"Wenn die zutreffenden Informationen allgemein
bekannt wären, könnte diese Drogenpolitik nicht fortgeführt
werden."
(Wolfgang Nescovic, Richter Lübeck)
Gutachten, das für das Landgericht Lübeck angefertigt wurde
Anfang
Vorstellung der Sachverständigen
(1) Wirkungsweisen des Alkohols:
(a) Körperliche und psychische Auswirkungen
(b) Gesellschaftliche Auswirkungen
(2) Wirkungsweisen der Cannabisprodukte:
(a) Allgemeine Wirkungen
(b) Körperliche und psychische Auswirkungen
(c) Gesellschaftliche Auswirkungen
Verglichen werden hier die Wirkungen und Auswirkungen von Alkohol und Cannabisprodukten.
Da beide
Gutachter und deren Qualifikation am Anfang vorgestellt werden, kann man
sich hinsichtlich deren Glaubwürdigkeit ein ganz gutes Bild machen.
Jz. - 713 Js 16817/90 StA Lübeck 2 Ns (Kl. 167/90)
Alkohol und Nikotin sind
sowohl für den Einzelnen als auch gesamtgesellschaftlich evident gefährlicher
als Cannabisprodukte. Aus Gründen der Vereinfachung beziehen sich
die nachfolgenden Ausführungen nur auf das Verhältnis des Genußes
von Alkohol und Cannabisprodukten. Sie gelten aber auch entsprechend für
das Verhältnis von Cannabisprodukten zum Nikotin.
a) Diese Auffassung der Kammer beruht auf den überzeugenden Darlegungen
der Sachverständigen deren Meinungen sich die Kammer angeschlossen
hat.
Die Kammer hat die Sachverständigen Herrn
Dr. Barchewitz und Herrn Prof. Dr. Dominiak gehört.
Herr Dr. Barchewitz ist Facharzt für Psychiatrie und seit 15 Jahren
im Therapiebereich tätig. Zwei Drittel seiner fachlichen Tätigkeit
hat er in Suchtkliniken zugebracht. Er hat auch fünf Jahre im Bereich
der Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet. Seit 1986 ist er Leiter der
Fachklinik für Suchtkrankheiten (Holstein - Klinik
in Lübeck).
Dort befinden sich überwiegend Alkohol- und medikamentenabhängige
aber auch anderweit drogensüchtige Personen. Herr Dr. Barchewitz verfügt
auch über erhebliche Erfahrungen mit Drogenabhängigen. Diese
gründen sich auf seine Erfahrungen während seiner gesamten beruflichen
Tätigkeit.
Der Sachverständige Prof. Dr. Dominiak ist Facharzt für Pharmakologie
und Toxikologie sowie für klinische Pharmakologie. Er ist Direktor
des Instituts für Pharmakologie der Medizinischen Universität
zu Lübeck und hat sich insbesondere in jüngster Zeit intensiv
mit Wirkungen von Rauschgiften auseinandergesetzt und beschäftigt.
Er hat im Dezember 1991 auf einem Fachkongress von Rechtsmedizinern in
Lübeck ein umfassendes Referat zu den toxischen und pharmakologischen
Wirkungsweisen von Drogen (auch der Cannabisprodukte)
gehalten und dabei die neuesten wissenschaftlichen
Erkenntnisse auf diesem Gebiet analysiert und aufgearbeitet.
b) Aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen
und unter Berücksichtigung vielfältiger, allgemein zugänglicher
Literatur, die mit den Sachverständigen und den Prozessbeteiligten
im Termin erörtert worden ist, ist die Kammer zusammenfassend zur
Frage der Gefährlichkeit von Alkohol und Cannabisprodukten zu folgenden
Feststellungen gekommen:
-
Die körperlichen
Auswirkungen übermäßigen Alkoholkonsums erreichen fast
alle Organe und Organsysteme und können diese schwer schädigen
oder sogar zerstören, während Cannabisprodukte nur geringfügige
körperliche Wirkungen herbeiführen.
-
Nach dem
Absetzen von Alkohol treten bei Alkoholabhängigen schwere körperliche
Entzugserscheinungen auf, während bei Cannabisprodukten praktisch
keine körperlichen Entzugserscheinungen beobachtet werden.
-
übermäßiger
Alkoholkonsum kann schwere psychische Schäden bewirken, während
bei Cannabisprodukten keine gravierenden psychischen Störungen zu
erwarten sind und allenfalls mit einer geringfügigen psychischen Abhängigkeit
gerechnet werden muß.
-
In der Bundesrepublik
gibt es eine Vielzahl von Verbänden, speziellen Krankenhäusern
und speziellen Therapien, die sich mit Alkoholerkrankungen und Alkoholabhängigkeiten
beschäftigen, während es weder eine spezielle Therapie für
Cannabiskonsumenten noch spezielle Krankenhäuser oder Verbände
gibt, die sich um Cannabiskonsumenten kümmern.
-
In der Bundesrepublik
einschließlich der neuen Bundesländer wird die Anzahl der Alkoholtoten
auf 40.000 im Jahr geschätzt, während kein Fall (auch
weltweit) bekannt ist, bei dem der Tod einer Person
auf übermäßigen Konsum von Haschisch zurückzuführen
ist. Es gibt keine letale Dosis für Haschisch.
-
Die wirtschaftlichen
Folgekosten aufgrund des Alkoholkonsums werden in der Bundesrepublik auf
jährlich 50 Milliarden DM geschätzt, während bei Cannabisprodukten
entsprechende Zahlen nicht existieren.
-
Der Alkoholkonsum
hat erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsplatz (Arbeitsunfälle
Kündigungen, Krankheitsfälle, Einstellungen von Suchtberatern),
während bei Cannabisprodukten entsprechende Beobachtungen und Schätzungen
nicht existieren.
