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Kiffer in die Gendatei?

[Kiffer in die Gendatei?] Anfrage HANF-LIGA
Antwort Ministerium
weitere Anfrage ans Ministerium
Pressemeldung Antimilitarist
Gendateien für den Staatsschutz
BS: in 25 Tagen 354 Speichelproben
Links zum Thema

WählerInnen-Gemeinschaft
HANF-LIGA VOGELSBERG

c/o J. Biermanski,
Wuhlgasse 27, 36304 Alsfeld


19.10.99

An AG "Drogen und Suchtmittel"
im Bundesministerium für Gesundheit
c/o Martin Köhler

Betreff: Abnahme genetischer Fingerabdrücke bei Cannabis Straftaten - Anfrage beim Bundesjustizministerium / Ihr Schreiben vom 10.8.99


Sehr geehrter Martin Köhler,

am 30.7.99 richteten wir eine Anfrage bezüglich genetischer Fingerabdrücke bei Cannabis TäterInnen.

Mit Schreiben vom 10.8.99 teilten Sie uns mit, daß Sie das Bundesministerium der Justiz um Stellungnahme gebeten haben und sich wieder an uns wenden, sobald eine Antwort vorliegt.

Hiermit bitten wir um Rückmeldung über den bisherigen Verlauf der Anfrage.

Auch wir haben in den uns vorliegenden Fällen recherchiert, hier kurz unsere Ergebnisse:

Bei der Polizeidienststelle Neumarkt/Oberpfalz wurden genetische Fingerabdrücke zumindest bei 2 Betroffenen abgenommen, in deren gemeinsamen Verfahren es um 42 Cannabis-Pflanzen ging. Der Name des Beamten ist uns bekannt.

Die Betroffenen willigten ein, allerdings hatte der ermittelnde Beamte angegeben, daß er sich die richterliche Genehmigung ohne Probleme erwirken könne, wie uns mitgeteilt wurde.

In Gifhorn wurden, wie uns mitgeteilt wurde, genetische Fingerabdrücke durch die Staatsanwaltschaft Gifhorn zumindest in 3 Cannabis-Fällen angeordnet:

1.) kleine Menge, 3-4g / Von dem Betroffenen wurde Widerspruch mit Anwalt eingeklagt, Dem Widerspruch wurde stattgegeben.

2.) kleine Menge und Antifa-Aktivist / Betroffener legte Widerspruch ein ohne Anwalt, Widerspruch wurde abgelehnt.

3.) nicht geringe Menge / Widerspruch wurde ohne Anwalt eingelegt und abgelehnt.

Wir bitten dringend um Rückmeldung, inwieweit genetische Fingerabdrücke im Zusammenhang mit Cannabis nach geltendem Recht angewendet werden dürfen und protestieren gegen die Anwendung des Gesetzes mit Abnahme genetischer Fingerabdrücke gegen Cannabis-"TäterInnen".

mit hanf-freundlichen Grüßen



[Gendatei fuer Staatsschutz?] BUNDESMINISTERIUM FÜR GESUNDHEIT
MARTIN KÖHLER
Leiter der Arbeitsgruppe Drogen und Suchtmittel

Tel: 0228/941 - 3300
Fax: 0228/941 - 4971

E-Mail: Koehler@bmg.bund.de

Bonn, den 18. November 1999


Herrn
Jo Biermanski
Untere Fuldergasse 12

36304 Alsfeld


Betr.: Entnahme "genetischer Fingerabdrücke" bei Cannabis TäterInnen

Bezug: Ihr Schreiben vom 30. Juli 1999 und 18. Oktober 1999


Sehr geehrter Herr Biermanski,

Leider ist die von mir angeforderte Stellungsnahme des Bundesministeriums der Justiz spät eingegangen, so dass ich ihren Brief erst jetzt beantworten kann.

