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warum menschen drogen nehmen
sprechende pilze
gift und elexier fuer pflanzen
materie und energie im regenwald
vegetalismo
biochips


warum menschen drogen nehmen

der gebrauch von drogen in menschlichen gesellschaften ist so alt wie die menschheit selbst. warum erlaubt uns die natur, symbiotische beziehungen mit pflanzen und chemikalien aus der natuerlichen, inzwischen auch der technologischen umwelt einzugehen?

unsere allesfresserischen diaetgewohnheiten haben uns zur zielscheibe von myriaden genveraendernden einfluessen gemacht. zusammengenommen haben sie die menschliche evolution in seltsamer und einzigartiger weise mitgepraegt. die herausbildung von kulturformen des selbstbewusstseins spiegelt innere geisteszustaende wieder, die durch unsere beziehungen zu psychoaktiven und physiologisch aktiven pflanzen, zu nahrungsmitteln, drogen und gewuerzen tiefgreifend beeinflusst wurden. eine diskussion der bislang unberuecksichtigten beziehungen zwischen drogen und kultureller selbstaeusserung oeffnet neue wege des nachdenkens ueber die menschliche geschichte. so besehen laesst sich geschichte verstehen als eine folge von uebereinkuenften zwischen menschen und pflanzen, die mal eingehalten und mal gebrochen wurden. das archaische paradigma fuer eine intakte beziehung bietet der schamanismus des palaeolithikum, die eleusinischen mysterien stellen ein beispiel aus dem klassischen altertum dar, waehrend der gegenwaertige konsum von kaffee, alkohol, zucker und tabak die tatsache illustriert, dass neue forschungen und technologien immer auch mit neuen drogengewohnheiten einhergehen.

im zeitalter der entdeckungen wurden nicht nur gewuerze und nutzpflanzen nach europa importiert. eine bestimmte europaeische obsession, naemlich die sucht nach weissem zucker, war so gewaltig, dass sogar die sklaverei - seit dem fall von rom nurmehr eine kuriositaet im westen -, wie in einem rachefeldzug zurueckkehrte, damit genuegend arbeitskraefte auf die toedlichen zuckerplantagen geschickt werden konnten.

als der englische ueberseehandel mit tee zusammenbrach, sicherten sich die briten mit militaerischer macht das privileg, in china opium zu verkaufen. von dieser politik laesst sich eine bruecke schlagen zu zeitgenoessischen entwicklungen, wie sie sich in der flut von raffinierten narkotika wie heroin, kokain und crack aeussern. der handel mit modernen synthetischen drogen hat raeuberische finanzimperien geschaffen, die oft mehr macht besitzen als die staaten, die ihre entstehung anfangs sanktionierten. dem liegt eine botschaft zugrunde: lasst uns geschichte im rahmen sich entwickelnder und gegenseitig transformierender beziehungen zu pflanzen betrachten, von der gerste zum cannabis. dies zu verstehen ist heute dringender denn je, da uns die moderne pharmakologie und unsere lebensweise immer maechtigere mittel in die haende legt, um zu befriedigen und zu erkunden, was man unsere gewohnheits-gottheit nennen koennte.


