[Innenstadtaktion]

Innenstadtaktion

Thesen fuer das Innercity-Treffen in Frankfurt/Main 11. - 12.01.97

Wir wollen das Sie sich sicher fühlen ...

Innere Sicherheit

Aus der Sicht der Mehrheitsgesellschaft formieren sich Obdachlose, Alks, DealerInnen, DrogenkonsumentInnen oder junge MigrantInnen zu unerwuenschten oder gar zu gefaehrlichen Gruppen (so der Ankuendigungstext der Innenstadt AG) Aus der Sicht der Mehrheitsgesellschaft lautet anschliessend die darauf logische Antwort: die Innenstaedte in saubere, stoerungsfreie Konsum- und Erlebniscenter zu verwandeln.

Wichtig ist bei diesem Prozess jedoch nicht nur, zu kritisieren, mittels welcher Strategien und Konzepte, d.h. Sondernutzungs- und Gefahrenabwehrverordnungen und mit wieviel Unterstuetzung privater und beamteter Schlaegerdienste, Gruppen aus Innenstadtbereichen vertrieben werden, sondern inwieweit ueber diese Kaempfe und Auseinandersetzungen diese Gruppen als Gruppen ueberhaupt erst konstituiert werden. D.h. konkret: diese Gruppen, als Gegenstand ordnungs- bzw. sozialpolitischen Intervenierens seitens Behoerden, Privatunternehmen oder auch einfach PassantInnen, muessen erst hergestellt werden, ebenso wie die eben genannten Akteure sich hierueber erst als selbstbewusst agierende Interessengruppe konstituieren. Hergestellt meint also sowohl davon auszugehen, dass jene scheinbar bedrohte Mehrheitsgesellschaft sich in eben diesen Prozessen formiert, wie auch ihre Bedrohung.

Diese Dimension des staedtischen Sicherheitsdiskurses ist sehr eng verschraenkt mit einem ueberstaedtischen Sicherheitsdiskurs, der ueber die Bedeutung des ersten hinausweist. Der staedtische ist hierin quasi eingebettet. Er speist sich aus ihm ebenso wie er ihn umgekehrt stabilisiert, indem er z.B. den ueberstaedtischen Diskurs mit raeumlichen Konkretionen versorgt, er den inszenierten Bedrohungen sozusagen ihren Ort verleiht, an dem sie lauern koennen.

Zentral ist in beiden genannten Diskursen der Begriff der Inneren Sicherheit. Innere Sicherheit ist Herrschaftspolitik und meint zunaechst Schutz vor Verbrechen. Da besagter Schutz sowohl von den Herrschenden als auch von weiten Teilen der Beherrschten als Aufgabe der Polizei fixiert wird, bedeutet Innere Sicherheit traditionell polizeiliche Verbrechensbekaempfung. Die Kategorie Verbrechen bzw. Kriminalitaet als der gaengige Begriff erweist sich dabei als vage. Vage deshalb, weil keine Handlung an sich kriminell ist; vielmehr ist diese Zuschreibung Ergebnis historisch sich aendernder Auswahl-, Zurichtungs- und Verarbeitungsprozesse. Es zeigt sich jedoch, dass gerade diese Vagheit gewaehrleistet, dass Sicherheitsdiskurse an andere Ausgrenzungsstrategien leicht anknuepfen koennen. So verstanden verfuegen Sicherheitsdiskurse ueber Ausgrenzungsresourcen ersten Ranges. Wer sie dominiert, legt fest, wer als Feind Innerer Sicherheit gilt und umgekehrt, wer zu den Bedrohten, den Opfern zaehlt.

Die Instrumente der Kontrolle und Repression schaffen in diesem Sinne nicht nur die Verbrechen, die zu kontrollieren sie vorgeben, d.h. was mehrheitsgesellschaftlich als kriminell anzusehen ist, sondern zugleich homogene Kollektive von den Drohenden und den Bedrohten. Dieser Homogenisierungseffekt ist Resultat eines komplexen Nebeneinanders gleichzeitiger und aufeinander verweisender Ausschliessungs- und Zuschreibungspraxen, deren Auffaelligkeit darin besteht, dass die Bedrohungen, d.h. die Feinde Innerer Sicherheit, immer so konstruiert sind, dass sie herrschende Sicherheitspolitik als angemessen oder gar notwendig erscheinen lassen.