-
Der Anteil
von tödlichen Unfällen, die im Zusammenhang mit Alkohol stehen,
wird in der Bundesrepublik auf 5O% geschätzt und die Zahl der Verkehrsunfälle
unter Alkoholeinfluß mit Personenschäden auf gut 30.000 pro
Jahr, während bei Cannabisprodukten auf keine entsprechenden Beobachtungen
oder Schätzungen zurückgeblickt werden muß.
-
Nach der
polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes aus dem Jahre 1990
wurden in diesem Zeitraum mehr als 140.000 Tatverdächtige (knapp
10% aller Tatverdächtigen) registriert, die nach
polizeilichem Erkenntnisstand bei der Tatausführung unter Alkoholeinfluß
standen. Im Bereich der Gewaltdelikte (z.B. Totschlag,
Vergewaltigung, Sexualmord) liegt der Anteil der Tatverdächtigen
unter Alkoholeinfluss über 36%, während bei Cannabisprodukten
entsprechende statistische Erhebungen nicht durchgeführt werden. Im
einzelnen ist hierzu folgendes auszuführen:
(1) Wirkungsweisen
des Alkohols:
(a) Körperliche
und psychische Auswirkungen
aa.)
Alkoholintoxikationen reichen von leichter Gehstörung, starker Gehstörung,
Reflexlosigkeit bis zur Bewußtlosigkeit und Kreislaufinsuffizienz,
bb.) Leichte Alkoholräusche (0,5 - 1,5) sind gekennzeichnet durch
Herabsetzung der psychomotorischen Leistungsfähigkeit, allgemeine
Enthemmung, Beeinträchtigung der Fähigkeit kritischer Selbstkontrolle;
mittelgradige Räusche (1,5 - 2,5) durch euphorische Glückstimmung
oder aggressive Gereiztheit, Verminderung der Selbstkritik, Enthemmung,
Benommenheit, Psychomotorischer Unsicherheit, unreflektierter Bestrebung,
triebhafte Bedürfnisse zu befriedigen, fehlen zielgerichteter Konstanz
und Bereitschaft zu primitiven, vorwiegend explosiven Reaktionsweisen;
schwere Rauschzustände (über 2,5) durch Bewußtseinsstörungen
und Verlust realen Situationsbezuges, Desorientiertheit. illusionäre
situative Verkennung, motivlose Angst, Gleichgewichtsstörungen, hin
bis zur Ataxie, Dysarthrie und Schwindel, Schädel - Hirn - Trauma,
evtl. mit komplizierender intrakranieller Blutung.
cc.) Die neuere Alkoholforschung läßt zehn psychopathologische
Syndrome erkennen, die einzeln oder in verschiedenen Verbindungen auftreten
(Störungen des Bewußtseins und der Motorik, Störungen der
Orientierung, paranoid - halluzinatorisches Syndrom, manisches, gereizt
- aggressives, depressives Syndrom, Angstsyndrom, Suizidalität, sexuelle
Erregung, amnestisches Syndrom).
dd.) Das Alkoholentzugssyndrom wirkt sich internistisch, vegetativ, neurologisch
und psychisch aus.
ee.) Es gibt kaum ein Organsystem, an dem nicht Syndrome oder Krankheiten
gefunden wurden, die nicht mit dem Alkoholismus ursächlich in Verbindung
zu bringen sind: z.B. Fettleber, chronische Lungenerkrankung, Traumata,
Bluthochdruck, Mangelernährung, Anämie, Gastritis, Knochenbrüche,
Hiatushernie, Leberzirrhose, Magen - Darm - Geschwüre, chronischer
Hirnschaden, Fettsucht, Herzkrankheiten, gastrointestinale Blutung, epileptische
Anfälle, Diabetes, Harnwegsinfekt.
ff .) Die alkoholische Leberzirrhose ist eine relativ häufige Erkrankung
bei fortgeschrittenem Alkoholmißbrauch. 30-50% aller Leberzirrhosen
sind auf den Mißbrauch zurückzuführen. Beschwerden sind
Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Depressivität.
Es kommt gelegentlich zu Hautveränderungen. Die Haut ist pergamentpapierartig
verdünnt und zeigt weiße Flecken. Körperbehaarung und Schambehaarung
läßt nach. Potenz und Libido vermindern sich. Der schwere, alkoholbedingte
Leberschaden führt über tiefere Bewußtseinstrübung
zum Koma.
gg.) Alkoholiker neigen zu mehr Infektionen der Luftwege.
hh.) Die akute Alkoholintoxikation, besonders bei chronischen Alkoholikern,
löst typische Knochenmarksveränderungen aus und stört somit
das Immunsystem.
ii.) Alkohol wirkt auf die Muskeln in der Weise, daß die Muskulatur
schwillt, stark druckempfindlich und krampfanfällig ist.
jj .) Alkoholismus verändert das Gehirn morphologisch und funktionell
mit der weiteren Folge psychischer Veränderungen. 3 - 5% der Alkolholiker
werden vom sogenannten Wernicke - Korsakow - Syndrom befallen, das durch
folgende Störungen gekennzeichnet ist:
-
Verlust
des Altgedächtnisses, regelmäßig verbunden mit der Unfähigkeit,
sich neue Gedächtnisinhalte einsuprägen;
-
verminderte
Fähigkeit der Reproduktion von Gedächtnisinhalten;
-
eindeutige
Verschlechterung der Auffassungsfähigkeit;
-
Verminderung
der Spontanität und Initiative;
-
Störungen
der Konzentrationsfähigkeit, der räumlichen Organisation und
der visuellen und verbalen Abstraktion.
kk.) 20
- 40% aller Alkoholiker leiden an Polyneuropathie, die mit schmerzhaften
Mißempfindungen, Kribbelparaesthesien und Taubheitsgefühl beginnt.
