Selbstanzeige wegen Cannabisbesitz ?

Seid ihr bescheuert oder was ?!?

So oder so änlich sehen die Reaktionen derer aus, die sich bisher noch nicht mit dem politischen Hintergrund auseinander gesetzt haben. Es ist wohl eine berechtigte Frage, die wir Euch hiermit ein wenig erläutern wollen.

Also vorweg, wir sind nicht bescheuert.

Wir setzen uns für die Legalisierung der Drogen, insbesondere für die "Droge" Hanf ein und wollen mit einer Selbstanzeigenkampagne eine politische Auseinandersetzung entfachen und die zuständigen Stellen wecken:

Nach dem BVG-Urteil (Bundesverfassungsgericht) von 1994 wurde das 1929 erlassene Opium-Gesetz, 1971 abgelöst durch das BTM (Betäubungsmittelgesetz), ein ganz klein wenig liberalisiert und bietet uns nun eine Möglichkeit, die ganze Auseinandersetzung auf unkonventionelle Weise in die öffentliche Diskussion zu bringen. Ein Beispiel dafür wäre der Alleingang (Selbstanzeige wegen ca. 3 Gramm) von Georg Wurth, der damit schon ein großes Presseecho und daraus resultierend eine öffentliche Diskussion hervorgerufen hat (siehe dazu "Geständnis eines Verbrechers").

Dies ist natürlich kein Zufall, daß die Öffentlichkeit so sensibel auf das Thema reagiert, wenn wir die heutige Disskusion um die "Droge" Hanf näher betrachten.

Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 festgestellt, daß die Drogenpolitik der Bundesregierung veraltet ist und überarbeitet werden müßte. Daraus resultierend hat das Bundesverfassungsgericht den Staatsanwaltschaften ein Hintertürchen geöffnet. Es hat beschlossen, daß die jeweilige Staatsanwaltschaft das (BTM) Verfahren wegen geringfügiger Menge einstellen kann.
Diese geringfügige Menge sollte einen in allen Bundesländern einheitlichen Wert haben.

Was ist bisher auf politischer Ebene passiert?

So gut wie noch nichts, Ausnahme ist das angestrebte Modellprojekt von Schleswig-Holstein -rot-grün regiert-. Hier wollte man (vorweg Heide Moser, SPD Gesundheitsministerin von Schleswig-Holstein) versuchen, ähnlich wie in Holland, die Drogenmärkte (harte und weiche Drogen) zu trennen. In Schleswig-Holstein sollten die Cannabiskonsumenten ihr Genußmittel in geringen Mengen in Apotheken erhalten. Dies würde zur Entkriminalisierung der Konsumenten führen und die Märkte trennen. Darüber hinaus gab sie vor kurzem ein Interview in der Zeitschrift Hanf, in dem sie die "Drogenprävention" bei Cannabisprodukten unglaubwürdig findet, - dem können wir nur zustimmen - da man keinem 16jährigen erzählen kann: "Du kannst Dir an der nächsten Ecke einen "Kleinen Feigling" kaufen, aber wenn Du einen Joint kaufst, dann machst Du Dich strafbar." Ferner ist sie auch der Meinung, Zitat:

"Die Verlogenheit der Diskussion über Sucht und Drogen in dieser Gesellschaft ist so groß, daß es wichtig ist, mehr Ehrlichkeit in die Debatte zu bringen"

Leider ist diese Sichtweise bisher nur bei wenigen PolitikerInnen und Parteien zu finden. Das sieht man auch daran, daß das "Apothekenmodell" von Schleswig-Holstein nunmehr an der Verbohrtheit von Bundesgesundheitsminister Seehofer gescheitert ist. Er hat es untersagt und bleibt somit bei der veralteten Drogenpolitik. Die Landesregierungen haben es noch nicht einmal geschafft, einen einheitlichen Grenzwert für den geringfügigen Besitz von Cannabis festzusetzen. Die Werte schwanken je nach politischer Mehrheit in den Ländern zwischen 3 und 30 Gramm (Bayern 3g; NRW 10g; Hessen 30g). Hier genau ist der Ansatzpunkt für eine politische Auseinandersetzung. Mehrheiten kann man nur schaffen, indem man die Drogenpolitik der Bundesregierung an den Pranger stellt und somit eine öffentliche Diskussion entfacht, an der auch die Parteien nicht vorbei kommen. Auf der anderen Seite geben wir auch dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit, seine Forderung nach einer Überarbeitung der Drogenpolitik zu verstärken und damit wiederum die Bundesregierung unter Druck zu setzen. Langfristiges Ziel der Kampagne ist, daß die Konsumenten von Cannabisprodukten genauso legal ihr Genußmittel Cannabis genießen können, wie es seit Jahrhunderten bei den Konsumenten von Zigaretten und Alkohol üblich ist.

Das Geständnis eines Verbrechers!?!

von Georg Wurth

"Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit möchte ich Ihnen mitteilen, daß sich in meiner Wohnung ca. 4 Gramm Marihuana befinden." So begann der Brief, den ich offiziell als Sprecher der grünen Partei in Remscheid am Sonntag, den 17.März 96 beim Polizeipräsidium eingeworfen habe. Damit verbunden habe ich Kritik an der derzeitigen Kriminalisierung von Drogengebrauch und drogenpolitische Forderungen der Grünen. In der darauf folgenden Woche geht die Angelegenheit kreuz und quer durch die Medien: montags kommunale Presse und Radio, mittwochs BILD-Zeitung, freitags WDR-Fernsehen. Dienstags unterhält sich eine ältere anonyme Dame mit meinem Anrufbeantworter. Sie meint, Vollidioten wie mich solle man erschlagen.