Diese Praxen sind vielfaeltiger Gestalt und besitzen ihre je spezifische Materialitaet. Das bedeutet: mag sich die konkrete und charakteristische Wirkung eines Polizeiknueppels einerseits von der z.B. eines Kurzberichts ueber Kriminalitaet in der Stadt im Lokalteil einer Tageszeitung (vgl. FR 20.12.96) auch unterscheiden, sie beide sind Bestandteil einer Politik. D.h. (in beide Richtungen) das eine eben nicht als simplen Reflex des anderen zu begreifen.

Diese Wahrnehmung begruendet das Interesse an dem Zustandekommen eben der Realitaetskonstruktionen, mittels denen die oben genannten Gesetze, Entwuerfe und Gefahrenverordnungen gerechtfertigt und umgesetzt werden.

Zu fragen ist also, wer oder was im herrschenden aktuellen Sicherheitsdiskurs als Bedrohung und in Erweiterung dieser Frage wer als bedroht praesentiert wird und vor allem, wer diese Praesentationen vornimmt. Es geht gerade nicht um das Konkurrieren um die richtige, bessere Politik gegenueber scheinbar gegebenen Kollektiven. Es geht um die Analyse der Signifizierungsprozesse: Wie laufen sie ab, was sind ihre Gehalte, welche Folgen haben sie fuer Personen, die in sie involviert sind. Dabei wird deutlich, dass der Sicherheitsdiskurs starke neorassistische Zuege aufweist. Die Analyse fuehrt zu dem Schluss, dass die ,Sicherheits'- nach der ,Asyl'-Debatte der zweite Schritt ist, die rassistische Umstrukturierung der bundesdeutschen Gesellschaft voranzutreiben (Tolmein zit. nach AG Innere Sicherheit 1994: 20).

Wer praesentiert?

Die sprachlichen und symbolischen Gehalte des aktuellen Sicherheitsdiskurses sind, wie ich eben bereits andeutete, als Formen sozialer Praxis zu interpretieren. Sie bezeichnen in diesem Sinne Prozeduren der Ein- und Ausschliessung und stellen hierdurch ein Potential herrschaftslegitimierender Technik buergerlich-kapitalistischer Gesellschaft dar. Es gilt hierbei nicht nur zu fragen, mittels welcher Merkmale und Beziehungen die angedeuteten Bedeutungskonstruktionen Herrschaft aufrechterhalten. Zugleich wird das Augenmerk auf die Rolle und den Einfluss bestimmter exponierter Akteure und Agenturen gelenkt, die gewoehnlich, rechtmaesig, die erste Moeglichkeit haben [...], und zwar ausfuehrlich, eine Konfliktsituation zu definieren. (Hall 1989: 141) Diese [...] Maechtigen erhalten primaere Definitionsmacht bei diesen Konflikten. Sie haben Zugang zum Thema, stellen die Regeln der Debatte auf, sie legen fest, was fuer die Art und Weise, wie das Thema behandelt werden wird, 'relevant' und was 'irrelevant' ist (ebd.) Die hegemonialen ProtagonistInnen des Sicherheitsdiskurses lassen sich dabei wie folgt ausdifferenzieren: Angehoerige der Sicherheitsbehoerden, sogenannte SicherheitsexpertInnen, PolitikerInnen und MedienvertreterInnen. Die berufsbedingte Perspektive der Mitglieder des Sicherheitsapparates fuehrt zu Lageeinschaetzungen (das Stichwort Polizeiliche Kriminalstatistiken soll an dieser Stelle genuegen) und daraus resultierenden Loesungsangeboten, die von BerufspolitikerInnen zu politischen Konzepten verdichtet werden und die letztlich in Gesetze muenden (Asylgesetz, Verbrechensbekaempfungsgesetz, Gesetz gegen die Organisierte Kriminalitaet oder auch auf kommunaler Ebene die z.Zt. in Frankfurt diskutierte Gefahrenabwehrverordnung).

Uebersetzungsarbeit leisten hierbei in erster Linie die Medien. Sie sind der Ort an und mittels dem ein Grossteil der Einschaetzungen der ExpertInnen und der politischen Rede erst ihre Bedeutung erhaelt, d.h. sie sind der zentrale Ort der Formierung subjektiver Haltungen und kultureller Positionen (vgl. Gerhard 1992: 11). Dem Mediendiskurs kommt besondere Bedeutung zu, denn er bezeichnet die Schnittstelle zwischen ExpertInnenwissen und Alltagsgewissheiten.