Danach kommt es zu ziehenden, brennenden und stechenden Muskelschmerzen
mit Krämpfen und Muskelschwäche.
ll.) Tremorerscheinungen sind bei Alkoholikern sehr häufig. Sie sind
anfangs reversibel, später nicht. Das Leiden beginnt als feinschlägiger
Tremor. Er setzt an den Händen ein, der sich später ausbreitet
auf Zunge, Lippen, Augenlider, Kopf und Füße.
mm.) Es gibt eine sogenannte Alkoholepilepsie bei chronischen Alkholikern,
die früher keine latente Krampfbereitschaft aufgewiesen haben.
nn.) Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, ist bei Männern mit
einem hohen Alkoholkonsum um mehr als das Vierfache höher als bei
Abstinenten oder bei geringem Konsum.
oo.) Das sogenannte Alkoholdelirium ist gekennzeichnet von Desorientiertheit
in örtlicher, zeitlicher und situativer Hinsicht. Es bestehen Auffassungsstörungen
und illusionäre Verkennungen. Die Wahrnehmungsstörungen können
zu einer gesteigerten Suggestibilität und Konfabulationen führen.
Die Stimmung ist schwankend, gekennzeichnet durch Angst, Reizbarkeit und
durch eine gewisse Euphorie. Typisch ist psychomotorische Unruhe mit nestelnden
Bewegungen und Bettflüchtigkeit.
pp.) Beim Alkoholiker gibt es verstärkt Eifersuchtsideen und Eifersuchtswahn.
qq.) Alkoholmißbrauch vor und während der Schwangerschaft kann
schwere Schädigungen des Embryos verursachen. Für die Bundesrepublik
wird eine jährliche Rate der Alkoholembryopathie von 1.800 geschätzt.
Deren wichtigsten Symptome sind Wachstumsdefizit, Minderwuchs, Untergewicht,
statomotorische und geistige Retardierung, Hyperaktivität, Muskelhypotonie,
verkürzter Nasenrücken, schmale Lippen, auch Mißbildungen.
(b) Gesellschaftliche Auswirkungen
aa.)
Anzahl der Alkoholabhängigen
Die Anzahl
der Alkoholabhängigen wird in der Bundesrepublik bei einer Geschlechterrelation
von 1 (weiblich) zu 2 (männlich) auf 2,5 Millionen geschätzt.
bb.)
Wirtschaftliche Folgekosten
Die gesamtwirtschaftlichen
Folgekosten des Alkoholkonsums werden mit ca. 50 Mrd DM angegeben (vgl.Kornhuber,
in Sonderdruck "Deutsches Ärzteblatt").
cc.)
Auswirkungen auf dem Arbeitsplatz
25% aller
Arbeitsunfälle in der Bundesrepublik sind auf Alkohol zurückzuführen.
Bei jeder 6. Kündigung geht es um Alkohol, Alkoholkranke sind 2,5
mal häufiger krank als andere Mitarbeiter. In über 800 Betrieben
und Behörden werden schon Suchtberater eingesetzt (vgl. Jahrbuch der
Sucht 1991).
dd.)
Auswirkungen im Strassenverkehr
Unter
Berücksichtigung von Dunkelzifferrelationen wird der Anteil von tödlichen
Unfällen, die im Zusammenhang mit Alkohol stehen, auf 5O% geschätzt
(vgl. Stephan in Jahrbuch der Sucht 91). Die Zahl der Verkehrsunfälle
unter Alkoholeinfluß mit Personenschaden wird auf gut 30.000 pro
Jahr geschätzt.
ee.)
Alkoholtoten
Die Zahl
der Alkoholtoten wird in Deutschland einschließlich der neuen Bundesländer
mit ca. 40.000 jährlich angegeben.
ff.)
Auswirkungen auf strafbare Handlungen
Nach
der polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes aus dem Jahre
1990 wurden in diesem Zeitraum 141.180 Tatverdächtige (= 9,8% aller
Tatverdächtigen) registriert, die nach polizeilichem Erkenntnisstand
bei der Tatausführung unter Alkoholeinfluß standen (vgl. Polizeiliche
Kriminalstatistik des BKA 90).
Die Wirkung des Alkohols, die Gewaltbereitschaft zu erhöhen, wird
besonders deutlich, wenn der Anteil der Tatverdächtigen unter Alkoholeinfluß
in bestimmten von Gewalt geprägten Deliktsgruppen untersucht wird.
So betrug der Anteil der Tatverdächtigen unter Alkoholeinfluß
bei "Widerstand gegen die Staatsgewalt" 63,3%. Bei anderen Gewaltdelikten
ergeben sich folgende Zahlen:
-
Totschlag: 47,4 %
-
Körperverletzung mit tödlichem Ausgang: 41,4 %
-
Vergewaltigung:
36,6 %
-
Vergewaltigung überfallartig durch Gruppen: 50 %
-
gefährliche und schwere Körperverletzung: 33,9 %
-
Mord: 29,1 %
-
Sexualmord:
46,7 %
-
vorsätzliche Brandstiftung: 29,1 %
-
sexuelle Nötigung: 28 %
(vgl. Polizeiliche
Kriminalstatistik, Seite 85).
Diesen katastrophalen und verheerenden Wirkungen individueller
und gesamtgesellschaftlicher Art stehen folgende Wirkungen des Haschischkonsums
gegenüber:
(2) Wirkungsweisen
der Cannabisprodukte:
(a) Allgemeine Wirkungen
Zu den
allgemeinen Eigenschaften der Droge hat die Kammer folgende Feststellungen
getroffen:
Der Hauptwirkstoff der Cannabisprodukte ist das THC, genauer das Tetrahydrocannabinol,
Das THC wird im natürlichen Cannabis durch eine Fülle weiterer
Wirk- und Duftstoffe ergänzt. Unter den 60 weiteren Cannabinoiden
ragen hervor das Cannabidiol (CBD), das beruhigend (sedativ) wirkt, gelegentlich
auch für Kopfschmerzen sorgen, aber auch die THC-Wirkung verlängern
soll, sowie das Cannabinol (CBN), ein Abbauprodukt des THC (vgl. Quensel
in: "Drogen und Drogenpolitik").