sprechende pilze

die mexikanischen mazatek-indianer behaupten, dass der psilocybin-pilz spreche. fragst du einen schamanen, woher er seine sprachbilder beziehe, wird er antworten: "nicht ich habe es gesagt, sondern der pilz." nur menschen besitzen sprache, die vorstellung sprechender pilze entspringt einer naiven anthropomorphisierung der natur. aber wenn ein mensch der sprache die pilze isst, wird ihm ein inspirierter umgang mit sprache zuteil. pilze-essende schamanen haben den auftrag, zu sprechen. sie sind verkuender und saenger der wahrheit, sie sind die poeten der muendlichen ueberlieferung. sie sind aerzte des wortes, volksmund, sie sind da, um zu sagen, was falsch ist und wie es behoben werden kann, sie sind seher und orakel, die von der stimme besessenen. "nicht ich bin es, der spricht," sagte heraklit, "sondern der logos." sprache ist eine ekstatische aktivitaet der signifikation. die leichtigkeit, fluessigkeit und ausdruckskraft der sprache, derer man im pilzrausch faehig wird, ist enorm. sie laesst einen staunen ueber die hervorstroemenden worte, wenn erst der wunsch, etwas zu artikulieren, mit dem gegenstand der erfahrung in beruehrung kommt. manchmal scheint es, als werde einem vorgesprochen, was es zu sagen gilt, denn es springen die worte foermlich in den geist, eins nach dem anderen, aus sich selbst heraus und ohne, dass man danach suchen muesste. dieses phaenomen ist dem automatischen schreiben der surrealisten aehnlich, nur dass im pilzrausch der bewusstseinsfluss nicht beliebig oder unverbunden ist, sondern zur kohaerenz neigt und sogar zu einer rationalen emanation von bedeutung findet. der pilz erschliesst felder voller botschaften, er beschert kommunikationen mit der welt, mit anderen und mit sich selbst. die dadurch freigesetze spontanitaet ist nicht nur wahrnehmend, sondern linguistisch, es ist eine spontanitaet der rede, ein heisser, luzider diskurs des aktiven logos. fuer den schamanen ist es, als spreche existenz durch ihn hindurch. worte sind materialisierungen des bewusstseins. sprache ist ein priveligiertes vehikel, um beziehungen zur wirklichkeit zu schaffen.

aus: henry munn, the mushroom of language. in hallucinogenes and shamanism. hrsg. michael hamer, oxford press, 1973, s. 88-89


gift und elexier fuer pflanzen

schwermetalle sind fuer pflanzen oft gift und lebenselexier zugleich. welche wirkung ueberwiegt, haengt von der konzentration des jeweiligen elements ab. manche enzyme benoetigen zum beispiel kobalt, kupfer nickel, selen oder zink, um ihre arbeit verrichten zu koennen. in hoeherer konzentration hingegen werden die reaktionsfreudigen ionen der schwermetalle zu enzymgiften. um so erstaunlicher ist es, dass manche gewaechse grosse mengen der toxischen substanz anreichern, ohne schaden zu nehmen. solche pflanzen findet man etwa auf erzhaltigen abraumhalden von bergwerken oder auf natuerlichen serpetin-boeden. auf dem lebensfeindlichen untergrund gedeihen im allgemeinen nur verhaeltnismaesig wenige arten, besonders angepasste oekotypen, die sich schon aeusserlich von ihren bequemer lebenden verwandten unterscheiden. sie nehmen oft geradezu unglaubliche mengen der toxischen elemente auf. so hat man in den blaettern des hellerkrautes schon zinkgehalte von 1,6 prozent - bezogen auf das trockengewicht - gefunden. normalerweise enthalten pflanzen weniger als ein hundertstel dessen. muenchener wissenschaftler an der ludwig-maximilians-universitaet ist es gelungen, einen entscheidenden mechanismus der metalltoleranz von pflanzen zu entschluesseln. sie fanden spezielle peptide, die fuer die entgiftung verantwortlich sind. die molekuele bestehen aus 5 bis 23 kettenfoermig aneinandergereihten aminosaeuren. wenn es gilt, schwermetalle unschaedlich zu machen, lagern sich mehrere peptide aneinander und fangen die metall-ionen ein. die metalle koennen einen groessen teil des komplexes ausmachen. man fand phytochelatine, die 16 gewichtsprozent cadmium enthielten. phytochelatine haben in der zelle eine hohe lebenserwartung, so dass die eingeschlossenen schwermetalle auf lange zeit unschaedlich gemacht sind.

inzwischen hat man rund 200 pflanzenarten auf phytochelatine untersucht. man wurde ohne ausnahme fuendig, und zwar unabhanegig davon, ob es sich um algen, moose, schachtelhalme und baerlappe oder um nadelhoelzer und bluetenpflanzen handelte. alles deutet darauf hin, dass dieser schutzmechanismus im ganzen pflanzenreich verbreitet ist. vielleicht liessen sich pflanzen, die schwermetalle besonders gierig aufsaugen, sogar zur entgiftung verseuchter boeden verwenden.