Einschränkend muss ich Ihnen mitteilen, dass sowohl das Bundesministerium der Justiz als auch das Bundesministerium für Gesundheit keine Stellungnahme zu anhängigen Verfahren abgeben darf. Da die Strafverfolgung in der Zuständigkeit der Landesjustizverwaltungen liegt, kann ich zu dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt nur global Stellung nehmen.

Ganz allgemein kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem angesprochenen Personenkreis Probematerial zum Zweck der Durchführung einer DNA-Analyse entnommen worden ist. Im Rahmen eines laufenden Strafverfahren kann dies entweder aufgrund der Vorschrift des § 81g StPO geschehen sein. Außerhalb eines laufenden Strafverfahrens kommt eine Probeentnahme und die Durchführung einer DNA-Analyse auch bereits rechtskräftig Verurteilten aufgrund der Vorschrift des § 2 DNA-Identitätsfeststellungsgesetz in Betracht.

Regelmäßig dürfte indes auszuschließen sein, dass unter Richtervorbehalt stehende Anordnung der Durchführung einer DNA-Analyse aufgrund §§ 81g StPO, 2 DNA- Identitätsfeststellungsgesetz allein wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ("Kleinkonsumenten") getroffen wurde. Hierbei dürfte es sich nicht um eine Straftat "von erheblicher Bedeutung" im Sinne von § 81g StPO handeln, so dass die materiellen Anordnungsvorausetzungen fehlen dürften.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir Ihre Unterlagen über die geschilderten Fälle zur Verfügung stellen könnten.

Mit freundlichen Grüßen



An BMfG, Martin Köhler
(AG Drogen und Suchtmittel)
53108 Bonn

Fax: 0228 941 - 4971

Alsfeld, den 03.12.99

Betreff: "genetischer Fingerabdrücke" bei Cannabis - "TäterInnen" Bezug: Schriftwechsel seit dem 30.07.99 / Ihr letztes Schreiben vom 18.11.99

Sehr geehrter Martin Köhler,

zunächst möchte ich Ihnen mitteilen, daß die alternative WählerInnen-Gemeinschaft "Hanf-Liga Vogelsberg" sich mangels aktiver Mitglieder aufgelöst hat und wir uns nun als Untergliederung Regionalbüro Hessen/Fachbüro Medizin auf die Cannabis - Prohibition konzentrieren werden.

Meine Rückantwort hat diesmal ebenfalls etwas auf sich warten lassen, da wir uns über "Grüne HelferInnen" um nähere Informationen zu den geschilderten Fällen der Anwendung "genetischer Fingerabdrücke" bei Cannabis - "TäterInnen bemühen. Seitens der Opfer der Cannabis - Prohibition besteht eine verständliche Scheu bezüglich staatlicher Stellen. Bei unseren bisherigen Informationen handelt es sich um mündliche Hinweise, bezüglich der Fälle in Gifhorn können wir Ihnen demnächst voraussichtlich schriftliche Dokumente zukommen lassen.

Nun zum Stand unserer derzeitigen Informationen:

    1. Neumarkt / Oberpfalz
    Zwei Männer, zwischen 18-21 Jahre alt, werden angeklagt Out-Door 42 Hanfpflanzen angebaut zu haben. Die Pflanzen aufgrund einer Aussage eines Dritten gefunden. 8-10 Pflanzen hatten kleine Blüten, die restlichen noch gar keine. Nach dem Fund wurde bei den Beiden eine Hausdurchsuchung unter Anwendung von "Gefahr in Verzug" durchgeführt, bei der nichts gefunden wurde.

    Die Beschuldigten gingen dann zum Vorladungstermin der Polizei gegangen, obwohl sie hierzu nicht verpflichtet waren, und wurden prompt erkennungsdienstlich behandelt und es wurden ihnen Speichelproben entnommen. Diese Maßnahmen wurden von Polizeihauptmeister Musshoff durchgeführt, der behauptete, der Richter würde dieser Maßnahme später sowieso zustimmen.