Cannabis wird bei uns üblicherweise geraucht und zwar meist zusammen
mit Tabak als "Joint" oder aber in der Pfeife. Neben der in der Forschung
häufigeren Injektion und dem Einatmen von Cannabisdampf, kann man
Cannabis auch als "Tee" trinken oder aufgelöst im Tee, als Gewürz
im Essen, aber auch als Gebäck zu sich nehmen (vgl. Quensel, Drogen
und Drogenpolitik).
Das THC
wird über die Schleimhäute aufgenommen und im Körper zu
"Metaboliten" verwandelt. Seine Wirkung tritt beim Rauchen so rasch ein,
daß die Dosishöhe meist relativ einfach zu regulieren ist; beim
Essen und Trinken verzögert der Umweg über die Leber die Wirkung
mitunter über eine Stunde, weswegen Anfänger aus Ungeduld leicht
zu hohe Dosen einnehmen, Mit einer THC-Dosis von 2-10 mg beim Rauchen und
etwa der dreifachen Menge beim Essen und Trinken, das ist nach THC-Gehalt
etwa 0,5 bis 1 Gramm Haschisch, erreicht man eine Wirkungsdauer von etwa
1 - 4 Stunden (vgl. Quensel, Drogen und Drogenpolitik).
Die kurz-
wie langfristige Wirkung des Cannabis hängt -wie bei vielen anderen
Drogen- ebenso davon ab, wieviel und wie häufig man es konsumiert,
wie auch davon, in welchem Set und Setting" dies geschieht, wobei alle
Faktoren von einander abhängig sind. Dabei hängen Art und Weise
des Erlebens von Cannabisprodukten in besonderer Weise vom Set und Setting"
ab, also von der Situation, in der man Cannabis einnimmt, vom eigenen persönlichen
Zustand wie von der sozialen Umgebung, von den eigenen Ängsten und
Hoffnungen und den in der Gruppe wie in der umfassenderen Kultur mit diesem
Genuß verbundenen Erwartungen (vgl. hierzu Quensel, Drogenelend,
Camp.82).
Die Effekte,
die mit der Einnahme von Cannabisprodukten verbunden sind, lassen sich
sozial erlernen, wobei die Erwartungshaltung eine große Rolle spielt
(vgl. Quensel, Drogen und Drogenpolitik).
Bei stärkerer
Dosis, also insbesondere beim Trinken oder Essen oder bei der Verwendung
von Haschischöl, sind eindeutigere halluzinogene Effekte zu erwarten
(vgl. Quensel, Drogen und Drogenpolitik).
Nicht
nur das Ausmass der Dosis -etwa die Art und Weise, wie man einen "Joint"
füllt- und Inhalte des Erlebens sind soziokulturell erlernt, sondern
auch die Häufigkeit des Konsums, was als leichter bzw. schwerer Gebrauch
gilt, zu welcher Gelegenheit man Cannabis konsumiert und wann man damit
aufhören soll (vgl. Ouensel, Drogen und Drogenpolitik).
Die psychischen
Wirkungen beschreibt Binder (Haschisch und Marihuana, Deutsches Ärzteblatt
1981) wie folgt: "Nach dem Rauchen von 1 Gramm Marihuana entsteht ein etwa
drei Stunden dauernder Rauschzustand, der durch ein Gefühl von Losgelöstheit
charakterisiert ist, das eine meditative Versenkung oder eine Hingabe an
sensorische Stimuli erlaubt. Der Zustand ist im allgemeinen frei von optischen
und akustischen Halluzinationen, die beim vier bis fünffachen dieser
Dosis auftreten können. Subjektiv gesteigert wird die Gefühlsintensität
beim Hören von Musik, beim Betrachten von Bildern, bei Essen und Trinken
und bei sexueller Aktivität. Der Rausch ist zweiphasig und geht nach
der Anregungsphase in eine milde Sedierung über. Bei der genannten
Dosierung dominiert eine passive euphorische Bewußtseinslage, bei
höherer Dosierung kann es zu paranoiden Vorstellungen und Dysphorie
kommen....
Die Droge
führt kaum zu Toleranzbildung und die Konsumenten kommen über
Jahre ohne Dosissteigerung aus." Cannabis besaß bis in dieses Jahrhundert
auch bei uns eine medizinische Bedeutung. Weltweit galt es stets als wichtiger
Bestandteil der Volksmedizin (vgl. Ouensel, Drogen und Drogenpolitik).
In neuerer
Ze,it untersucht man die Wirkungen von Cannabis bei Glaukomen zur Verminderung
des Augeninnendrucks, bei spastischen Krämpfen und Epilepsie sowie
bei Asthma und Anorexia nervosa. Eine ganz besondere Bedeutung gewann es
als Mittel gegen den Brechreiz bei Anti-Krebs-Mitteln. In den USA hat man
deshalb 500 Krankenhäusern THC zur Bekämpfung dieses Erbrechens
praktisch freigegeben und in 23 Staaten diese Behandlung dem Ermessen jedes
Arztes überlassen (vgl. Ouensel, Drogen und Drogenpolitik).
Ein Blick
auf Umfragedaten belegt, daß vornehmlich jüngere Menschen Cannabis
konsumieren. Sie tun dies,
-
um ihre
Stimmung zu heben (34 %)
-
um den Alltag
zu vergessen (28 %)
-
weil man
sich entspannt (25 %)
-
Hemmungen
überwindet (24 %)
-
intensiver
hört und sieht (19 %)
-
und weil
man leichter Kontakt zueinander bekommt (17 %)
(vgl. Quensel,
Drogenelend).
