"Ich lache Tränen, heule Heiterkeit.
Ich schöpfe Trost aus mancher Leute Traurigkeit."
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Wolfgang Neuss ist ein Begriff: "Der Mann mit der Pauke". Am 03. Dezember
1923 wurde er in Breslau geboren, 1941 schießt er sich im Krieg den
Zeigefinger der linken Hand ab, um ins Lazarett zu kommen. Im Lazarett
spielt er für die Verwundeten.
1946 erzählt er in seinem Programm folgende Polit-Pointe: Neuss erhielt für diese Polit-Pointe wegen Verächtlichmachung der Besatzungsmacht ein halbes Jahr Gefängnis. Neuss hatte die Verwarnung eines britischen Theateroffiziers in den Wind geschlagen, weil er beteuerte, auf den Witz nicht verzichten zu können. Daß sich die Briten überhaupt angesprochen fühlten, entsprach der Alliierten-Mentalität. Immerhin waren es nicht die Engländer, sondern die Amerikaner, die im Sommer 1946 derartige Versuche durchführten. Neuss, dem die Haftstrafe bald zur Bewährung ausgesetzt wurde, schwärmte noch in den Siebzigern: "Ein halbes Jahr für ein Witz? Glück!" 1949 treten Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller zum ersten Mal gemeinsam auf. Das Duo Müller/Neuss spielt nicht nur Kabarett, es taucht auch in normalen Theater, im Kino, in Radio und Fernsehen auf. 1955. Theodor Blank ist erster deutscher Verteidigungsminister geworden (... Strauß war angeblich zuvor 'ne Hand abgefallen ["Wenn wir jemals wieder in Deutschland eine Waffe anfassen sollten, soll uns die Hand abfallen."] und als das "Amt Blank" zum Verteidigungsministerium umgewandelt wurde, war er wohl noch nicht genesen ...) und somit wird Blank zum Vater der Bundeswehr. Hildegard Knef spielt am Broadway in dem Musical "Silk Stockings", nachdem sie mit dem Film "Alraune" in Deutschland bekannt wurde. Der SFB-Intendant Braun schaltet während einer Neuss Live-Nummer im Fernsehen den Ton ab und täuscht eine "technische Störung" vor. Das Pointenfeuerwerk, mit dem Adenauer, Neonazis und Militarismus eingedeckt wurden, war den Verantwortlichen zu erleuchtend. Deutschland hat seinen Jahresskandal. Im April 1960 kommt Wolfgang Müller in der Schweiz bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Wolfgang Neuss: "Als Wolfgang Müller starb - zuerst hab' ich mich einfach geweigert, das zu glauben. Und dann hab' ich mir gesagt: Jetzt mußt du eben alleine weitermachen. Das, was wir zusammen vorhatten. So kam ich zu meinem ersten Solo-Programm. Ich hab' den Müller irgendwie selbst mitgespielt. So ist Kabarett. Und dazu gehört auch, daß ich selbst bei dem Tod eines Mannes einen Witz nicht verabscheuen würde. Leben und Tod, das hat beides mit der Bühne zu tun. Weil sich hier alles abspielt." |
Das Foto "Wolfgang Neuss im Gespräch mit dem Publikum, Richard Weizsäcker wortlos" musste aufgrund des Copyrights entfernt werden. Die 60er Jahre sind die Jahre des Wolfgang Neuss. 1962 bringt Neuss für 787,15 DM "die Nation in Aufruhr" (DER SPIEGEL). Im Westberliner "Abend" verrät er einen Tag vor Schluß der Durbridge-Krimi-Serie "Das Halstuch" (der "Straßenfeger" der deutschen Fernsehgeschichte schlechthin mit Einschaltquoten von bis zu 98 % !) in einer Anzeige den TV-Mörder: Dieter Borsche. Neuss hatte bloß geraten, er kannte die Serie nicht, er wollte in der Anzeige bloß geschickt für seinen Film "Genosse Münchhausen" werben. Die Entrüstung in Deutschland ist groß. Der "Verrat", wer der "Halstuchmörders" sein soll, wird zum Bumerang. Sein Film wird kaum besucht und floppt. Obwohl Neuss vorübergehend in Ungnade verfallen ist, setzt sich sein Aufstieg weiter fort. Neuss bleibt Nonkonformist und wird Mitte der 60er von den Berliner Tageszeitungen mit Anzeigenboykott für sein Programm und mit täglichen journalistischen Angriffen belegt. Er hatte sich im Vietnam-Krieg auf der Seite von Nord-Vietnam gestellt