Kein Blumentopf zu gewinnen ?!?
Ein paar Tage später spricht mich ein altgedienter Strafrichter in der Post an. Er hält nichts von mir und meiner Aktion. "Damit können Sie bei Jugendlichen keinen Blumentopf gewinnen". Ich denke an die vielen Jugendlichen, die mir spontan zur Selbstanzeige gratuliert haben und frage mich, was ich mit einem Blumentopf soll. Als ich anfange, Argumente vorzubringen, hat er`s plötzlich eilig.

Freitag, 22.3., 9.00 Uhr morgens: Nach meinem Nachtdienst war ich im Tiefschlaf als es klingelt. Ich hatte die Polizei darum gebeten, einen Termin mit mir auszumachen. Naja, das ist wohl bei "Rauschgift"-Sicherstellungen nicht ¨blich. Aber die drei Herren sind sehr freundlich. Ihr Einsatz scheint ihnen fast peinlich zu sein. In meinem Fall halten sie es nicht für nötig, einen Hund mitzubringen. Dafür ist der Polizei-Pressesprecher dabei. Mit genau 3,28 Gramm Gras gehen sie dann wieder. Nachmittags bin ich noch für eine Stunde zum freiwilligen Verhör auf der Polizeiwache. Die Pistole des Beamten gilt nicht mir, die gehört zur Berufskleidung. Nun bin ich also kriminell. Komisches Gefühl. Ob jetzt mein Telefon abgehört wird? Ob die Polizei nochmal zu einem Überraschungsbesuch vorbeikommt?

Staatsanwaltschaft verzweifelt !

Zwölf Wochen lang zerbricht sich die Staatsanwaltschaft Wuppertal den Kopf über meinVerbrechen. In Ihrem Fall ist das ja alles etwas komplizierter, da müssen wir sorgfältig drüber nachdenken." Ergebnis Ende Juni: Den Herrn Wurth müssen wir jetzt mal anklagen, der ist besonders gefährlich. Der Angeschuldigte hat dadurch mindestens auf Jugendliche und Kinder, die den Unwert des Geschehens nicht einschätzen können, eingewirkt....Die Strafverfolgung ist somit ein gegenwärtiges Anliegen der Gemeinschaft geworden."

Ende August lehnt das Amtsgericht Remscheid es ab, sich mit so einem Unfug zu befassen. Ich bin sehr erfreut. Das Verfahren ist mir schon längst auf den Keks gegangen. Endlich darf ich wieder Politik machen, ohne von den Kollegen der anderen Parteien schief angeguckt zu werden. Die CDU hat schon Munition für den nächsten Wahlkampf gewittert. - Aber halt! Justitia ist noch nicht mit mir fertig.

Nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wuppertal entscheidet das Landgericht Wuppertal, daß das Amtsgericht Remscheid den Fall doch verhandeln muß.

Auf in die 2. Runde

Wieder rollt der Fall bundesweit durch die Medien; alle deutschen Tageszeitungen sind dabei. Langsam macht mir die Sache wieder Spaß. Ich erfahre viel Unterstützung von allen möglichen Initiativen Vereinen,Verbänden und natürlich von den Grünen.

Die rührende Hartnäckigkeit der Staatsanwälte macht die Sache zu einer unterhaltsamen Justizposse. Am 20.11. ist der Prozeß. Obwohl es für einen so kleinen Prozeß nicht nötig gewesen wäre, leiste ich mir einen Anwalt, falls ich den Fall noch in höhere Instanzen tragen sollte. Der Staatsanwalt hat einen schweren Stand in der 90minütigen Verhandlung. Richter und Publikum sind deutlich auf meiner Seite. Der Staatsanwalt überspannt ständig den Bogen. Zu einer Broschüre, die wir vor Schulen verteilt haben, sagt er: Gut, Sie warnen hier auch vor möglichen Schwierigkeiten. Aber hier..."- seine Stimme wird laut und bedrohlich - schreiben Sie: ,Es gibt auch die Möglichkeit, mit Haschisch genußvoll umzugehen`". Große Fragezeichen bei allen Gesichtern im vollbesetzten Raum.

JA, UND ???

Am Ende der spannenden Verhandlung glaubt der Richter, er könne von Stafe nicht absehen, weil es ja nunmal nicht um eine kleine Menge zum Eigenverbrauch ging, sondern zur Übergabe an die Polizei.

Naja, die Logik soll einer verstehen; 600 DM Verwarnung auf 2 Jahre Bewährung. Das ist zwar ein Freispruch zweiter Klasse, aber immerhin keine Verfahrenseinstellung. Wegen ein paar Pflanzenteilen. Das ist nicht einzusehen.

Auf in die 3. Runde

Also lege ich Sprungrevision beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein. Diese wird im April `97 abgewiesen. Dagegen lege ich wiederum im Mai Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Mal sehen, was die damit machen...

Die Kampagne arlsruhe ein. Mal sehen, was die damit machen...

Die Kampagne TML>