(b) Körperliche
und psychische Auswirkungen
aa.)
Körperliche Auswirkungen
Die körperlichen
Auswirkungen des Cannabisgebrauches sind relativ gering. Herz und Kreislauf
werden nicht beeinträchtigt, wenn auch der Puls aktiviert wird. Aus
diesem Grunde besteht bei Personen mit Kreislaufschäden Anlaß,
mit dem Gebrauch von Cannabis vorsichtig umzugehen. Wissenschaftliche Beweise
dafür, daß der Konsum von Cannabis sowohl bei der Fortpflanzung
als auch im Immunsystem Schäden hervorruft, sind bislang nicht vorgelegt
worden.
Der Sachverständige
Prof. Dr. Dominiak hat darauf verwiesen, daß es zwar in Tierversuchen
Hinweise für solche Wirkungen gebe, er hat jedoch eine Übertragung
der im Tierversuch gewonnenen Erkenntnisse auf den menschlichen Organismus
abgelehnt. Zur Begründung hat er angeführt, daß der tierische
Organismus häufig in ganz anderer Weise reagiere als der Mensch. Darüber
hinaus werde gerade bei den typischen kleinen Säugetieren mit Dosen
gearbeitet, die knapp unterhalb der bei Menschen praktisch nicht erreichbaren
Todesdosis liegen. Schließlich fehle bei den Labor- wie Tierversuchen
der Blindversuch, nachdem der Auswertende nicht wissen darf, welches Objekt
Cannabis erhielt und welches nicht (vgl. hierzu Quensel, Drogen und Drogenpolitik).
Darüber
hinaus kann das Rauchen von Cannabis zu Lungenschäden führen.
Dieser mögliche Schaden ist jedoch im Vergleich mit dem Schaden, der
durch das Rauchen selbst verursacht wird, eher zweitrangig. Da Haschisch
aber auch in anderer Form konsumiert werden kann (durch Trinken im Tee;
durch Essen im Kuchen) ist diese mögliche Schädigung der Lunge
kein spezifisches Risiko des Cannabiskonsums.
bb.)
Psychologische Auswirkungen
Es gibt
derzeit keinen Beweis für den Abbau zerebraler Funktionen und Intelligenzleistungen
durch chronischen Cannabisgebrauch. Jedoch ist die zur Intelligenzleistung
notwendige Funktion des Kurzzeitgedächtnisses unter Einfluß
von Cannabis reduziert (vgl. Schönhöfer, Die Pharmakologie der
Cannabis-Wirkstoffe, in Arzneimittelforschung 23, 73).
Es gibt
auch keinen medizinischen Hinweis, daß der Cannabiskonsum originär
Psychosen hervorruft. Der Sachverständige Dr. Barchewitz hat ausgeführt,
daß der Cannabiskonsum allenfalls eine bereits vorhandene Psychose
zum Ausbruch bringen kann. Diese lediglich auslösende Funktion können
auch andere Rauschmittel oder entsprechende Medikamente hervorrufen. Die
eigentliche Schädigung in der Psyche hat nach den Angaben des Sachverständigen
jedoch bereits vorher stattgefunden. Zu diesen Angaben des Sachverständigen
passt auch die bei Quensel (vgl. Drogen und Drogenpolitik) getroffene Feststellung:
"Zur
Zeit gibt es keine zureichenden Gründe, die dafür sprechen, daß
eine Cannabis-Psychose als besonderer klinischer Befund existiert". Der
Sachverständige Dr. Barchewitz hat auf entsprechenden Vorhalt diese
Aussage bestätigt. Die Beweisaufnahme hat auch ergeben, daß
das sogenannte aemotivationale Syndrom" keine spezifische Folge des Cannabiskonsums
ist. Bei dem aemotivationalen Syndrom" handelt es sich um ein durch aepathie,
Passivität und Euphorie gekennzeichnetes Zustandsbild". Der Sachverständige
hat in Übereinstimmung mit Schönhöfer ausgeführt, daß
es nicht möglich sei, eine kausale Beziehung zwischen dem Cannabisgebrauch
und dem aemotivationalen Syndrom" herzustellen.
Schönhöfer
hält hier vielmehr einen Umkehrschluß für zulässig.
Nach seiner Meinung machen die Elemente des aemotivationalen Syndroms erst
das Rauscherlebnis des Cannabiskonsums interessant und bedingen somit diesen
Konsum.
Auf diese
Zusammenhänge hat auch der Sachverständige Dr. Barchewitz auf
entsprechenden Vorhalt hingewiesen. Dies entspricht auch den Untersuchungen,
auf die Quensel (Drogen und Drogenpolitik) verweist. In empirischen Untersuchungen
ist nachgewiesen worden, daß Cannabiskonsumenten "weniger sorgfältig,
weniger diszipliniert und nicht so strebsam" sind wie eine Kontrollgruppe,
"was sich auch darin zeigt, dass sie signifikant weniger nach Erfolg strebt".
Jedoch seien auch potentielle Konsumenten, die nicht strikt gegen Cannabis
eingestellt gewesen seien, aber noch kein Cannabis konsumiert hätten,
signifikant weniger karriereorientiert... als die Antikonsumenten".
Ouensel
kommt daher zu der Auffassung, daß Cannabis eingebunden in einen
größeren Lebensstil sei, der schon vor dem Konsum vorhanden
gewesen sei und deswegen allenfalls als Symptom, jedoch nicht als dessen
Ursache zu begreifen sei.