und eine Sammelaktion der Berliner Tageszeitungen für amerikanische GI-Opfer des Vietnam-Krieges mit dem Hinweis kritisiert, daß der von den Amerikanern unterstützte südvietnamesische Machthaber offiziell Adolf Hiltler zu seinem Vorbild erklärte. Seine Solo-Programme bleiben aber stets ausverkauft. Aufgrund der täglichen Angriffe der Zeitungen wandert Neuss vorübergehend für ein Jahr nach Göteborg/Schweden aus. Neuss steigt darauf in die 68er Bewegung ein und wird von der SPD zuerst ausgeschlossen, dann aber leise wieder aufgenommen. So ab 1973 wird es still um Wolfgang Neuss. Neuss zieht sich von der Kabarett-Bühne zurück. Wegen Haschisch- und LSD-Besitzes wird Neuss 1979 zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. In den 80ern tritt Neuss wieder öfters in Erscheinung. Unfreiwilligerweise: Die Presse stürzt sich erneut begierig auf Neuss, nachdem sie erfährt, daß Neuss von der Sozialhilfe leben muß. Freiwilligerweise: Legendär ist sein Auftritt im Dezember 1983 in einer ZDF-Talk-Show mit Richard von Weizsäcker, der gerade für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen wurde. |
Die ZDF-Talkmaster müssen vor Neuss kapitulieren, weil Neuss sie
einfach verbal überfährt und Weizsäcker nachher einfach
selber interviewt. 1984 wird Neuss erneut wegen Haschisch- und LSD-Besitzes
verurteilt, diesmal zu einem Jahr auf Bewährung. Für Kabarett-Freunde ist Wolfgang Neuss inzwischen ein Guru des Wortwitzes, ein Mensch, der bewußt auf Konsum verzichtet und asketisch lebt. Für die Presse ist Wolfgang Neuss aber das typische Beispiel eines verwahrlosten und verhaschten Drogenabhängigen, ein Beispiel zur Abschreckung, zudem sich Wolfgang Neuss auch noch für die Legalisierung von Canabis-Produkten einsetzt. 1988 betritt Neuss anläßlich seines 65. Geburtstages zum letzten Mal die Bühne. Anfang Mai wird eine TV-Dokumentation mit Wolfgang Neuss gedreht.
O-Ton Neuss: Wolfgang Neuss stirbt wenige Tage später, am 05. Mai 1989 in seiner Charlottenburger Wohnung. Er wird am 19 Mai auf dem Berliner Waldfriedhof Zehlendorf an der Seite seines Kabarett-Partners Wolfgang Müller beigesetzt. Deutschland hatte einen großen Kabarettisten verloren.
"Eine Frage schwirrt mir durchs Hirn: Kann man so geschickt schweigen, daß man verstanden wird.?"
Wolfgang Neuss "Es lebe der Wollhändler!
Wolfgang Neuss |
Der Adjudant sagt zum Hauptmann:
Befehl vom Oberst: Morgen früh um neun ist eine Sonnenfinsternis.
Wenn es regnet, kann man sie vom Kasernenhof aus nicht sehen, dann findet
sie im Drillich in der Sporthalle statt. Etwas, was nicht alle Tage passiert.
Der Oberst wird's erklären, warum das Schauspiel selten ist..
Der Hauptmann zum Leutnant:
Schauspiel vom Oberst: Morgen früh neun Uhr Einweihung der Sonnenfinsternis
in der Sporthalle! Der Oberst wird's erklären, warum es regnet. Sehr,
sehr selten so was.
Der Leutnant zum Feldwebel:
Morgen neun Uhr wird der Oberst im Drillich die Sonne verfinstern, wie es alle Tage passiert in der Sporthalle, wenn ein schöner Tag ist. Wenn 's regnet: Kasernenhof!
Der Feldwebel zum Unteroffizier:
Morgen um neune Verfinsterung des Obersten im Drillich wegen der Sonne. Wenn es in der Sporthalle regnet, was nicht alle Tage passiert, antreten auf dem Kasernenhof. Äh ... sollten Schauspieler dabei sein, solln sich selten machen.
Gespräch unter Soldaten:
Haste schon gehört, wenn's morgen regnet? Tja, ich weiß - der
Oberst will unseren Drillich verfinstern. Das dollste Ding: Wenn die Sonne
keinen Hof hat, will er ihr einen machen. Schauspieler sollen Selter bekommen,
typisch. Dann will er erklären, warum er aus rein sportlichen Gründen
die Kaserne nicht mehr sehen kann.
Schade, daß das nicht alle Tage passiert.
Wen wundert es da noch, daß auf den Truppenübungsplätzen die Manöver-Beobachter nie voll getroffen werden!