    2. In Gifhorn wurden nach unseren Informationen zumindest in 3 Fällen Speichelproben bei Cannabis - "TäterInnen" durch die Staatsanwaltschaft (!) angeordnet.

    a) geringe Menge
    Vom Betroffenen wurde Widerspruch mit Anwalt eingelegt, dem vom Landgericht Hildesheim stattgegeben wurde.

    b) geringe Menge und AntiFa-Aktivist
    Betroffener legte ohne Anwalt Widerspruch ein, wobei z. Zt. noch unklar ist ob in Gifhorn oder in Hildesheim. Der Widerspruch wurde abgelehnt.

    c) nicht geringe Menge
    Vom Betroffenen wurde ohne Anwalt Widerspruch eingelegt, z. Zt. ist noch unklar ob in Gifhorn oder in Hildesheim. Der Widerspruch wurde abgelehnt.

Nach unseren Informationen hat das Landgericht Hildesheim, in seinem Beschluß zum Fall 2a festgestellt, daß "Speichelproben" bei Verstößen gegen das BtMG grundsätzlich keine Anwendung finden dürfen.

Sobald uns weitere Informationen bezüglich "genetischer Fingerabdrücke" oder schriftliche Dokumente, z.B. das Urteil des Landgerichtes Hildesheim, vorliegen, werden wir uns wieder bei Ihnen melden.

mit hanf-freundlichen Grüßen

Jo Biermanski
("Grüne Hilfe-Netzwerk" - Pressesprecher)



Hanf Museum, Berlin
junge Welt - Inland - 08.10.1999

Antimilitarist in Gendatei eingetragen

Braunschweig: Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung als Vorwand für dauerhafte Speicherung

[fuck tha system] In der Nacht vom 5. zum 6. Oktober wurde gegen 2.30 Uhr ein 31jähriger Braunschweiger von Zivilpolizisten festgenommen. Aufgrund eines Beschlusses des Ermittlungsrichters Nitschke beim Amtsgericht Braunschweig vom 8. September wurde ihm auf der Polizeiwache ein sogenannter genetischer Fingerabdruck zur dauerhaften Aufnahme in die Gendatei abgenommen. Der Beschluß stützt sich auf Paragraph 81 STPO, in dem es heißt, daß »zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren einem Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtigt wird, Körperzellen (Blut, Speichel) entnommen werden und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters molekulargenetisch untersucht werden« dürfen.

Im vorliegenden Fall besteht die »Straftat von erheblicher Bedeutung« in der Teilnahme an der 1.-Mai-Kundgebung und -Demonstration 1999 des Braunschweiger DGB. Gegen den 31jährigen läuft derzeit ein Ermittlungsverfahren wegen angeblicher gefährlicher Körperverletzung an einem Polizeibeamten. Nach Aussagen zahlreicher Teilnehmer kam es bei der Kundgebung zu einem brutalen Knüppeleinsatz gegen eine Teilnehmergruppe, die gegen den Kriegseinsatz im Kosovo protestierte. Zahlreiche Organisationen verurteilten den Polizeieinsatz, darunter auch die SPD- Betriebsgruppe bei VW, deren Mitglieder nach ihren Angaben teilweise selbst vom Knüppeleinsatz der Polizei betroffen waren. Auch der Beschuldigte wurde durch Polizisten verletzt. Die Rote Hilfe erklärte dazu: »Es kann davon ausgegangen werden, daß dieses nur der Anfang zu einer massenhaften Speicherung der genetischen Fingerabdrücke von Personen aus linken und antifaschistischen Gruppierungen darstellt. Schon allein die Vermutung, daß ein Beschuldigter aufgrund seiner »Persönlichkeit« eventuell weitere Straftaten begehen könnte, reichen zur Speicherung aus. Damit wird den Polizeibehörden Tür und Tor zur totalen Datenspeicherung geöffnet.«