Zusammenfassend
lassen sich deswegen die Befunde zum psychischen Bereich wie folgt beschreiben:
Nach derzeitigem Wissensstand sind keine gravierenden Störungen zu
erwarten, wenn auch Personen mit Neigungen zu psychischen Störungen
ebenso auf Cannabis verzichten sollten wie diejenigen, die sich damit sozial
unerträglichen Situationen entziehen wollen.
cc.)
Körperliche Abhängigkeit
Körperliche
Entzugserscheinungen sind bei Cannabis -anders als bei Alkohol und harten
Drogen- praktisch nicht zu beobachten. Der Sachverständige Prof. Dr.
Dominiak hat hierzu ausgeführt, daß allenfalls -vergleichbar
wie beim Absetzen der täglichen Kaffeedosis- leichte Schlafstörungen,
Irritierbarkeit und innere Unruhe auftreten können.
Auch
seien Dosissteigerungen aus physiologischen Gründen nicht festzustellen.
Vielfach ist sogar beobachtet worden, daß erfahrene Konsumenten weniger
Cannabis brauchen, um "high" zu werden als Anfänger (vgl. Quensel,
Drogen und Drogenpolitik).
Die Sachverständigen
haben darüber hinaus ausgeführt, daß allenfalls eine leichte
psychische Abhängigkeit vorhanden sei. Diese sei aber nicht anders
einzustufen, als die, die beim täglichen Kaffeetrinken entstehe. Quensel
(Drogen und Drogenpoltik) führt hierzu folgendes aus:
"Eine
Vorstellung von diesen Schwierigkeiten kann man gewinnen, wenn man an das
eigene abendliche Glas Bier denkt, an den üblichen Morgenkaffee oder
an die Leere, die entsteht, wenn man das Rauchen aufgibt -dieselbe Leere
überfällt uns, wenn der Fernseher repariert werden muß,
die Tageszeitung wegen Streiks fehlt, die Prüfung bestanden ist oder
bei Arbeitslosigkeit oder Verrentung der alltägliche Arbeitstrott
ausfällt."
dd.)
Tödliche Dosis
Bei dem
Cannabiskonsum gibt es im Gegensatz zum Alkohol, Nikotin und harten Drogenkonsum
keine wissenschaftlich ermittelte letale (=tödliche) Dosis.
Todesfälle
die auf exzessiven Konsum zurückzuführen sind, sind bei Haschisch
nicht bekannt.
(c) Gesellschaftliche
Auswirkungen
aa.)
Anzahl der Haschischkonsumenten
Die Gesamtzahl
der Konsumenten ist nicht bekannt. Die Angaben hierüber schwanken.
Körner geht in seinem Kommentar zum Betäubungsmittelgesetz unter
Berufung auf die Zeitschrift Suchtreport 1988, Heft 2) von ca. 3 bis 4
Mio Cannabisabhängigen aus (vgl. Körner).
In der
Auskunft des Bundesgesundheitsamtes vom 21. Dezember 1990 wird eine Zahl
von mehreren Hunderttausend und 1 bis 2 Mio angegeben. Der Drogenexperte
Berndt Georg Thamm schätzt in seinem Buch "Drogenfreigabe - Kapitulation
oder Ausweg ?" (Verlag Deutsche Polizeiliteratur GmbH, 1989) für die
Bundesrepublik eine Anzahl von über 2 Mio. Konsumenten von Cannabisprodukten
(vgl. Thamm).
bb.)
Haschischtherapie
Es gibt
keine spezielle Haschischtherapie und auch keine therapeutische Einrichtung
für Haschischkonsumenten. Dort wo Haschischkonsumenten einer psychologischen
oder psychiatrischen Behandlung bedürfen, ist nach den Darlegungen
des Sachverständigen Dr. Barchewitz der Haschischkonsum nicht die
Ursache. Vielmehr steckt dahinter ein persönliches Problem. Ist dies
behoben, dann schwindet auch das Bedürfnis zum Konsum, da dieser körperlich
nicht bedingt ist.
cc.)
Auswirkungen auf strafbare Handlungen
Im Gegensatz
zum Alkohol und zu den sogenannten harten Drogen wird die polizeiliche
Kriminalstatistik nicht unter dem Gesichtspunkt geführt, ob der Tatverdächtige
die Tat unter dem Einwirken von Cannabiskonsum begangen hat. Es gibt in
der polizeilichen Kriminalstatistik hierzu keine statistischen Erhebungen.
Daraus läßt sich entnehmen, daß dies für die Begehung
von Straftaten kein relevanter Faktor ist. Dies verdient besondere Hervorhebung
im Verhältnis zum Alkohol, weil der Alkohol häufig eine stimulierende
Wirkung hat, die insbesondere die Bereitschaft zu Gewalttätigkeiten
fördert. Haschisch hat eine im Grundsatz umgekehrte Wirkungsweise.
Der Konsum von Haschisch führt zu einer Hinwendung nach innen und
begleitend dazu zu einem Rückzug von der äußeren sozialen
Realität. Dabei hat die Einnahme von Haschisch nach den Ausführungen
der Sachverständigen regelmäßig eine mehr beruhigende und
einschläfernde Wirkung. Allerdings sei davon auszugehen, daß
sich insbesondere diese Eigenschaften im Straßenverkehr nachteilig
bemerkbar machen könnten.
ff.)
Einstiegsdroge
Im Gegensatz
zu den Motiven des Gesetzgebers bei der Neufassung des Betäubungsmittelgesetzes
im Jahre 1971 steht zur Überzeugung der Kammer nach den Ausführungen
der Sachverständigen und der dabei erörterten und vorgehaltenen
Literatur fest, daß Haschisch keine "Einstiegsdroge" für härtere
Drogen ist und auch keine Schrittmacherfunktion entfaltet. Die Sachverständigen
haben in Übereinstimmung mit der Auskunft des Bundesgesundheitsamtes
zunächst festgestellt, daß es keinen medizinischen und biologischen
Auslöser für die Behauptung gibt, daß Konsumenten sogenannter
weicher Drogen auf harte Drogen umsteigen.