(frankfurter allgemeine zeitung, 7. februar 1990)


materie und energie im regenwald

wachstumsbegrenzende faktoren der gemaesigten zonen, wie niedrige temperaturen, wassermangel und eine kurze wachstumsperiode, sind in den feuchten tropen von untergeordneter bedeutung. dabei ist der vorhandene stock an mineralischen naehrstoffen relativ klein. ausnahmen bilden hoechstens angeschwemmtes land land sowie boeden, die gelegentlich durch vulkanasche bereichert werden. unter diesen bedingungen kann der regenwald gedeihen, weil aller vorhandener stickstoff, kalzium, phosphor, protasium und andere von den pflanzen gehaltene mineralien breit gefaechert und verteilt werden. die in laub und totem holz, in exkrementen und verwesenden tierkoerpern enthaltenen naehrstoffe werden dank der arbeit kompenstierungsfoerdernder organismen schnell wieder freigesetzt. ist die abgestorbene materie erst in ihre bestandteile zerlegt, bleiben die mineralien nicht im boden, sondern werden beinahe sofort wieder von den wurzeln der baeume und anderer pflanzen aufgenommen.

auf diese weise vollzieht sich das recycling der naehrstoffe sehr schnell, obwohl ihr gesamtvorrat nicht gross ist. dieses system ist
hocheffizient und weist nur sehr geringe verluste auf.

(scientific american, dec. 1973, s. 63)


vegetalismo in suedafrika

von dr. louis eduardo luna

tabak und ayahuasca gehoeren zu jener gruppe pflanzen, die von oertlichen heilern doctores genannt werden. die schamanen glauben, dass diese pflanzen, unter bestimmten bedingungen verzehrt, ihnen etwas beibringen koennen. waehrend der zeit der initiation - sie kann monate bis jahre dauern - werden diese pflanzen regelmaessig eingenommen, wobei eine strikte diaet und sexuelle zurueckhaltung gewahrt wird. die informanten, mit denen ich zusammenarbeite, behaupten, dass der "geist" oder die "mutter" der pflanzen sich den eingeweihten praesentiere, sei es in visionen, oder im traum, sei es, um ihnen zu zeigen, wie man krankheiten diagnostiziert und heilt oder boese geister beherrscht, die in der erde, der luft oder im wasser hausen, sei es, um die initianten zu lehren, durch zeit und raum zu reisen oder sei es, um sie andere schamanische kuenste meistern zu lassen.

diese kraefte erwirbt man hauptsaechlich durch das memorieren von icaros genannten magischen melodien oder gesaengen. die anzahl und qualitaet dieser von einem schamanen beherrschten icaros ist der verlaesslichste masstab zur bestimmung seines wissens und seiner macht. alle meine informanten behaupten, dutzende auswendig zu koennen.

jede pflanze besitzt ihr eigenes icaro. das repertoire angehender schamanen erweitert sich staendig. gelegentlich dazu ergibt sich, wenn der ayahuasca-grundmischung aus banisteriopsis caapi und psychotria viridis zusaetzliche pflanzen beigemischt oder wenn neue pflanzen-lehrer mit anderen eigenarten verzehrt werden. waehrend der initiation scheint das einstudieren von schamanischen gesaengen und melodien sowie das memorieren von mythen ein weitverbreitetes phaenomaen zu sein. ich habe noch keine bibliografische uebersicht erstellt, vermute aber, dass das leben von magischen gesaengen und melodien in vielen kulturen mit der einnahme von psychotropen pflanzen einhergeht. bezeugt ist es bei den huichol, die den peyotekaktus (lopophora williamsii) und andere psychotrope pflanzen zu sich nehmen, bei den mazateken, die pilze der gattung psilocybe und bei mestizios, die den san-pedro-kaktus (trichocerus pachanoi) essen, ebenso bei den yano-mamo in sued-venezuela und in nord-brasilien, die ein epena genanntes schnupfpulver aus virola theidora benutzen.