Wer wird praesentiert?

Es ist wichtig, die im herrschenden Sicherheitsdiskurs verwendeten Bilder zu beruecksichtigen, die Kollektivsymbolik, mittels der das Thema Sicherheit/Unsicherheit allgemeinverstaendlich verankert wird. Hier zeigt sich zunaechst ueberdeutlich, dass Kriminalitaet nahezu durchgaengig ueber Katastrophen- bzw. Krankheitsmetaphern wie z.B. Leck, Flut, Eisberg, Krebs, Pest, Immunschwaeche, Lawine, oder toedliche Infektion kollektivsymbolisch negativ kodiert und hierueber als nicht zugehoerig in ein gesellschaftliches Aussen verwiesen wird. Analog hierzu wird der bedrohte Bereich symbolisiert als guter Naehrboden, Haus, Koerper, Gebaeude, Schiff, unsere Gesellschaft, Vaterland, die BRD.

Die personifizierende Illustration der abstrakten Bedrohung vollzieht sich in zwei Schritten. Im ersten kann man noch von einer Versachlichung der Bedrohung sprechen. In den Szenarien tauchen immer wieder unterschiedliche Deliktbereiche auf: Alltags- bzw. Massenkriminalitaet, Gewalt- und Rauschgiftkriminalitaet und vor allem Organisierte Kriminalitaet. Insbesondere der Begriff der Organisierten Kriminalitaet erweist sich als dominant: Mal buendelt er bestimmte Deliktbereiche und laesst Kriminalitaet dadurch noch bedrohlicher erscheinen, ein anderes Mal steigert seine Unbestimmtheit (dank diffuser Definition) sein Bedrohungspotential. Es handelt sich um einen wenig eindeutigen Begriff, der je nach kriminalpolitischem Kalkuel eingesetzt werden kann. Unabhaengig von seiner Auslegung nimmt er eine zentrale Rolle ein, wenn es darum geht, Forderungen aus den Bedrohungsszenarien abzuleiten.

Noch interessanter ist jedoch, dass fuer alle scheinbar versachlichten Teilbereiche in Gestalt der genannten unterschiedlichen Kriminalitaetsarten im zweiten Schritt im Kern neorassistische Feindbildkonstruktionen vorgenommen werden. Migration und Kriminalitaetsentwicklung werden in ursaechlichen Zusammenhang gebracht.

Diese Verknuepfung erweist sich mittlerweile als durchgaengig tragendes Muster. So deklarierte Bundesinnenminister Kanther z.B. die Organisierte Kriminalitaet bereits 1994 zum spezifischen Bereich der Auslaenderkriminalitaet (Kanther 30.5.94). Das Gerede von steigender Kriminalitaet (quantitativ wie qualitativ) in Ankoppelung an Migrationsdiskurse kulminiert in der Polarisierung zwischen Opfern (Bedrohten) und TaeterInnen (Bedrohenden), die entlang der Achse deutsch - nichtdeutsch verlaeuft. Deutsche als Kriminelle oder TaeterInnen spielen in den Bedrohungsszenarien eine marginale Rolle. Im Falle einer Taeterpraesentation spielen sie meist zugleich die Rolle von Subopfern, wie das erste (einheimische Luden) der spaeter folgenden Beispiele zeigen wird. Auf Nichtdeutsche, Ergebnis der Konstruktion personifizierter Kriminalitaet im Sicherheitsdiskurs, uebertragen sich folglich alle Negativ-Kodierungen, mit denen Deliktbereiche und Kriminalitaetsentwicklung etikettiert wurden. Die Folge: Nichtdeutsche werden entindividualisierend als bedrohliche, amorphe Masse kodiert. Ein homogenes Kollektiv auslaendischer Taeter wird hierueber ebenso hergestellt, wie umgekehrt das Kollektiv deutscher Opfer. Mittels permanenter Verknuepfung mit Hinweisen auf Glaubensrichtungen, Ernaehrungsgewohnheiten, Sprache und Aussehen der nun als TaeterInnen identifizierten, wird kulturelle Differenz konstruiert. Wurden neorassistische Bedeutungskonstruktionen bislang hauptsaechlich im Rahmen einer Auseinandersetzung um den Begriff Auslaenderkriminalitaet als Teildisziplin verharmlost, erweist sich heute der gesamte Sicherheitsdiskurs als von diesem Bild durchdrungen. Er wird getragen von der (Re-)Produktion der kollektiv Anderen, der Fremden und der im gleichen Moment stattfindenden (Re-)Produktion des kollektiven Wir. Diese Volksvergemeinschaftung rueckt ins Zentrum der Analyse. Besagte Konstruktion im und durch den aktuellen Sicherheitsdiskurs rechtfertigt dessen Bewertung als Fortsetzung des Asyldiskurses mit nur zum Teil anderen Mitteln. Ich moechte an dieser Stelle nur drei Beispiele zitieren, die sowohl die Negativ-Kodierung, die Verwendung der Kollektivsymbolik als auch die Behauptung kultureller Differenz veranschaulichen:

