Hanfsamenverbot

Wie ein Cannabissamen zum Betäubungsmittel und THC zum Arzneimittel werden soll

Über die neuesten Verbotspläne aus dem Gesundheitsministerium

  
  
Samen
 
 
 
Die Sommerpause wurde vom Bundesministerium für Gesundheit dazu genutzt, den Bundesländern ein umfassendes Reformwerk im Betäubungsmittelrecht zur kurzfristigen Stellungnahme vorzulegen: die 10. Verordnung zur Änderung betäubungs- mittelrechtlicher Vorschriften. In zwei Punkten betreffen die Regelungen Cannabis: Zum einen soll der Handel mit Cannabissamen zum Homegrowing verboten werden, zum anderen soll sythetisches THC als verschreibungs- fähiges Arzneimittel zugelassen werden. 

Eine Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften ist kein Gesetz, sondern eine vom Bundesminister für Gesundheit erlassene Vorschrift, mit der die Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) geändert und die sogenannte Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) erlassen oder geändert werden können. Diese Verordnung bedarf der Zustimmung des Bundesrates, nicht aber der des Bundestages.   

Cannabis steht in der Anlage I des BtMG und ist damit rechtlich ein "nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel". Damit waren die "Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen" verboten. Als Ausnahme galten bisher "deren Samen". Dieser Passus soll nun geändert werden: in Zukunft sollen nur noch "deren Samen, sofern er den Umständen nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt ist" vom Verbot ausgenommen sein. Damit sind vor allem die in der EG zertifizierten Saatgutarten für Faserhanf gemeint. In der Begründung wird das Ministerium deutlicher: Mit der Änderung soll "dem verbreiteten Vertrieb von Cannabissamen für den individuellen Anbau von Hanf zu Rauschzwecken entgegengewirkt werden. Der Samen ist insbesondere dann nach den Umständen zum unerlaubten Anbau bestimmt, wenn spezieller Samen in zählbarer Körnermenge (z.B. 10 Samenkörner für bis zu 150,- DM), häufig in Verbindung mit Beleuchtungssystemen für den Anbau in Wohnräumen und Kellern und/oder mit Angaben des Tetrahydrocannabinol (THC)-Gehaltes der angebauten Pflanze, angeboten und damit zu einem nicht erlaubten Hanfanbau verleitet wird".   

Würde die Verordung in dieser Form rechtskräftig werden, wäre der Verkauf von Samen zur Hanfaufzucht verboten. Bislang haben die Anbieter immer darauf hingewiesen, daß der Anbau von Cannabis genehmigungspflichtig ist. Die Verwendungsmöglichkeiten der Samen sind vielfältig und so lag es bisher in der Verantwortung der Saatgutkäufer, was sie mit dem Cannabissamen anstellten: ob sie ihn sammeln, eine Genehmigung zum Anbau beantragen, illegalen Anbau betreiben, damit Kochen oder Öl pressen. Die neue Verordnung unterstellt per se, daß illegaler Anbau betrieben werden soll. Ohne daß eine illegale Tat, wie z.B. der Erwerb eines Betäubunsmittels, bereits passiert ist, wird ein Straftatbestand angenommen bzw. vorverlagert. Der Besitz einzelner Cannabis-Samenkörner wäre damit z.B. dem Besitz von Heroin gleichgestellt und könnte mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden.   

Als im Februar 1996 bekannt wurde, daß das Bundesministerium ein generelles Verbot der Samen vorsah, protestierte z.B. das SPD-regierte Nordrhein-Westfalen mit der Begründung, daß die Samen auch in Vogelfutter enthalten seien und damit auch der geplante Anbau von Faserhanf unnötig erschwert würde. Die Vorschrift wurde nicht rechtskräftig. Doch wie soll das geplante Verbot kontrolliert werden? Es gibt durchaus potenten Samen, der in Pfund-Packungen verkauft wird und als Vogelfutter oder Nahrungsmittel dient. Wie soll der Käufer, manchmal auch der Verkäufer anhand der Samenform erkennen, ob die Pflanze THC-reich oder THC-arm ist? Wie soll das die Polizei erkennen? Müssen die Ermittlungsbehörden nach der Beschlagnahmung des Samens eine Aussaat in den Aservatenkammern vornehmen, um dieser Frage zu klären? Oder sollen pauschal alle Samenanbieter kriminalisiert werden, nur weil sie die Samen in abgezählter Form anbieten?   

Andererseits bringt die Verordnung auch fortschrittliche Bewegung ins festgefahrene Spiel um Cannabis. Sythetisches THC soll als verschreibungsfähiges Medikament (Dronabinol) in die Anlage III des BtMG aufgenommen werden. Damit kann der Wirkstoff "insbesondere bei Behandlungsmöglichkeiten von Krebspatienten unter Zytostatikertherapie (gegen Erbrechen) und von AIDS-Patienten (bei starkem Gewichtsverlust)" von Ärzten verschrieben werden. In der Bundesrepublik ist zwar noch kein entsprechendes Arzneimittel zugelassen, doch können deutsche Apotheken z.B. in den USA das zugelassene Marinol importieren lassen. Damit wird nun offiziell die medizinisch positive Wirkung von THC anerkannt, wenn auch bislang nicht die Pflanze verschrieben werden darf, sondern nur das teure, synthetisch hergestellte isolierte THC.   

Die Bundesländer sind aufgefordert worden, bis zum 22. August ihre Stellungnahme zum Entwurf der Verordnung vorzulegen. Angesichts der Fülle der behandelten Themen (es geht weiterhin um das Verbot weiterer sog. Designer Drogen, die Aufnahme von Codein ins BtMG, Regelungen zur Substitution) ist diese Monatsfrist innerhalb der Sommerpause möglicherweise taktisches Kalkül im Gesundheitsministerium. Nach der Sommerpause, vermutlich Ende September, soll die Vorlage im Bundeskabinett verabschiedet werden. Danach geht die Verordnung in den Bundesrat. Wie die Länderkammer entscheiden wird, ist bislang völlig offen. Da einige Verbesserungen bezüglich der Substitution erwartet werden, kann es durchaus sein, daß der SPD dominierte Bundesrat der Verordnung trotzdem zustimmt und "andere Kröten" schluckt, zumal die Oppositionsparteien das Thema "Drogen" als Wahlkampfthema möglichst vermeiden wollen. Auch die Aufnahme von synthetischem THC als verschreibungsfähiges BtM war eine Forderung des Bundesrates. Aus Sicht der CDU/CSU ist der Verordnungsentwurf ein gut plazierter Angriff. Zusammen mit dem Gesetzesentwurf "Drogen im Straßenverkehr" wird der Angriff auf Konsumenten auf allen Ebenen vorbereitet, damit noch vor der Bundestagswahl die letzten Liberalisierungtendenzen nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil in Repression gewandelt werden können.  

HANFBLATT zum Samenverbot 
 

Autor: Jürgen Neumeyer
 
 

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