Cannabis
Legalize it
   
Harte Drogen, weiche Drogen: Ist es sinnvoll, eine solche Unterscheidung zu treffen? Sollte man den Gebrauch von Cannabis bestrafen? Die Diskussion darüber wird in vielen demokratischen Staaten geführt, in Frankreich ist sie erneut jüngst entfacht, da das Gesundheitsministerium eine Untersuchung über die Gefahren der verschiedenen Drogen in Auftrag gegeben hatte. Der sog. Roques-Bericht, benannt nach dem Verfasser, wurde soeben veröffentlicht, das Ergebnis sorgt für Unruhe : Nach Meinung der Wissenschaftler sind Alkohol- und Tabakgenuß gefährlicher als Cannabis. Die Politiker sind mit diesem Ergebnis nicht einverstanden.

Die Gesetzmäßigkeiten sind von Land zu Land unterschiedlich und in den meisten Fällen finden sie nicht einmal Anwendung.
Erste Feststellung: Im Drogenbereich gibt es in Europa keine einheitlichen Gesetze.

In Frankreich zum Beispiel macht man keinen Unterschied zwischen verschiedenen Drogen. Drogenbesitz ist gleichbedeutend mit Handel und wird mit Gefängnis bestraft, genauso in Belgien.

Der deutsche Gesetzgeber sieht kürzere Haftstrafen vor für gleichen Tatbestand. Andere europäische Länder unterscheiden juristisch zwischen Cannabis und anderen Drogen: Dabei handelt es sich um Italien, Großbritannien und selbstverständlich um die Niederlande. In diesem Land ist der Verkauf von weichen Drogen in den oft zitierten Coffee shops erlaubt.

Zweite Feststellung: Die Theorie ist oft weit von der Praxis entfernt. Nehmen wir das deutsche Beispiel: Wer nur kleine Mengen von Haschisch und Marijuana für den privaten Konsum besitzt, kommt straffrei davon. Dagegen wird der Verkauf von Cannabis und der Besitz von großen Mengen weiterhin mit Gefängnis bestraft. Ein anderes Beispiel: Großbritannien. Die Regierung Blair zeigt sich dem Drogenhandel gegenüber sehr unnachsichtig. So wurde ein Drogenbeauftragter benannt, der den Kampf gegen Drogenhandel koordiniert.

Dritte und letzte Feststellung: In allen europäischen Ländern gibt es immer mehr Befürworter der Legalisierung von Cannabis. Ihr Hauptargument: Die weichen Drogen seien weitaus weniger gefährlich als die überall erhältlichen alkoholischen Getränke.

   
Politiker und Drogen
   
In Frankreich geben sieben Millionen Personen offen zu, bereits Cannabis benutzt zu haben. Jedoch sprechen sich 2/3 gegen eine Freigabe der weichen Drogen aus. 58% sperren sich gegen eine Unterscheidung zwischen Heroin und Haschisch. Was meinen die Poliker?

Artikel 1: Das Gesetz von 1970 wird außer Kraft gesetzt. Anfang Juni hat der kommunistische Abgeordnete André Gérin die Gesetzesvorlage eingebracht. Aber wenn er angenommen wird, braucht ein einfacher Drogenkonsument kein Gefängnis oder eine andere Strafe mehr zu befürchten um welche Droge es sich auch handelt. Fragt man André Gérin, warum er die Liste der Betäubungsmittel nicht in Frage stellen und Straffreiheit für den Konsum von Haschisch gewähren wollte, so erklärt der Abgeordnete, daß der soeben veröffentlichte Bericht unvollständig und vor allem, daß es hierfür noch zu früh sei.