(junge Welt) <http://www.jungewelt.de/1999/10-08/014.shtml>



junge Welt - Inland - 13.10.1999

Gendateien für den Staatsschutz

Niedersachsen ist Vorreiter bei der Speicherung von genetischen Fingerabdrücken

[null Toleranz] Silke Stokar, Landtagsabgeordnete der niedersächsischen Grünen, ist sauer: »Unsere Befürchtungen, daß die Akzeptanz für die Gendatei mit der schnellen Identifizierung von Sexualstraftätern geschaffen wird und dann zu einer Gendatei auch für den Staatsschutz ausgebaut wird, sehen wir bestätigt«. Ein Braunschweiger Amtsrichter hatte vergangene Woche die präventive Speicherung des »genetischen Fingerabdrucks« eines Braunschweiger Antimilitaristen (jW berichtete) veranlaßt. Er wird beschuldigt, bei den Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Teilnehmern einer gewerkschaftlichen 1.-Mai-Demonstration eine »gefährliche Körperverletzung« begangen zu haben. Silke Stokar fordert deshalb in einer kleinen Anfrage die Landesregierung zu einer Stellungnahme auf und fragt, ob geplant sei, eine Gendatei für »politisch Verdächtigte« aufzubauen und darin künftig auch Atomkraft-Gegner präventiv und dauerhaft zu speichern.

Mit dem genetischen Fingerabdruck geht ein Traum eines jeden Kriminalbeamten in Erfüllung: Es ist praktisch unmöglich, an einem Tatort keine genetischen Spuren zu hinterlassen. Jeder Mensch verliert ständig Haare oder Hautschuppen. Diese können mit gespeicherten DNA-Mustern in Sekundenschnelle verglichen werden. Die Genforschung ist beseelt von dem Gedanken, auch persönliche Merkmale bis hin zu Charaktereigenschaften aus den genetischen Informationen eines Menschen herauslesen zu können. Einige Forscher behaupten gar, daß selbst aggressives und kriminelles Verhalten genetisch bedingt sei.

Im Rahmen von Strafverfahren war es bisher bereits möglich, bei einem konkret Verdächtigten dessen Genmuster mit am Tatort gefundenen Spuren zu vergleichen. Ohne jegliche gesetzliche Grundlage ordnete der damalige Innenminister Kanther im April 1998 die Einrichtung einer zentralen DNA-Analyse-Datei beim Bundeskriminalamt (BKA) an. Die gesellschaftliche Akzeptanz der massenhaften Speicherung genetischer Informationen wurde durch die in den letzten Jahren in den Medien spektakulär aufbereiteten Sexualverbrechen an Kindern und Jugendlichen geschaffen. »Bild« titelte anläßlich eines Speicheltests an 18 000 Männern im Raum Cloppenburg: »Jeder weiß: Wer nicht kommt, macht sich verdächtig«.

Mit der Einführung des DNA- Identitätsfeststellungsgesetzes und der Änderung der Strafprozeßordnung wurden inzwischen die rechtlichen Voraussetzungen auch für die präventive Speicherung genetischer Fingerabdrücke in der zentralen Gendatei beim BKA geschaffen. Eine solche DNA-Analyse kann nun durch den Beschluß eines Amtsrichters auch zwangsweise durchgeführt werden, wenn jemand einer »Straftat von erheblicher Bedeutung« beschuldigt wird. Was darunter zu verstehen ist, bleibt letztlich dem Ermessen des Richters überlassen. Auch »schwere Eingriffe in den Straßenverkehr«, wie sie Atomkraftgegner bei Blockadeaktionen durchführen, können darunterfallen. Allein die politische Überzeugung eines Beschuldigten könnte als »Beweis« dafür herangezogen werden, daß er weitere Straftaten begehen könnte.

