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Sprießendes Multitalent für alle Lebenslagen

Ob als Baustoff, Salatöl oder Heilcreme: Bad Vilbeler hält Hanf für den Stoff der Zukunft

Von Steffen Leidel

BAD VILBEL. Zu Hause bei Marco Erlenbeck dreht sich alles um Hanf. Ins morgendliche Müsli mischt er Hanfsamen, Salate macht er mit Hanföl an, im Keller lagert ein Dämmvlies aus Hanffasern, auf seinem Schreibtisch liegen sämtliche Ausgaben des "Hanf-Magazins". Und wenn der 26jährige dann, mit leuchtenden Augen und die Arme überm Hanf-Westchen verschränkt, anfängt über sein Lieblingskraut zu erzählen, kann ihn keiner bremsen. Er nennt die Hanfpflanze ehrfurchtsvoll die "Queen der Nutzpflanzen" und ist überzeugt, daß der Cannabis sativa einer der wertvollsten nachwachsenden Rohstoffe der Zukunft ist.

Marco Erlenbeck bedauert, daß Hanf bei vielen Bürgern noch immer Mißtrauen und Ablehnung hervorrufe. So werde der Nutzhanf aus Unkenntnis oft mit den Drogen Marihuana und Haschisch gleichgesetzt. Diese Rauschmittel werden jedoch aus der Sorte Cannabis indica gewonnen, die einen hohen Anteil am psychoaktiven Stoff Tetrahydrocannabinol (THC) aufweist. In Deutschland dürfen jedoch nur Sorten angebaut werden, deren THC-Gehalt unter 0,3 Prozent liegt und die deshalb zur Drogenherstellung ungeeignet sind. Dennoch war der Nutzhanfanbau in Deutschland bis 1996 verboten. Für Marco Erlenbeck ist dies vollkommen unverständlich. Schließlich sei Hanf eine Nutzpflanze, die schon seit mehr als 8000 Jahren angebaut werde.

Die Entwicklung der Segelschiffahrt wäre ohne Hanffasern undenkbar gewesen. Noch im zweiten Weltkrieg wurde die Pflanze verstärkt kultiviert, unter anderem, um Fallschirmseile herzustellen. Später kam Hanf durch den steigenden Haschischkonsum in Verruf, bis auch der harmlose Faserhanf in Deutschland Anfang der 80er Jahre verboten wurde. Doch mit der Suche nach nachwachsenden Rohstoffen ist das Interesse an der Pflanze wieder gewachsen.

Das Buch "Hanf" des Amerikaners Jack Herer, das als die Hanfbibel unter den "Hänflingen" gilt, erregte vor einigen Jahren auch Erlenbecks Aufmerksamkeit. Seit jener Lektüre hat den gebürtigen Bad Vilbeler die Faszination am Hanf als Nutzpflanze nicht mehr losgelassen. Er begann, Zeitungsartikel zu sammeln, fuhr durch ganz Deutschland und besuchte Messen zum Thema Hanf, wie zum Beispiel die Cannabusiness in Hennef. In Seminaren des Hanfforschungsinstitutes Nova, mit Sitz bei Köln, vertiefte er sein Wissen über Hanf und wurde sich über die Probleme, aber auch die ungeahnten Möglichkeiten des Hanfanbaus bewußt. So kann der Stiel mit seinem verholzten Innenteil zu Fasern und sogenannten Schäben verarbeitet werden, die als Katzenstreu bis hin zur Autoinnenverkleidung Verwendung finden. Dagegen weist der Same nicht nur einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren auf, sondern enthält zudem noch alle für den Organismus essentiellen Aminosäuren. Deshalb ist er nicht nur als hochwertiges Lebensmittel in Form von Hanföl interessant, sondern auch für medizinische Zwecke.

Auch als Marco Erlenbeck sein Technik-Studium in Butzbach begann, blieb er dem Hanf treu. Zunächst investierte er Kapital in die "Treuhanfgesellschaft", ein Unternehmen, das den Nutzhanfanbau in Deutschland fördert. Im Rahmen seiner Projektarbeit in der Technikerschule entwickelte er mit drei Studienkollegen eine Holzlasur, Müsliriegel und einen Dämmputz aus Hanf. Außerdem erstellte er eine Hanfinformationsseite im Internet und baute ein Hanfhausmodell samt Dachbegrünung, das er nun als Hütte für Hund Sherry verwendet.

Zum Thema Hanf gehen Marco Erlenbeck die Ideen nie aus. Im Moment mischt der Autodidakt an einer hanfhaltigen Salbe, die bei Hautkrankheiten wie Neurodermitis oder Ekzemen Linderung verschaffen soll. Doch mehr will er dazu nicht verraten. Trotz aller Euphorie bleibt der Hanffreund auf dem Boden der Tatsachen. In Deutschland stecke der Hanfanbau noch in den Kinderschuhen und unterliege strengen Auflagen. Außerdem sei die Kultivierung nur sinnvoll, wenn das Hanffeld maximal 50 Kilometer von der Fabrik entfernt sei. Nur so könne die Pflanze wirklich umweltfreundlich verarbeitet und ihr ganzes Potential ausgeschöpft werden, meint Marco Erlenbeck. Deutschlandweit wird Hanf auf 3500 Hektar angebaut. Dabei nimmt sich Hessen mit 20 Hektar und sechs Hanfbauern im Vergleich mit Brandenburg, wo auf mehr als 700 Hektar Hanf kultiviert wird, und Baden-Württemberg mit 134 Anbauern eher bescheiden aus. Und von den sechs weiterverarbeitenden Betrieben in Deutschland steht keine in Hessen.

http://www.frankfurter-rundschau.de/
Frankfurter Rundschau 29.04.1999
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