André Gérin
Abgeordneter der Kommunistischen Partei

Persönlich habe ich nichts gegen die Straffreiheit, doch ehrlich gesagt, das steht gar nicht zur Debatte. Bei Haschisch sollte man der Zeit die Entscheidung überlassen. Vielleicht wird das Thema Haschisch in ein paar Jahren zu einer Kulturfrage.
Zur Ausarbeitung seiner Gesetzesvorlage hat André Gérin vier Jahre hindurch viele Gespräche geführt. Der Verein ''Grande Ecoute''hat ihm dabei geholfen. Ihr Vorsitzender Francis Curtet will keine Straffreiheit für Haschisch, zumindest jetzt nicht.
   

Die Lobbies, die auf Legalisierung und Straffreiheit drängen, sind heute sehr stark. Doch diese Lobbies setzen sich aus ganz unterschiedlichen Leuten zusammen. Manche tun es wegen des Geldes, andere aus Machtgründen, weil sie es für zweckmäßig halten oder aus Feigheit. Da kommt vieles zusammen, doch das fälscht auch die politischen Entscheidungen.


Francis Curtet
Präsident ‘Grande Ecoute’

   
Die bedeutendste Lobby ist das Cannabis-Informations und Forschungszentrum, abgekürzt CIRC. Am 10. Dezember organisierte sie die Aktion ''Hanf für die Abgeordneten'' und ließ jedem Volksvertreter einen Joint zukommen. In der Nationalversammlung gefiel das nicht allen. Elf Abgeordnete der Rechten reichten Klage ein.


Jean-Pierre Galland
Präsident des CIRC

Das war natürlich eine Form von Provokation, aber die Joints für die Abgeordneten war eine symbolische Aktion, die unserer Ansicht nach politisch war und keine kriminelle Handlung.
Für die Aktion ''Hanf für die Abgeordneten'' verurteilte das Strafgericht Jean-Pierre Galland zu 50.000 Francs Schadenersatz. Trotz des diesjährigen Demonstrationsverbots zum sogenannten 18. Joint bleibt das CIRC bei seinen Forderungen. Laut François-Georges Cavacquerie, dem Vorsitzenden des Circ im Département Ile de France, ''muß Haschisch aus der Liste der Betäubungsmittel herausgenommen werden. Nur würde der Staat damit eingestehen, daß man über Haschisch und generell alle Drogen 25, 30 Jahre lang Unwahrheiten oder zumindest groben Unfug verbreitet hat''.

Ende '97 gab Umweltministerin Dominique Voynet gegenüber der Wochenzeitschrift Charlie Hebdo zu, Haschisch genommen zu haben und gab zu verstehen, daß sie es immer noch rauche. Die Ministerin sprach sich zudem für die Legalisierung aus. In der Haschischfrage sind die Grünen von Dominique Voynet sehr liberal. Die Ökologen fordern die Abschaffung von Artikel L 630 des Gesundheitsrechts, der eine positive Darstellung von Drogen untersagt. Bernard Kouchner scheint bereit für die Strafbefreiung. Der Gesundheitsminister forderte den Roques-Bericht in Kenntnis der Sachlage an. Er braucht die Bürgschaft der Wissenschaftler, um seine Projekte durchzubringen. Doch er braucht auch die Zustimmung von Lionel Jospin und die hat er noch nicht in der Tasche. Die jüngsten Erklärungen des Premierministers sind ablehnend.

Vor allem der Staatspräsident hat sich Anfang Juni beim UNO-Drogengipfel klar gegen jede Liberalisierung ausgesprochen.

   


Jacques Chirac
Staatspräsident

Die Nachlässigkeit mancher Staaten darf nicht dazu führen, daß wir in unseren Anstrengungen nachlassen. Die Anti-Drogen-Gesetze müssen überall in der Welt harmonisiert werden.
Jacques Chirac will eine Harmonisierung, doch er vertritt eine Hardliner-Position mit einer unterschiedslosen Verbannung sämtlicher Drogen. Eine Anlehnung an das niederländische Modell kommt für ihn sicher nicht in Frage.

Nach einer Reportagevon Christophe Deloire