Daß nun bei einem Braunschweiger Antimilitaristen der genetische Fingerabdruck präventiv gespeichert wurde, ist ein Schritt in Richtung der Durchsetzung der DNA-Speicherung im Rahmen von politischen Ermittlungsverfahren. Eine Vorreiterrolle spielte dabei das sozialdemokratisch regierte Niedersachsen: Bereits im Sommer 1981 ordnete das Amtsgericht Braunschweig eine DNA-Analyse bei drei Antifaschisten an. Zwei Funktionäre der heute verbotenen Nationalistischen Front (NF) hatten gegenüber dem Staatsschutz angegeben, sie seien von »Autonomen« überfallen worden, dabei hätten sie einen der Angreifer mit einem Messer verletzt.

Obwohl es zum Zeitpunkt der angeblichen Tat dunkel war und die vermeintlichen Angreifer vermummt gewesen sein sollen, wollten die beiden Nazis auf Lichtbildern des Staatsschutzes die Täter erkannt haben. Das Verfahren wurde später sang- und klanglos eingestellt, da die DNA-Analyse nicht das gewünschte Ergebnis erbracht hatte. Im November 1997 wurde in Göttingen im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung einer Antifaschistin eine Speichelprobe zur DNA-Analyse entnommen. Ihr und drei weiteren Personen wurde vorgeworfen, die Scheiben eines Fotogeschäfts eingeworfen zu haben, in dem mit Bildern von Wehrmachtssoldaten geworben wurde. Auch dieses Verfahren wurde eingestellt. Doch die Träume der Polizeibehörden gehen längst weiter: Auf Fachtagungen wurde bereits über die Abnahme des genetischen Fingerabdruckes jedes Bürgers bei seiner Geburt diskutiert.

David Janzen, Braunschweig

<http://www.jungewelt.de/1999/10-13/016.shtml> junge Welt



newsclick Lokales 26.10.1999 22:36

Krawall bei 1.Mai-Kundgebung: Polizei nahm Speichelprobe eines Verdächtigen

Grüne: Gendatei für Staatsschutz?

Die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten während der 1.Mai-Kundgebung in Braunschweig haben nach einem juristischen nun auch ein politisches Nachspiel.

[Grundrechte?]Nach einem Beschluss des Braunschweiger Amtsgerichts, einen 31-jährigen Kundgebungsteilnehmer, gegen den wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt wird, in die bundesweite Gendatei aufzunehmen, sieht Silke Stokar, innenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Grüne im niedersächischen Landtag, ihre Befürchtung bestätigt, "dass die Akzeptanz für die Gendatei mit der schnellen Identifizierung von Sexualstraftätern geschaffen und dann zu einer Gendatei auch für den Staatsschutz ausgebaut wird".

"Die genetische Speicherung ,politisch Verdächtiger" nimmt offensichtlich in Niedersachsen ihren Anfang", begründet sie eine kleine mündlich Anfrage an die Landesregierung. Stokar will von der Landesregierung wissen, ob geplant sei, eine solche Gendatei ",politisch Verdächtiger" aufzubauen und ob künftig auch Atomkraftgegner, die ja häufig beschuldigt und selten verurteilt werden, präventiv und dauerhaft in der bundesdeutschen Gendatei gespeichert werden".

"Bundesweit erster Fall"

"Es wäre bundesweit der erste Fall, in dem ein Beschuldigter in einem politischen Verfahren präventiv in die bundesweite Gendatei eingespeist würde", schließt sich die Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Grüne im Braunschweiger Rat, Dr.Gabriele Heinen-Kljajic, der Kritik der Grünen-Landtagsfraktion an.

Im konkreten Fall erscheine die Verhältnismäßigkeit nicht plausibel. "Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen." - "Dieser Vorwurf entbehrt jeder Grundlage", kontert der Braunschweiger Polizeisprecher Klaus Buhlmann, verweist aber im weiteren auf eine offizielle Stellungnahme, die das Innenministerium vor dem Landtag abgeben werde.

