikation oft nicht verschrieben werden. Das bisher
allein in Frage kommende synthetische THC-Präparat Marinol ist zudem
sehr teuer. In den USA kostet eine 5-mg-Kapsel 4 bis 6 Dollar, so daß
eine aus den USA eingeführte THC-Kapsel in Deutschland deutlich mehr
als 10 DM kosten wird. Die auch nach der Verschreibungsfähigkeit für
jede Packung Marinol erforderliche Einzelgenehmigung durch die Bundesopiumstelle
und die Importprozedur werden jeweils mehrere Wochen bis Monate dauern,
was eine kontinuierliche Behandlung erheblich erschwert.
Die Umstufung von THC im Betäubungsmittelrezept ist wünschenswert,
wird jedoch aus den genannten Gründen nicht zu einer bedarfsdeckenden
Versorgung führen.
Es gibt zudem Hinweise darauf, daß das Naturprodukt etwas besser
wirkt als das isolierte THC und besser verträglich sein könnte.
Diese Erfahrung haben häufig Patienten gemacht, die sowohl synthetisches
THC als auch natürliche Cannabisprodukte verwendet haben, so wie etwa
Patienten, die in den USA zu medizinischen Zwecken legal Marihuanazigaretten
erhalten. Nachdem das Programm 1992 wegen einer zunehmenden Nachfrage gestoppt
wurde, bekommen zur Zeit (1996) nur noch acht Patienten Marihuana von der
NIDA (Nationales Institut für den Drogenmißbrauch). Die entsprechenden
Hanfpflanzen zur Herstellung der Droge werden auf einer kleinen Fläche
eines Forschungsinstituts (Research Institute of Pharmaceutical Sciences)
der Universität von Mississippi herangezogen.
Offizielle Stellungnahmen
In den vergangenen Jahren fand das
arzneiliche Potential der Hanfpflanze Bestätigung durch Erklärungen
bzw. Gutachten verschiedener Organisation und Institutionen wie den Bund
der amerikanischen Wissenschaftler (Federation of American Scientists,
1994) das australische Commonwealth Departmendt of Human Services and Health)
1994), die US-amerikanische Gesellschaft für öffentliche Gesundheit
(American Public Health Organisation, 1995), das deutsche Bundesinstitut
für Arzneimittel und Medizinprodukte (1995), die medizinische Gesellschaft
von San Francisco (San Francisco Midical Society, 1996) und andere.
"Marihuana in seiner natürlichen Form ist eine der sichersten bekannten
therapeutisch aktiven Substanzen (...) Es wäre unvernünftig,
willkürlich und launisch, würde sich die DEA weiterhin zwischen
die Leidenden und den Nutzen dieser Substanz stellen." (Francis L. Young,
oberster Jurist der amerikanischen Drogenbehörde DEA (Drug Enforcement
Administration) bei einer öffentlichen Anhörung, 1988).
"In einer rationalen Welt sollten medizinischen Entscheidungen über
die Frage, ob reine Cannabinoid-Drogen verwendet werden sollten, nicht
deswegen zu Fall gebracht, weil naturbelassene Formen der Droge als Rauschmittel
mißbraucht werden können. Als staatliches Gemeinwesen erlauben
wir diesem Denken nicht, uns die Verwendung von Opiaten zur Schmerzbekämpfung
zu verwehren. Noch sollte dieses Denken verwendet werden, um den Zugang
zu irgend einer therapeutischen Anwendung von Cannabinoid-Derivaten zu
verwehren, die durch die pharmakologische Forschung aufgezeigt wurde."
(Australian Commonwelth Department of Human Services and Health, 1994).
So entbehrt sowohl eine unkritische Euphorie hinsichtlich der therapeutischen
Möglichkeiten von Cannabis bzw. THC der Grundlage wie andererseits
eine auf entgegengesetzten Position resultierende generelle Ablehnung mit
der Behauptung, es gebe `auf jedem Gebiet bessere therapeutische Alternativen´."
(Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, 1995). "Wir
erkennen, daß Tausende von Patienten, denen mit herkömmlichen
Medikamenten und Behandlungen nicht geholfen werden kann, durch die Verwendung
von Marihuana Erleichterung ihrer Leiden erfahren könnten (...)
