Berliner Wissenschaftler untersuchten 1458 Menschen Forscher: Cannabis macht nicht süchtig Die Droge Cannabis (auch Haschisch genannt) macht nicht süchtig. Das geht aus einer aktuellen Studie, die jetzt dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt wurde, hervor. "Der Ausstieg aus dem Cannabiskonsum kann unabhängig von der Dauer des Konsums zu jeder Zeit erfolgen", heißt es in der wissenschaftlichen Untersuchung. Ergebnisse ihrer Erhebung stellten Professor Dieter Kleiber und Diplompsychologin Renate Soellner von der Freien Universität Berlin auf einer wissenschaftlichen Fachtagung zum Thema Cannabis in Hamburg vor. 1458 Menschen nahmen an der dreijährigen Studie, die vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert wurde, teil. Lediglich bei zwei Prozent der Konsumenten der Droge, die unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, konnte eine Abhängigkeit festgestellt werden. Dabei spielte nicht die Dauer der Anwendung, sondern psychische Faktoren eine Rolle. Gleichzeitig widersprechen die Untersuchungsergebnisse der Eskalationstheorie. Danach müßte, je länger Cannabis konsumiert wird, auch der Konsum härterer Drogen wahrscheinlicher werden. Dem sei nach der Studie nicht so. Als "Schlachtfest von alten Mythen" bezeichnete Hans-Günter Meyer-Thompson, Arzt in der Hamburger Drogenambulanz, dieses und andere Forschungsergebnisse, die auf der wissenschaftlichen Tagung in Sachen Cannabis in Hamburg vorgelegt wurden. Unter allen legalen und illegalen Drogen weise auch nach Ansicht anderer Experten Cannabis das geringste Abhängigkeitsrisiko auf. Zwei Millionen Deutsche sollen zur Zeit Cannabis konsumieren, sechs Millionen Bundesbürger hatten laut Schätzungen schon einmal Kontakt zur der Droge. Lediglich fünf bis zehn Prozent davon gelten als intensive Nutzer (zwei Mal die Woche) der Droge, die anderen konsumieren Cannabis seltener. Professor Peter Raschke, Sozialwissenschaftler an der Universität Hamburg und Mitinitiator der Tagung, erhofft sich eine Versachlichung der Diskussion. Raschke wurde mit der Ausarbeitung eines Modellversuchs in Schleswig-Holstein beauftragt. In diesem Versuch soll Cannabis in drei Landkreisen fünf Jahre lang kontrolliert und zum Eigengebrauch frei erhältlich sein. Der Plan: Alle dort gemeldeten Bürger über 16 Jahren sollen mit Chipkarten in Apotheken täglich bis zu fünf Gramm Cannabis kaufen können. Die Droge soll jedoch teurer sein als derzeit auf dem illegalen Markt (ein Gramm zehn Mark). "Damit soll der Kauf und Wiederverkauf der Droge unterbunden werden", sagte Raschke. Derzeit wird das Konzept für den Modellversuch in Schleswig-Holstein noch vom Bundesinstitut für Arzneimittelkontrolle überprüft. (pw) © Hamburger Abendblatt 19.4.1997' |