die vorstellung, dass bestimmte pflanzen magische melodien lehren koennen, ist eng verbunden mit dem ayahuasca-konsum bei der indianischen und mestizen-bevoelkerung von coqueta in kolumbien, sowie in den peruanischen provinzen loreto, ucayali und madr de dios. im brasilianischen bundesstaat acre gibt es gemeinden, die eine zubereitung der ayahuasca-bestandteile banisteriopsis caapi und psychotria viridis unter dem namen santo daime einnehmen. all diese gruppen verfuegen ueber sogenannte himnarios, liedersammlungen, die einigen privilegierten mitgliedern vom santo daime eingegeben wurden. manchen gemeinden sind bis zu dreitausend himnarios bekannt.

sowohl die auf heilung, als auch die auf zauberei spezialisierten schamanen bestaetigen, dass ihre kraefte in den icaros verkoerpert sind.

einer meiner informanten, don alejandro, drueckte es so aus: "ein mensch ist wie ein baum. unter den richtigen umstaenden wachsen dem baum viele aeste. diese aeste sind die icaros."

schamanen sind oftmals wissenschaftler, kuenstler, jaeger und bauern in einer person, sowie aerzte fuer leib und seele.

wir stehen ebenso enormen wie faszinierenden forschungsaufgaben gegenueber. sie sollten mit aller dringlichkeit in angriff genommen werden, bevor die zeit unsere weisen alten leute wegnimmt.

aus: vegetalismo von dr. louis eduardo luna. zu beziehen vom autor (fuer $ 20). bezugsadresse: l.e. luna, c/o swedish school of economy, ardadiankatu 22, 00100 helsinki 10, finnland.

dr. lunas tonaufnahmen magischer inkantationen, gesungen waehrend ayahuasca-sessions von amazonas-schamanen in peru und kolumbien, koennen bezogen werden ueber: lux natura, 2140 shattuck av. # 2196-w ca 94704


biochips

der computer des 21. jahrhunderts soll auf der basis von biomolekuelen arbeiten. computer-chips herkoemmlicher bauart sind mit schaltkreis-abmessungen von 0,001 millimetern an der grenze des physikalisch machbaren angelangt. die "bio-computer" (richtiger waere es, von molekular-computern zu sprechen), sollen den computerbauern neue dimensionen der miniturisierung erschliessen. molekulare elektronik-bausteine koennten schaltelemente in der groessenordnung von 50 nanometern (ein nanometer = ein milliardstel meter) enthalten.

entscheidend fuer das funktionieren der hypertechnologien ist der erzielbare miniturisierungsgrad aller komponenten. nicht nur schaltkreise, sondern auch sensoren oder mechanische teile wie motoren, ventile oder duesen gilt es, so klein wie moeglich zu halten. die zaehne eines mikromotor-zahnrades sind gerade so gross wie ein rotes blutkoerperchen. fuer bio-computer werden verschiedene moeglichkeiten der signaluebermittlung diskutiert. einige forscher sehen elektrisch leitfaehige proteine als das geeignete material fuer bio-chips an. die nanotechnologie ist vielleicht schon bald keine utopie mehr. fuer kuenftige selbstreproduzierende roboter waere die nanotechnologie sogar ein sex-surrogat: sie koennten sich mit ihrer hilfe fortpflanzen. der us-genetiker kevin ulmer sagt:

"die kuehnste vorstellung geht dahin, dass ein vollstaendiger genetischer code fuer einen computer entwickelt wird, der wie ein virus funktionieren wuerde. aber statt dass dieser code weitere viren produziert, wuerde er einen voll arbeitsfaehigen computer innerhalb der zelle zusammenbauen. jedesmal, wenn sich eine solche zelle teilt, waere das gleichbedeutend mit der einrichtung einer neuen produktionsstrasse fuer computer." kommt der biocomputer auf proteinbasis eines tages wirklich, weicht die starre grenze zwischen leben und nichtleben auf.

der biologe j.h. mcalear sagt, was man mit ihnen tun koennte: "eingepflanzt ins gehirn, laesst der biocomputer aus seinen proteinfacetten kleine nervenenden spriessen. die neuronen des gehirns werden sich mit diesen hauchzarten gewaechsen verbinden, die elektronischen impulse in der natuerlichen sprache des gehirns aussenden." das implantat soll die faehigkeit des gehirns, logisch zu denken, mit elektronischer geschwindigkeit und effizienz vereinen.

aus: natur, 12/89

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