Samenverbot |
Hanfsamen im Keller bringen Geschäftsmann vor den KadiStuttgarter Zeitung, Wed, 24. Mar 99Säckeweise Kraftnahrung für "schräge Vögel"Seit Anfang vergangenen Jahres ist der Besitz von Hanfsamen strafbar, sofern er zum unerlaubten Anbau von Cannabispflanzen bestimmt ist. Doch was wollte ein 33 Jahre alter Geschäftsmann mit zehn Säcken voller Hanfsamen im Keller machen?Von Sonnhild Maier Diese Frage beschäftigt seit gestern die 17. Große Strafkammer am Landgericht, die in diesem Fall eine Grundsatzentscheidung zu fällen hat. Der Staatsanwalt geht davon aus, die in zehn Säcke abgepackten 320 Kilogramm der stecknadelkopfgroßen Samen seien zur Zucht der berauschenden Droge Marihuana bestimmt gewesen. Der Angeklagte beteuert, er habe nie etwas Illegales mit den Samen vorgehabt, sich aber nicht von ihnen trennen können, weil sie gesund und nützlich seien. Seine Ehefrau erklärt als Zeugin vor Gericht: "Karottensalat mit Joghurtsoße und Hanfsämlingen, das ist einfach lecker." Zur Vorgeschichte: Seit 1994 hatte der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann im Stuttgarter Westen einen "Grow Shop" betrieben. Dort konnten Cannabisfans vom Samen über den Spezialdünger, die Bewässerungs- und Beleuchtungsanlage für eine Heimzucht, bis hin zur Pfeife, um das fertige Produkt in betörendem Rauch aufgehen zu lassen, ganz legal alles kaufen, was das Kifferherz begehrt. Weil die Geschäfte sich laut Angeklagtem "sehr gut" entwickelten, machte er ein Jahr später auch einen Großhandel mit Samenbank auf. Während der Nutzhanf, aus dem sich unzählige naturnahe Produkte vom Seil bis zum Haarshampoo herstellen lassen, auf den Feldern eine legale Renaissance erlebte, wollte der Gesetzgeber den ebenfalls prächtig gedeihenden Cannabiszüchtungen der Kiffer in Wohnungen und auf Balkons einen Riegel vorschieben: "Die zehnte Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften" vom 20. Januar vergangenen Jahres stellte deshalb neben dem Besitz von Haschisch oder Marihuana auch den Besitz von Samen unter Strafe, aus dem "high" machende Pflanzen werden sollten. Weil er, wie er beteuert, nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen wollte, fragte der Angeklagte daraufhin mit "highteren Grüßen" bei der Polizei an, was denn nun mit seinem Samen zu tun sei. Schließlich schickte er ein Samenpaket an die Ordnungshüter und verdonnerte seine Mitarbeiter - "ganz wie es das Gesetz befiehlt, denn ich bin ja seriös" -, keinerlei Samen mehr zu verkaufen. Doch als ein paar Wochen später im Bayerischen ein Mann mit mehreren Kilogramm Haschisch und seiner Telefonnummer in der Tasche festgenommen wurde, statteten die Ordnungshüter der Privatwohnung des Angeklagten einen Besuch ab. Bei der Hausdurchsuchung fanden sie neben etwa 120 Gramm Marihuana auch 16 wohlgepflegte Cannabispflanzen, 220 Tüten zu je zehn Gramm Cannabissamen mit der Aufschrift "Kraftnahrung für gesunde und schräge Vögel" sowie besagte zehn Säcke voller Hanfsamen im Keller. Während das "Vogelfutter" beim Angeklagten pro zehn Gramm 25 Mark kosten sollte, gibt's ein Kilo Nutzhanfsamen für 3,45 Mark im Gärtnereimarkt. Da muß doch was faul sein, meinte die Staatsanwaltschaft und klagte an. Dem Haftbefehl entging der Grow-Shop-Betreiber nur, weil er sich in der Schweiz aufhielt, um einen neuen Laden einzurichten. Nun fragt man sich bei Gericht, was es mit dem Samen im Keller auf sich hatte. Am Freitag soll ein Sachverständiger darüber Auskunft geben, was daraus hätte werden können. 1999 Stuttgarter Zeitung, Germany zurück zum Samenverbotsforum |