"Alle wollen Vögel füttern!"
Und: "Alle sagen, es ist toll!" Großer Erfolg
der Hanfsamenaktion. Nur positive Reaktionen. Polizei ermittelt noch nicht
Der "teuflische Plan der Hasch- Piraten" ging voll auf. "Die
80 Millionen Körner sind bis auf ein paar Tüten schon alle weg",
berichtet Willi Fleckner von der Zeitschrift grow! "In den Hanfläden
herrscht rege Nachfrage nach den Samen." Ein Großteil der Bevölkerung
wolle über die "Gefahren" von Samen oder Joints seriös aufgeklärt
werden, berichtet "Mike", der sich vor kurzem in der Talkshow "Ulla Kock
am Brink" vor 1,4 Millionen Zuschauern outete. "Allein die Anzahl der Zuschauer
sagt doch etwas über den Bedarf an ehrlicher Information zu diesem
Thema aus. Diskussion, Aufklärung, Information, das wollen wir mit
unserer Aktion erreichen." Probleme mit den Behörden habe er wegen
seines Fernsehauftrittes noch nicht bekommen, "mich wundert das auch ein
bißchen...".
Nicht ganz so euphorisch sieht Jörg Jenetzky von Hanf die derzeitige
Situation der Kiffer: "Alle 10 Minuten wird ein Mensch wegen einem Stück
Shit kriminalisiert, das ist doch absurd. Ich will einfach nicht, daß
Kiffen verboten ist. Ich will aber auch nicht, daß jeder kiffen muß!"
Da ist man richtig froh, daß man sich keinen Joint drehen muß.
"Die Kifferei kann nie den Schaden anrichten, den die Strafverfolgung verursacht."
Jenetzky geht, anders als seine Mitstreiter, von einem bereits laufenden
Ermittlungsverfahren aus. Im bisherigen Betäubungsmittelgesetz waren
die Samen der Cannabis- Pflanze ausdrücklich vom Verbot ausgenommen.
In der neuen Verordnung, die am 1. Februar in Kraft trat, sind Samen nun
ausdrücklich verboten, sofern es sich um Körner für den
unerlaubten Anbau handelt. Durch die Aktion der "Hanf-Selbstlegalisierung"
- indem sich der Hanf in der Natur "selbst" vermehrt mit Hilfe einiger
Leute, die in ihrer spärlichen Freizeit in den Parks Hanfsamen einpflanzen
- wollen die Urheber der Verteilung "zivilen Ungehorsam üben".
Dieser Ungehorsam hört sich tatsächlich auch sehr "zivil" an:
"Hanf braucht Deine Hilfe. Verteile Cannabis-Samen an Vögel!" Da fühlt
sich wohl so manches alte Muttchen angesprochen, "doch wieder einmal etwas
für die verhungerten Vögel zu tun". Dabei ist doch gar nicht
sicher, "ob das Aufgehen der schlimmen Saat" (der CDU-Sicherheitsexperte
Dieter Hapel) überhaupt passiert. Jörg Jenetzky beruhigt: "Wer
jetzt Samen ausstreut und im Herbst ernten will, hat sowieso Pech. Da wird
nichts wachsen. Erst kommen noch die Eisheiligen, und das vertragen die
Samen nicht." Die engagierten Streiter für eine natürliche Absenkung
des Aggressionslevels werden sicher auch für dieses Problem eine Lösung
finden.
Markus Viehauser
TAZ-BERLIN vom 28.02.1998
|