Das Schweizer Bundesgericht hat sich in seinem Entscheid vom 29. August
1991 mit der angeblichen Gefährlichkeit von Cannabisprodukten auseinandergesetzt
und dabei auch zur Einstiegstheorie bzw. zur Umsteigegefahr Stellung genommen.
Dabei hat es den Sachverständigen Prof. Kind zitiert, der dargelegt
hat, daß diese Behauptung (Einstiegsdroge) heute eindeutig widerlegt
sei.
Abschliessend heißt es in der Entscheidung des Schweizer Bundesgerichts:
"Der Gebrauch von Cannabis führt ferner keineswegs zwangsläufig
zu jenem gefährlicherer Stoffe; nach neuesten Schätzungen greifen
insgesamt etwa 5% aller Jugendlichen, die Erfahrung mit Cannabis haben,
zu härteren Drogen."
Auch Körner lehnt in seinem Kommentar zum Betäubungsmittelgesetz
die Theorie von Haschisch als Einstiegsdroge ab. Es heißt dort.
Die Theorie von Haschisch als Einstiegsdroge ist kein überzeugendes
Argument, weil der Weg zum Heroin ebenso häufig über Alkohol
und Tablettenkonsum verläuft, ohne daß deshalb ein Verbot von
Alkohol oder Tabletten zu fordern wäre."
Die Kammer lehnt daher in Übereinstimmung mit den Sachverständigen
und den vorstehenden zitierten Autoren die Theorie von der "Einstiegsdroge"
ab. Die Theorie von der sogenannten Einstiegsdroge wird von der (unzutreffenden)
Denkschablone getragen, daß aus der Verwendung
der Droge ein Drang nach Dosissteigerung logisch folge und dieser von der
leichten zur starken Dosis führen müsse
(Quensel, Drogen und Drogenpolitik).
Dabei wird übersehen und unberücksichtigt
gelassen, ob die Drogen in ihrer Wirkung miteinander vergleichbar sind
und daß dann doch der leichte und beliebig steigerbare Alkoholkonsum
als Alternative viel näher liegt (vgl. Quensel,
Drogen und Drogenpolitik).
Es wurde
bereits darauf verwiesen, daß der Cannabiskonsum in seiner Zielrichtung
eine mehr, beruhigende und sedierende Wirkung hat, während zum Beispiel
die Drogen Kokain und Heroin stark euphorisierende Auswirkungen haben.
Diese Drogen stellen daher von ihrer Wirkungsweise keine Stei- gerung der
Cannabisprodukte dar, sondern haben eine vielmehr entgegengesetzte, dem
Alkohol ähnliche Wirkung.
Deshalb fehlt es schon an einer den Umstieg tragenden subjektiven Zielvorstellung,
die darauf angelegt ist, die Wirkungsweise des bisherigen Rauschmittels
zu steigern. Darüber hinaus führt gerade der Konsum von Haschisch
-wie bereits dargelegt- nicht zu einer Toleranzausbildung, die nach immer
stärkeren Dosen drängt.
Im Gegenteil: haschischgewöhnte Konsumenten werden regelmässig
mit einer niedrigeren Dosis "high" als Anfänger.
Darüber hinaus wird der Versuch unternommen, die Umstiegstheorie statistisch
wie folgt zu begründen (vgl. dazu Täschner,
Das Cannabis-Problem 1979): untersucht man andererseits
aber klinisch-stationär behandelte Drogenabhängige, meist Heroinsüchtige
oder Polytoxikomane, so stellt man fest, daß sie ihre Drogenkarriere
zu 98 bis 100% mit Haschisch begonnen hatten.
Kreuzer verweist in seinem Aufsatz auf Untersuchungen von Prof. Keub, wonach
diese Theorie in den USA schon längst tot war, als bei uns die Drogenwelle
1968 begann.
Kreuzer führt weiterhin aus, daß Prof. Keub in einer Studie
nachgewiesen habe, daß Alkohol die Haupteinstiegsdroge sei und daß
bei einem Drogenkongress in Wien alle anwesenden Experten verschiedener
Disziplinen die Einstiegstheorie verworfen haetten.
Kreuzer führt in seinem Aufsatz auch weitere Untersuchungen an, die
für deutsche Verhältnisse die Unhaltbarkeit der Einstiegstheorie
ergeben hätten.
Darüber hinaus lässt sich die Einstiegstheorie auch anhand der
statistischen Zahlen über die geschätzten Drogenabhängigen
widerlegen. Der Pharmakologe Schönhöfer hat in seinem Aufsatz
die Umsteigetheorie an Zahlen, die für Amerika gelten, überprüft.
Wörtlich heißt es: "Der Direktor des "National Institute of
Mental Health" schätzte in einem Hearing vor dem subcommittee to Investigate
Juvenile Delinquency" am 17. September 1969 die Zahl der Jugendlichen Marihuana-Konsumenten
in USA auf 8 bis 12 Mio.
Im Mai und Oktober des gleichen Jahres veröffentlichte die "Washington
Post" Gallup - Umfragen, die die Zahl der Marihuana - Konsumenten mit rund
10 Mio angaben. Nach der hier in der Bundesrepublik üblichen Umsteigertheorie
müssten also heute rund 30% dieser Menschen, mithin also 3 Millionen
Heroinsüchtige sein. Das ist nicht der Fall.
Die Zahl der Heroinsüchtigen in den USA liegt bei 200.000 mit einer
geschätzten Dunkelziffer gleicher Größe, also insgesamt
bei 400.000. Das sind zwischen zwei bis vier, rund also höchstens
5% der Marihuana - Konsumenten."
Diese Zahlen belegen, daß ein Umstieg nur in geringem Umfange stattfindet.