Polizist erlitt Kopfverletzung

Wie Oberstaatsanwalt Eckehard Niestroj, Sprecher der Braunschweiger Staatsanwaltschaft, auf Anfrage mitteilte, steht der 31-Jährige im Verdacht, einem Polizeibeamten während der Demonstration aus einem Block Autonomer heraus einen Fahnenstiel auf den ungeschützten Kopf geschlagen und dadurch den Krawall überhaupt erst ausgelöst zu haben. Der Polizeibeamte habe eine Prellung am Kopf erlitten.

Der 31-Jährige sei bereits mehrfach vorbestraft - unter anderem zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und gemeinschaftlichen Landfriedensbruchs.

"Bei der Umsetzung des DNA-Gesetzes geht es ausschließlich um strafbares Verhalten", betonte Niestroj. "Künftige Strafverfolgung soll dadurch erleichtert werden." Politische Motive für Straftaten, ob aus rechter oder linker Szene, seien in diesem Zusammenhang unerheblich.

Nach Auskunft des Polizeisprechers Sven-Marco Claus wurden seit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Oktober vergangenen Jahres von der Braunschweiger Polizei 354 Speichelproben bei aktuellen Ermittlungsverfahren genommen. 

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft entscheidet der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts, ob dieser genetische Fingerabdruck in die beim Bundeskriminalamt geführte Gendatei eingespeist wird. Solche DNA-Verfahren sind im Amtsgericht zur Zeit Massengeschäft. Gerichtssprecher Dr.Heinold Willers schätzt ihre Zahl in diesem Jahr auf rund 750. Denn zu den aktuellen Verfahren kommt die Überprüfung von Altverfahren hinzu.

Das heißt: Auch wenn eine Straftat bereits länger zurückliegt, kann der Beschuldigte in die Gendatei aufgenommen werden, wenn Wiederholungsgefahr droht. "Trotz der großen Anzahl an Verfahren", so Willers, "habe ich keinen Zweifel, dass jeder Einzelfall gewissenhaft geprüft wird." Das Gesetz kenne aber nun einmal keine Differenzierung zwischen politisch und nicht politisch motivierten gefährlichen Körperverletzungen.

Gendatei: Verdacht reicht aus

Rechtsgrundlage ist das sogenannten DNA-Identitätsfeststellungsgesetz. Danach darf das Genmaterial dann gespeichert werden, wenn zum einen eine Straftat "von erheblicher Bedeutung" vorliegt und zum anderen wegen "Art und Ausführung der Tat, der Persönlichkeit oder sonstiger Erkenntnisse" Grund zur Annahme besteht, dass künftig erneut einschlägige Straftaten begangen werden.

Als erhebliche Straftat wird in dem Gesetz auch die gefährliche Körperverletzung aufgeführt. Darüber hinaus kann es bei Verbrechen, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind, bei Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung, besonders schweren Diebstahl und Erpressung angewendet werden.

Um einen mutmaßlichen Täter in die Gendatei aufzunehmen, reiche, erläutert Niestroj, bereits der Verdacht aus. Der Beschuldigte müsse dazu noch nicht verurteilt sein.

tho 27.10.1999 Braunschweiger Zeitungsverlag 1999

Was sie schon immer über die Gendatei wissen wollten!
Risiken & Nebenwirkungen der genetischen »Rasterfahndung«
DNA-Analyse und DNA-Datenbanken
Landesbeauftragter für den Datenschutz Brandenburg
Wie zuverlässig sind DNA-Analysen?
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Sex'n'Crime and Gendatei Jungle World 8. April 1998
Von Cloppenburg zur Charakteranalyse
Umstrittenes Gesetz zur Einführung einer Gendatei (24. Jun. 1998)
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Für ein Verbot von Gen-Dateien und genetischen Fingerabdrücken
Gentechnologischer Machbarkeitswahn Genethik

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