Wir folgern, daß Cannabis/Marihuana fälschlich ins Verzeichnis
I der kontrollierten Substanzen aufgenommen wurde, so daß Patienten
ihr therapeutisches Potential vorenthalten wird." (American Public Health
Organisation, 1995).
Was die AMC fordert
Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis
als Medizin (ACM) fordert ein Ende der Cannabis-Prohibition für Patienten,
die von Cannabisprodukten gesundheitlich profitieren können.
Ärzte sollen Cannabis und Cannabinoide auf einem normalen Rezept verschreiben
dürfen. Patienten und deren Betreuer sollen nach einer entsprechenden
Bescheinigung des Arztes Hanf selber anbauen und besitzen dürfen.
Sie sollen THC sowie saubere und auf ihren THC-Gehalt standardisierte natürliche
Cannabisprodukte in der Apotheke erhalten können.
In Holland ist der Besitz kleiner Mengen von Cannabis gesetzlich erlaubt.
Patienten, die eine entsprechendes Rezept eines holländisch Arztes
vorlegen können, erhalten in einigen Coffe-Shops Marihuana zum halben
Preis.
Im November 1996 fanden in den US-Staaten Kalifornien und Arizona Volksbegehren
zur Legalisierung von Marihuana für Medizinische Zwecke statt. In
beiden Staaten stimmt die Mehrheit für der Wähler für die
entsprechenden Gesetzesinitiativen. In der kalifornischen Gesetzesvorlage
(Proposition 215) heiß es: "Patienten oder definierte Pflegepersonen,
die Marihuana nach Empfehlung durch einen Arzt für eine medizinische
Behandlung besitzen oder anbauen, sind von den allgemeinen Gesetzesmaßnahmen
ausgenommen, welche sonst den Besitz oder den Anbau von Marihuana verbieten."
Ein andere Möglichkeit, Kranken einen baldigen legalen Zugang zu Cannabisprodukten
zu ermöglichen, wäre eine Modifizierung des geplanten Modellprojekts
der schlewig-holsteinischen Landesregierung zur Abgabe von Marihuana bzw.
Haschisch in Apotheken. Ist das Kieler Modellprojekt regional begrenzt,
so könnte in einem anderen Modell die Abgabe auf eine bestimmt Personengruppe
begrenzt werden, nämlich auf Kranke mit einem ärztlichen Rezept.
Was die ACM macht
Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM)
versucht ihre Ziele durch folgende Maßnahmen zu erreichen:
-
Sammlung und Bereitstellung wichtiger
Informationen, · Dokumentation nationaler und internationaler Entwicklungen,
-
Erarbeitung von Arbeitsmaterialien
und Stellungnahmen,
-
Vermittlung von Referenten, Fachkommentatoren
und Ansprechpartnern,
-
Erarbeitung von Änderungsvorschlägen
für bestehende Gesetze, Vorschriften und Richtlinien,
-
Einwirkung auf soziale und politische
Gremien sowie Funktionsträger in Politik, Justiz und Medizin,
-
Ausarbeitung, Organisation, Durchführung
und Koordination spezifischer Kampagnen und Projektideen,
-
Organisatorische und fachliche Unterstützung
bestehender Selbsthilfeinitiativen und betroffener Einzelpersonen,
-
Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen
Organisationen und Verbänden.
Einladung zur Gründungsversammlung
der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin Samstag, den 12. April 1997,
14-18 Uhr Helfta-Seminar, Kaesenstr. 14-16, 50677 Köln
Kontakte:
Alexander Remmele, Selbsthilfegruppe
Cannabis als Medizin c/o SEKIS, Albrecht-Achilles-Str. 65, 10709 Berlin,
Tel: 030-891 60 85, Fax: 030-8935494, montags 10 - 14 Uhr. PD Dr. med.
Robert Gorter, Institut für onkologische und immunologische Forschung,
Krankenhaus Moabit, Turmstraße 21, 10559 Berlin. Fachbüro Medizin
der Grünen Hilfe, Untere Fuldergasse 12, 36304 Alsfeld, Tel: 06631-
3604 (Uli). Dr. med. Franjo Grotenhermen, nova-Institut Köln, Thielstr.
35, 50354 Hürth, Tel: 0221- 139 25 79, Fax: 0221-130 05 91.
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