Sie entsprechen den Zahlen, die das Schweizer Bundesgericht zugrunde gelegt
hat, und die auch auf die Bundesrepublik zutreffen. Nach den Ausführungen
des Sachverständigen Dr. Barchewitz ist davon auszugehen, daß
es in der Bundesrepublik ca. 100.000 Drogenabhängige gibt, die sogenannte
harte Drogen konsumieren.
Die Zahl der Haschischkonsumenten liegt -wie bereits dargelegt- zwischen
2 und 4 Mio. Dieses krasse Missverhältnis von Cannabiskonsumenten
zu Konsumenten "harter" Drogen beweist, daß offensichtlich kein kausaler
Umsteigeeffekt vorhanden ist. Dies haben auch die von der Kammer gehörten
Sachverständigen ausdrücklich bestätigt. Sie haben vielmehr
darauf verwiesen, daß eine Suchtkarriere, die einmal beim Heroin
ende, typischerweise vom frühen Gebrauch von Nikotin oder Alkohol
geprägt sei. Sie meinen daher, daß der Gebrauch dieser bei uns
üblichen Konsumdrogen viel eher einen Einstiegseffekt aufweise.
Darüber hinaus haben die Sachverständigen darauf hingewiesen,
dass ein Umsteigeeffekt allenfalls durch den gemeinsamen illegalen Drogenmarkt
erfolge. Sie haben hierzu ausgeführt, daß der Haschischkonsument
die Droge vom gleichen Dealer bekomme, der auch über "harte" Drogen
verfüge. Aus diesem sozialen Kontakt" ergebe sich eine sehr viel größere
Gefahr des Umsteigens als aus dem Konsum und den damit verbundenen Wirkungen
(so auch Binder).
Die Kammer weiss aus einem Referat des Amsterdamer
Strafrechtsprofessors Dr. Rüter, das auch insoweit in der Hauptverhandlung
erörtert worden ist, daß gerade aus diesen Gründen die
niederländische Drogenpolitik eine Trennung der Märkte von "weichen"
und "harten" Drogen anstrebt.
Die Einrichtung von sogenannten "Coffee-Shops", in denen Cannabis-Produkte
zum Konsum frei verkäuflich erworben werden können, ohne daß
strafrechtliche Verfolgung zu befürchten ist, hat zum Ziel, den sozialen
Kontakt" des Konsumenten "weicher" Drogen zu "harten" Drogen beim Ankauf
zu unterbinden.
Deswegen müssen die Inhaber von "Coffee-Shops" mit Bestrafungen und
Schließung ihrer Geschäfte rechnen, wenn sie "harte" Drogen
verkaufen. Durch diese Trennung der Märkte wird nach Auffassung der
Niederländer der mögliche Umsteigeeffekt, der durch den sozialen
Kontakt" mit dem gleichen Dealer bewirkt werden kann, erheblich reduziert.
c) Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, daß die individuellen
und gesamtgesellschaftlichen Wirkungen von Haschisch denkbar gering sind.
(1) Das Schweizerische Bundesgericht hat in seiner Entscheidung vom 29.
August 1991 hierzu folgendes festgestellt:
"Nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse läßt sich
somit nicht sagen, daß Cannabis geeignet sei, die körperliche
und seelische Gesundheit vieler Menschen in eine naheliegende und ernstliche
Gefahr zu bringen."
(2) Der Sachverständige Prof. Dr. Dominiak hat erklärt, daß
Cannabis nach seiner Kenntnis das Rauschmittel mit den geringsten individuellen
und gesamtgesellschaftlichen Wirkungen sei, das es zur Zeit auf der Welt
gebe.
Binder hat in seinem Aufsatz im Deutschen Ärzteblatt ausgeführt:
"Medizinisch gesehen, dürfte der Genuß von ein bis zwei Joints
Marihuana (ein bis zwei Gramm Marihuana, resorbierte
THC-Menge 8-16 mg) pro Tag unschädlich sein,
zumindest aber weniger schädlich sein, als der tägliche Konsum
von Alkohol oder von 20 Zigaretten.
Für alle drei Drogen gilt das Prinzip "sola dosis facit venenum" und
somit wäre gegen den gelegentlichen Konsum von Marihuana im Grunde
genau so wenig einzuwenden wie gegen das gelegentliche Glas Wein oder die
gelegentliche Zigarette, Jede Droge im Übermaß genossen, ist
schädlich."
(3) Soweit der exzessive Gebrauch von Cannabisprodukten bei bestimmten
Risikogruppen zu bestimmten -nicht ernstlichen- Schädigungen führen
kann, ist darauf hinzuweisen, daß dies grundsätzlich für
fast alle Substanzen gilt, die der Mensch zu sich nimmt (Zum
Problem, der fehlenden Relation zwischen Extrem- und Normalkonsum aus sozialwissenschaftlicher
Sicht vgl. Kreuzer).
Auch der exzessive Gebrauch von Zucker kann zu Schädigungen führen.
Darüber hinaus haben zahlreiche rezeptpflichtige Schmerz-, Schlaf-
und Beruhigungsmittel bei langandauernden, übermäßigen
Konsum Sucht und schwere gesundheitliche Schäden mit teils tödlichem
Ausgang zur Folge.
Entzugstherapien bei Medikamentenabhängigkeit sind aufwendig. Medikamentenmißbrauch
kann auch Psychosen auslösen. Auch nicht rezeptpflichtige Schmerzmittel
und sogar Vitamine können bei übermäßiger Dosierung
zu schweren Gesundheitsschäden führen.
Bei Aspirin drohen z.B. Magengeschwüre z.B., wie sie durch die Einnahme
von mehr als drei Multivitamin-Tabletten geschehe, überschreitet bei
einer Leibesfrucht den Grenzwert und kann zu Fruchtschäden führen.
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