Betreff: Double Bind - Gedanken zur Hanfparade ;-)))
Datum: Mon, 24 May 1999 11:48:53 GMT
Von: zarathustra@ginko.de (Johannes)
Foren: de.soc.drogen
Ich möchte hier eine
Parallelen zwischen amerikanischen Rassismus und dem Drogenkrieg ziehen:
Es war das Verdienst von schwarzen Theologen Martin Luther King, den "double-bind",
die "Beziehungsfalle" aufzudecken, in die das amerikanische System den
Schwarzen bringt, indem es ihn als Person, als erkennendes Subjekt, nicht
für voll nimmt.
Wenn Weiße die Schwarzen immer von oben herab ansprechen, wie etwa:
"Na du Neger, kommen du mal mit!", also wie ein Erwachsener zum Kind,
--> dann hat der Schwarze nur zwei Möglichkeiten:
1. als "Onkel Tom" sich fügen und mitkommen: "Jawohl, Sir"
oder
2. als "Malcolm X" zu rebellieren: "He, du weißes Arschloch, was
glaubst du eigentlich, wer du bist?"
Eine dritte Möglichkeit, nämlich als Gleichgestellter zu reagieren,
gibt es nicht. Wenn der Schwarze fragt: "Bitte???", dann ist er eben schwer
von Begriff. Dann heißt´s: "DU MITKOMMEN!" und vielleicht fliegen
bald die Fäuste.
Der Polizist schrie:
"He, Du! Komm her!"
"Ich heiße Dr. Alvin Poussaint. Ich bin Arzt."
"Alvin, wenn ich dich das nächste Mal rufe, kommst du sofort, hast
du gehört?"
Ich zögerte. "Hast du mich verstanden?" Meine Stimme zitterte vor
Hilflosigkeit, doch ich folgte meinem Selbsterhaltungstrieb und murmelte:
"Jawohl, Sir!"
(aus: "Rapping in the ghetto", 1969)
Vielleicht kann man das
auf die ideologische Aufladung beim Drogenkrieg übertragen. Wenn man
nämlich auf Nahas "Hasch macht einem zum Idioten" reagiert mit "Hasch
macht einem zum Überflieger", dann kommt man keinen Schritt weiter.
Dazu kurz eine Darstellung über die Leistung Kings:
"...[King] lehrte seine Anhänger, der Unterdrückung mit erhobenen
Haupt ins Auge zu blicken und auf höfliche und würdige Art die
eigenen Rechte zu fordern. Je offener und flexibler sie bei diesen Forderungen
wären, um so überzeugender und unnachgiebiger würden sie
dann sein, wenn sie bei diesen Forderungen abgelehnt würden.
Seine Anhänger mußten ihre moralische Überzeugung Schritt
für Schritt lernen, und King verstand die Dynamik dieser Entwicklung
mehr als jeder andere. Die ganze Leidenschaftlichkeit mußte mit der
eisernen Disziplin der Gewaltlosigkeit auf einen Nenner gebracht werden.
Er foderte sie auf, ihre Racheimpulse nicht zu verdrängen, sondern
zu unterdrücken. Sie sollten Kränkungen und Ungerechtigkeiten
mit Nachdruck zurückweisen, allerdings immer im Kontext einer gleichberechtigten
Opposition, loyal gegenüber der Menschlichkeit und gegenüber
dem Land, das seine Sklaven befreit und die Protestierenden mit genau dem
Gedanken der Gleichheit aller Menschen erfüllt hat. (...)
Abend für Abend wurden im Fernsehen schwarze Menschen gezeigt, die
entschlossen und hoch diszipliniert auftraten, während weiße
Rassisten aus den Südstaaten spuckten und höhnisch grinsten,
Bomben legten und mordeten und so haßverzerrte Gesichter zeigten,
daß man den Eindruck bekam, Zeuge des Zusammenbruchs eines ganzen
Lebensstils zu sein.
Ich meine, daß hier zwei Arten von Wertsystemen aufeinanderprallten:
die traditionelle "maximierende" Struktur", wo Loyalität, Macht, Disziplin,
Patriotismus und Geist in ihre logischen Extremformen getrieben wurden,
während die komplementären Werte andererseits unterdrückt,
andererseits nach außen, in eine "unterlegene", "animalische" Rasse
projiziert wurden; und ein optimales, synergistisches Wertsystem, wo jeder
einzelne Wert mit seinem Gegenstück ausbalanziert ist.
Ich glaube, daß die Vertreter eines maximalen, absolutistischen und
fundamentalistischen Wetsystems von Patrioten und Verrätern, von reinen
weißen Frauen und verdorbenen schwarzen Huren, von echten Amerikanern
und perversen "Roten" mit denen anfangen, die weder zur einen noch zur
anderen Art gehörten; die sich freundlich ihr Recht verschafften?
King kniete nieder, so wie es die ergebenen Uncle-Tom-Prediger schon immer
getan hatten, doch dann stand er auf und organisierte einen Protestmarsch.
Selbst im Kampf wirkte er demütig, und als Motor der Unruhe erschien
er friedlich. (...)
Die Mörder Kings hatten im wesentlichen die gleichen Motive wie die,
die Sokrates vergiftet, Jesus gekreuzigt, Thomas More enthauptet und Gandhi
erschossen haben. Uns quält die Ambiguität derjenigen, die die
umfassende Vernunft anwenden, die nicht nur den Wert vertreten, der uns
am liebsten ist, sonder auch seine Verneinung. Verrückt vor Angst
töten wir die, die sich mit ausgestreckten Armen zwischen unsere Fanatismen
stellen, um uns zu heilen..."
(Charles Hampden-Turner: Martin Luther King und der Mythos Amerikas)
"Die Wahrheit wird euch frei machen" (Joh. 8, 32)
Gruss Johannes ;-)))
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...Ein altes ideologieverhangenes Postulat ist es auch, daß nur derjenige
über Drogen mitreden könne, der selbst Drogen konsumiert habe.
Damit sollen alle diejenigen aus der Diskussion ausgeschlossen werden,
die im eigentlichen Sinne imstande sind, sich ein objektives Bild von Drogenwirkungen
zu machen. Die Diskussion müßte sonst über kurz oder lang
zum Drogenpalaver verkommen, womit freilich weder der Öffentlichkeit
noch auch hilfesuchenden Drogenkonsumenten gedient wäre ...
Cannabiskonsum kann nicht Teil der menschlichen Grundfreiheit sein, da
er selbst in die Unfreiheit der Abhängigkeit hineinführt...
(aus: Täschner, Haschisch - Traum und Wirklichkeit, 1982, S.38/39)
Dieses Werk lag dem Bundesverfassungsgericht 1994 als Expertise vor. |