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Mein Urin gehoert mir!
Buchbesprechung
Natursekt für den Großen Bruder
Kaum ist es möglich geworden, an der frischen Luft oder in
bestimmten Kneipen in aller Ruhe seinen Joint zu rauchen, ohne den Beginn
einer Knastkarriere fürchten zu müssen, muß man schon wieder
sein Auto stehenlassen. Immer öfter müssen angehaltene Autofahrer
bei einer Polizeikontrolle nicht nur ins Röhrchen blasen, sondern
auch ihre Achselhöhle herzeigen. "Drugwipe" nennt sich das Testgerät,
von einer Tochter der Daimler- Benz Aerospace entwickelt, mit dessen Hilfe
Spuren von Kokain oder Cannabis ermittelt werden können. Doch damit
nicht genug: Auch über Urinkontrollen oder die Abgabe von Haarproben
wird immer öfter die Verkehrstauglichkeit getestet. Im Falle eines
positiven Ergebnisses ist ganz schnell der Führerschein weg.
Auf diese "neuen Verfolgungsmaßnahmen des Großen Bruders" weist
ein Band der "Edition Rauschkunde" hin: Unter dem Titel "Mein Urin gehört
mir" werden dort die krassesten Fälle nicht nur in der Verkehrspolitik
aufgelistet. Außer der Polizei geraten dort auch Knäste und
psychiatrische Einrichtungen, das Bundesamt für Zivildienst sowie
VW in Wolfsburg ins Kreuzfeuer der Kritik: Sogenannte Drogenscreenings
seien bei Freigängern ebenso wie bei potentiellen Zivis und Auszubildenden
geradezu an der Tagesordnung. Herausgeber Ronald Rippchen resümiert:
"Muß man Paranoiker sein, um dahinter politische Motive, vielleicht
gar finanziert von der Pharma- und Alkoholindustrie, zu vermuten?"
Neben drei Fallbeispielen "leidgeprüfter Kiffer" bietet das Buch eine
umfangreiche Erörterung diverser Studien zum Thema "Wie bekifft kann
ich noch Auto fahren?" Deren Einschätzungen sind allerdings höchst
unterschiedlich: "Haschisch führt ebenso wie Alkohol zur Beeinträchtigung
des Reaktionsvermögens", eruierte die Universität Düsseldorf,
während die Würzburger Roadside Survey zu dem Schluß kommt,
daß ein "durch alleinigen Konsum von Cannabis erhöhtes Unfallrisiko"
sich nicht nachweisen ließ.
Dem fahrenden - oder zivildienstleistenden oder ausbildungsplatzinnehabenden
- Kiffer bietet das Werk eine Menge praktische Unterstützung: Sämtliche
in der Bundesrepublik zur Anwendung kommenden Drogentests werden samt ihrer
Wirkungsweise detailliert beschrieben. So weiß man nach der Lektüre
nicht nur, daß die Tests relativ ungenau sind und häufig zum
Beispiel auch auf morphinhaltige Schmerzmittel reagieren, sondern auch,
wie man sie manipulieren kann: den Urin eines anderen abgeben oder den
eigenen mit Wasser, Tee oder Saft verdünnen. Gern genommen wird auch
die Zugabe von Tafelsalz, Essig, Chlorbleiche oder Flüssigseife.
Wer nicht wirklich schummeln will, kann auch die Zeit zwischen der Vorladung
und dem Urintest - oft bis zu zwei Wochen - konstruktiv nutzen, um den
THC- Gehalt im Blut zu senken: Viel trinken, vor allem Blasen- und Nierentee,
häufige Besuche in der Sauna, viel Sport. Müsli hilft beim Entschlacken.
Wer sich einer Haaruntersuchung unterziehen muß, kann darüber
nachdenken, sie bleichen zu lassen: Das entfernt die Drogeninformationen.
Im Zeitalter des Überwachungsstaates für Kiffer warnt Ronald
Rippchen auch vor einem allzu unbefangenen Friseurbesuch: "Ich jedenfalls
nehme meine abgeschnittenen Haare immer mit nach Hause."
Jeannette Goddar
Ronald Rippchen (Hg.):
"Mein Urin gehört mir".
Edition Rauschkunde, 125 Seiten (TB), 15 DM
Bemerkung: Rezension * taz-Beilage: Hanf
TAZ Nr. 5184 vom 21.03.1997 Seite 11 Spezial 112 Zeilen
http://www.taz.de/~taz/spezial/hanf/sp_T970321.290.html
Mein Urin gehört
mir Hanfgenuß, Drogenscreening, Urinkontrollen und (Un?-)Sicherheit
am Steuer & am Arbeitsplatz
128 Seiten, Edition Rauschkunde, Werner Pieper's MedienXperimente,
Löhrbach
ISBN 3-930442-13-9, SFr. 15.--; DM 15,-
Warum darf man den Führerschein behalten, wenn man einen Kasten Bier
im Kofferraum hat? Bei einem Stück Rauchhanf im Handschuhfach ist
man ihn los. Auch, wenn man bei einer Urinkontrolle positiv auffällt,
obwohl der Hanfgenuß schon Wochen her sein kann.
Aus dem Inhalt: Kontrollmethoden: Urinkontrolle und Haaranalysen + Was
wir von Drogentests halten + Zur Verkehrsproblematik: Studienergebnisse
und Vergleiche + Gesetzesrealitäten: Verbote und aktuelle Urteile
+ Tips der Grünen Hilfe + Drogenscreening in den Betrieben + Alles
über die letzten Zuckungen der Reaktion gegen den Hanf und die bitteren
Konsequenzen für ungezählte AutofahrerInnen
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