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Schuberth in Braunschweig: Modellprojekt für nachwachsende Rohstoffe

Schutzhelme aus Flachs und Hanf

Von Klaus Sievers

[Hanfhelme]

BRAUNSCHWEIG. Die Idee ist unkonventionell und dennoch handfest: Schutzhelme für die Arbeit oder fürs Motorrad aus Flachs oder Hanf. Das Braunschweiger Unternehmen Schuberth Helme, einer der Großen der Kopfschutz-Branche in Europa, entwickelt derzeit Helme aus nachwachsenden Rohstoffen und will sie vermutlich in zwei Jahren auf den Markt bringen.

"Das ist kein Öko-Gag", stellt Firmen-Chef Alexander Zahn selbstbewusst fest: "Wir machen das nur, wenn solche Helme mindestens genauso leistungsfähig sind wie herkömmliche Kunststoffhelme." Und davon sind die Schuberth-Experten inzwischen überzeugt, wie Entwicklungsleiter Oliver Schimpf berichtet.

Das Helm-Projekt läuft in enger Zusammenarbeit mit dem Demonstrationszentrum für Faserverbundwerkstoffe des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig und wird vom niedersächsischen Landwirtschaftsministerium gefördert. Es sei, so Schimpf, das erste Förderprojekt, bei dem nachwachsende Rohstoffe als Sicherheits- und Konstruktionswerkstoffe genutzt werden. Bisher wurden solche Rohstoffe nur als Ausstattungsstoff etwa in der Autoindustrie eingesetzt - im Pkw als Dachhimmel oder als Türverkleidung.

Die ersten Helme aus Flachs und Jute, zunächst für den Arbeitsschutz-Bereich konzipiert, sind bereits entwickelt und auch schon erfolgreich getestet worden. Andere Agrar-Rohstoffe wie Hanf, Sisal oder Ramie sind noch in Arbeit. Schimpf zieht ein erstes Fazit: "Wir sehen durchaus Vorteile dieser neuen Werkstoffe: Sie sind beispielsweise um fünf Prozent leichter als andere Helme - und das ist schon viel beim Kopfschutz."

Die neuen Helme hätten zudem auch bessere mechanische Eigenschaften(sind beispielsweise fester) und es gebe kein Geruchsproblem. Allerdings müsse noch viel dran gearbeitet werden und vor allem auch neue, kostengünstige Fertigungsverfahren entwickelt werden. Vorerst wird auch noch Chemie als Bindemittel für die Pflanzenfasern benutzt. Das Fernziel: Der voll biologisch abbaubare (etwa kompostierbare) Schutzhelm.

Auf der Weltausstellung in Hannover sollen die neuen Helme erstmals präsentiert werden. Ein Jahr später könnten sie auf den Markt gehen, schätzt Schimpf. Da müsse man ein starkes Marketing machen, um Vorurteile abzubauen, sagt Zahn voraus.

Die nachwachsenden Helme stehen auch ein bisschen für die Aufbruchstimmung im traditionsreichen Familienunternehmen, das vor 77 Jahren gegründet wurde und das Alexander Zahn (35) seit Anfang 1998 in vierter Generation leitet. Sein Vater Christian Zahn, eine ungewöhnliche Unternehmer-Persönlichkeit in Braunschweig, ist seit eineinhalb Jahren nur noch Berater.

Mit einem Programm "Top 2000" ist das Unternehmen in den vergangenen Jahren konsequent umstrukturiert worden, um die Kosten zu senken und die Leistungsfähigkeit zu steigern. Zahn junior: "Nur mit starkem Einsatz von Technik, hochmotivierten Mitarbeitern und neuen Betriebsstrukturen können wir als deutscher Standort künftig im knallharten internationalen Wettbewerb mithalten. Nur so kann der Nachteil höherer Lohnkosten ausgeglichen werden." Wichtig sei auch die umfassende Einbeziehung der Mitarbeiter, betont Zahn, was Information und Problemlösungskompetenz vor Ort betreffe.

So wurde die Fertigung völlig umgekrempelt, weg vom Werkstattprinzip zur modernen produktorientierten Organisation. Zugleich wurden die Entwicklungszeiten für neue Helme, auch mittels neuester CAD-Technik, von vier bis fünf Jahren auf 22 Monate gedrückt, fasst Schimpf (ebenfalls 35) zusammen. Jetzt kommen jährlich drei neue Helme auf den Markt. Das Programm zahlt sich schon aus: Der Umsatz wird 1999 mit mehr als 60 Millionen DM einen Rekordwert erreichen. 1996 lag er noch unter 50 Millionen DM. Auf einem insgesamt eher rückläufigen Markt habe man so Marktanteile gewonnen, betont Zahn. Die Mitarbeiterzahl ist auf 270 gesunken. Die Ertragslage habe sich insgesamt verbessert, deutet Zahn an.

Täglich werden in Braunschweig 8000 Helme produziert. Schwerpunkt ist der Motorradbereich (40 Prozent Umsatzanteil) mit zwei Marken - eine eigene und für BMW. Helme werden außerdem für den Arbeitsschutz, fürs Militär, für Polizei und für die Feuerwehr produziert. Rund 20 Prozent des Umsatzes kommt aus dem Ausland. Das soll mehr werden, kündigt Zahn an: Schon bald sollen die Motorradmärkte in Frankreich und Italien, im Jahr 2001 auch der wegen seiner strengen Produkthaftungsregeln sehr kritische US-Markt angegangen werden.

"Wir sind von der Breite des Helmangebots in Europa vorn", stellt Zahn fest. Sein Ziel für die nächsten Jahre: Insgesamt Marktführer in Europa zu werden.


24.09.1999, Braunschweiger Zeitungsverlag 1999

http://www.newsclick.de/corem/resources/ids/436110?version=2
 

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