Appell zur Legalisierung von Haschisch beruft sich auf neue Studie
Probleme durch das Gefahrenpotential von Drogen Bericht von Professor Bernard ROQUES
Konferenz hält Annahme, Cannabis sei Einstiegsdroge, für widerlegt / Bundesländer verfolgen Konsumenten unterschiedlich
Von Ursula Knapp (Frankfurter Rundschau)
Die 5. Cannabis-Bundeskonferenz, ein Zusammenschluß von Gruppen
und Initiativen, der für die Legalisierung von Haschisch eintritt,
sieht sich durch eine im Auftrag des Bundesgesundheits- ministeriums erstellte
Studie bestätigt: Dort werde widerlegt, daß Cannabis als Einstiegsdroge
einzustufen sei.
KARLSRUHE, 5. Oktober. Die Einsicht,
daß Cannabis zumindest nicht gefährlicher ist als Alkohol, hat
sich bereits 1994 in einer aufsehenerregenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
(BVG) in Karlsruhe niedergeschlagen. Der zweite Senat urteilte, daß
Cannabis – Besitz in geringen Mengen zum gelegentlichen Eigenkonsum strafrechtlich
nicht verfolgt werden soll. Was eine solche geringe Menge ist, beantworten
die Bundesländer unterschiedlich.
Wie am Rande der 5. Cannabis – Bundeskonferenz mitgeteilt wurde, werden
in Bayern, Sachsen und Baden-Württemberg Verfahren in der Regel dann
eingestellt, wenn nicht mehr als sechs Gramm Haschisch sichergestellt und
die Personen im Vorjahr nicht auffällig wurden. In Hessen und Schleswig-Holstein
liegt die Grenze dagegen bei bis zu 30 Gramm. Thüringen verfolgt wiederum
den Besitz von Cannabis, selbst wenn es um Mengen unter sechs Gramm geht.
Angesichts der Ungleichbehandlung müßte eigentlich der Gesetzgeber
für eine Vereinheitlichung sorgen. Die 5. Cannabis-Bundeskonferenz
mochte dies jedoch nicht einfordern, da eine Vereinheitlichung auf unterstem
Niveau befürchtet wird. Länder mit einer relativ liberalen Einstellungspraxis
müßten dann möglicherweise Cannabis-Besitz wieder
stärker verfolgen.
Statt dessen rief Werner Sack, Jugendrichter in Frankfurt am Main und Mitglied
der Neuen Richtervereinigung, dazu auf, sich öffentlich zum Cannabis-Konsum
zu bekennen und mit Selbstanzeigen den „Unsinn der Strafverfolgung“ zu
beenden. Eine neue Studie, im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums
erstellt, widerlege, daß Haschisch eine Einstiegsdroge sei und den
Umstieg auf härtere Drogen zur Folge habe. Danach hätte ein Viertel
der Jugendlichen zwischen 14 und 25 Jahren Cannabis-Erfahrungen. 95 Prozent
hätten den Konsum jedoch wieder eingestellt. Nur zwei Prozent der
Konsumenten seien psychisch abhängig von Haschisch. Letztere Zahl
basiere nicht auf der Selbsteinschätzung der Betroffenen, sondern
auf objektiv erhobenen Befunden.
Angesichts der geringen Gefährlichkeit und der weiten Verbreitung
der Droge (mehr als sieben Millionen Menschen sollen in Deutschland zumindest
gelegentlich Haschisch rauchen), sei ein Konsumverbot nicht zu begründen,
meint Sack. Zugleich betonte der Richter, daß er „ein Leben ohne
Drogen für erstrebenswerter“ halte. Er habe nie Haschisch konsumiert.
Die Karlsruher Ärztin Ingeborg Sibler, im Vorstand der Gesellschaft
für Drogen- und Suchtmedizin, setzte andere Akzente. Sie lehnte den
Begriff Rausch im Zusammenhang mit Cannabis ab. Anders als Alkohol stoße
Cannabis-Genuß ein konsumkritisches Denken an. Auch Gesundheitsschäden
durch Heroinsucht seien allein durch Illegalisierung verursacht, nicht
durch die Opiate selbst. Sie betonte, daß Cannabis in der Medizin,
etwa nach Chemotherapien, erfolgreich eingesetzt werden könnte. Als
bei der Pressekonferenz angezweifelt wurde, daß aus dem medizinischen
Nutzen einer Pflanze auf die Ungefährlichkeit auch harter Drogen geschlossen
werden könne, antwortete die Ärztin gereizt:“ Es erschöpft
mich, immer alles zu wiederholen. Sie hätten sich ja etwas vorbereiten
können.“
Probleme durch das Gefahrenpotential von Drogen Bericht von Professor Bernard ROQUES
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