Cannabis ist Medizin |
www.jungle-world.com 16. Februar 2000
Verfassungsgericht rehabilitiert HanfKiffen gegen den Stressvon mathias bröckersCannabis ist als Medizin »grundsätzlich erlaubnisfähig« - mit diesem Spruch hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Ende Januar die natürlichen Wirkstoffe der Hanfpflanze als Heilmittel rehabilitiert. Vorausgegangen war ein Eilantrag von schwerkranken Patienten, das Betäubungsmittelgesetz als verfassungswidrig einzustufen, weil es ihnen den Zugang zu ihrem überlebenswichtigen Medikament verwehrt. Dies lehnte das Gericht zwar aus formalen Gründen ab, ließ aber die klagenden Patienten nicht hoffnungslos. Schließlich sei natürliches Cannabis »grundsätzlich erlaubnisfähig«, erklärten die Richter und verwiesen die Kläger an das dem Gesundheitsministerium unterstehende Bundesinstitut für Arzneimittel.
Dort hatte man 1998 zwar synthetisch hergestellte Präparate aus
Tetrahydrocannabinol (THC) wie »Marinol« wieder als Arzneimittel
zugelassen - der natürliche Hanfwirkstoff blieb aber weiterhin als
»nicht verkehrsfähiges« Betäubungsmittel eingestuft. Obwohl schon
damals bekannt war, dass »Marinol« nicht nur das Zigfache von
illegalem Cannabis kostet, sondern bei vielen Patienten auch
schlechter wirkt. Nach dem Spruch des BVerfG ist es nun mit dieser
Protektion der Pharma-Industrie vorbei - »Medizinalhanf«, wie die
THC-reichen Hanfsorten in Deutschland früher hießen, ist als Arznei
wieder rehabilitiert. Und der Gesetzgeber ist aufgerufen, Regelungen
für den Umgang mit dieser unverzichtbaren und »erlaubnisfähigen«
Medizin zu treffen. Damit hat die absurde Situation, dass todkranke
Patienten für ihre Medizin nicht den Arzt oder Apotheker, sondern
Dealer und Schwarzmarkt konsultieren müssen, ein Ende.
Im Jahr 1994 hatte das Verfassungsgericht in seinem »Haschischurteil«
empfohlen, den privaten Konsum nicht länger strafrechtlich zu
verfolgen und eine straffreie Mindestmenge festzusetzen, 1996 wurde
der Anbau von THC-armen Hanfsorten zur industriellen Nutzung
gesetzlich wieder genehmigt, seit 1998 ist der Hanfwirkstoff THC in
synthetischer Form als Arzneimittel verschreibungsfähig - und seit
Februar 2000 nunmehr auch die Blüten und das Harz des Hanfs -
Marihuana und Haschisch.
Damit ist Cannabis, vor zehn Jahren noch mit Stumpf und Stil verboten,
unter allen Aspekten wieder rehabilitiert, zumindest auf dem Papier.
Wie lange es dauert, bis Patienten wieder so selbstverständlich auf
Hanfblüten zurückgreifen können wie auf Kamille oder Salbei, bleibt
abzuwarten. Die 1994 vom Verfassungsgericht angemahnte
bundeseinheitliche Mindestmenge für den straffreien Konsum steht bis
heute aus - stattdessen versucht die Politik, die Prohibition auf
verwaltungsrechtlichem Wege zu verschärfen.
So können Spuren von THC bei einem Drogentest - die unter Umständen
noch sechs Wochen nach einem Joint vorhanden sind - in Süddeutschland
den Führerschein kosten. Welche Maßregelungen wird die deutsche
Bürokratie wohl den MS-, Krebs-, Aids-, und Glaukom-Patienten
vorlegen, denen man eigentlich nur erlauben müsste, die Medizin für
ihren Bedarf selbst anzubauen bzw. anbauen zu lassen?
Wünschenswert wären jedenfalls Cannabis-Clubs, wie sie in den letzten
Jahren mit Volksbegehren in einigen Bundesstaaten der USA durchgesetzt
wurden, um registrierte Patienten zu versorgen. Tja, und danach ginge
es rechtlich eigentlich nur noch um die Frage, wer sich als Patient
anmelden kann. Schließlich hilft Hanf nicht nur Schwerkranken, sondern
auch gegen die Zivilisationskrankheit Nummer eins: Stress. Das
Bundesinstitut für Arzneimittel in Bonn wartet auf unsere Anträge.
Bundesverfassungsgericht nimmt Verfassungsbeschwerde von acht Patienten nicht zur Entscheidung an
ACM-Informationen SPEZIAL vom 4. Dezember 1999: |