  • Wie in Berlin sind auslaendische Banden auch in den anderen deutschen Grosstaedten dabei, die Rotlichtrevieren zu uebernehmen. Der Kampf um die Vorherrschaft im Milieu wird mit gnadenloser Brutalitaet gefuehrt, immer mehr einheimische Luden raeumen resigniert das Feld. (Stern 48/1996, S.194)
     
  • Die Kosovo-Albaner sind wie ein Rudel Woelfe ueber Deutschland hergefallen (Stern 3/1995, S.46/47)

  • Geradezu babylonisch ist das Lautgewirr, das in der Frankfurter U-Haftanstalt +Preungesheim I herrscht: Hier sitzen Haeftlinge aus 68 Nationen, die sich in 63 Sprachen zu verstaendigen versuchen. Von 775 Gefangenen sind, von Tag zu Tag schwankend, rund 600 Auslaender, die aus allen Ecken der Erde - von Kolumbien bis zur Mongolei - stammen. In der Haftanstalt kursieren Zeitungen mit arabischen Schriftzeichen, im Kraftraum staehlen sich kraeftige Kerle vom Balkan, und der Knast-Haendler hat sein Angebot laengst auf Chili und Curry, auf tuerkischen Honig und exotische Gewuerzmischungen umgestellt. Wenn einmal im Monat der Imam die Moslems zum Gebet ruft, dann rollen reihenweise schwere Jungs ihren Teppich aus. (STERN 30/1994: 19)

Zurueck zur Stadt

Ich habe eingangs bereits angedeutet, dass Stadt auch und gerade im ueberstaedtischen Sicherheitsdiskurs eine besondere Rolle spielt. Auf dieser Ebene uebersetzt sich der Sicherheitsdiskurs in Bilder des Staedtischen. So sehr die Akteure der diffusen Kriminalitaetsbedrohung als Nichtdeutsche konstruiert werden, so sehr wird der konkrete Ort des Verbrechens als Stadt, Grossstadt oder quasi das potenzierte Verbrechen nahelegend als Metropole bezeichnet. Das letzte Beispiel deutete diese Uebersetzung bereits an (Frankfurter U-Haftanstalt Preungesheim I) es lassen sich zugleich auch Beispiele finden, die in diesem Kontext die Verknuepfung mit den nun bekannten Opfer- bzw. Taeterkollektiven vornehmen:

1. Bernd Heede
Kopfschuss in der Fussgaengerzone: Der Hamburger Boutique-Besitzer Bernd Heede wollte einen fluechtigen Killer festhalten. Dessen Komplize feuerte auf ihn. Notaerzte konnten den Familienvater nicht mehr retten. Am Tatort stellten empoerte Buerger Blumen und Lichter auf. (STERN 52/1994: 30) Die Dichotomisierung stellt den gesichtslosen Kriminellen (fluechtiger Killer, feuernder Komplize) empoerte Buerger gegenueber. Die Entgegensetzung vollzieht sich v.a. mittels einer Individualitaetskonstruktion des Opfers (Bernd Heede), welche durch die Hinweise Boutique-Besitzer und Familienvater buergerlich vergemeinschaftet wird. Das ganze ereignete sich in der Fussgaengerzone.

2. Der Scorpion-Killer: In Frankfurt fuehren Kosovo-Albaner ebenfalls blutige Bandenkriege. An einem Juni-Nachmittag zog der 24jaehrige Safet Azemay neben einem Taxistand an der Konstablerwache eine Scorpion-Maschinenpistole. Mitten im Gedraenge schoss der Killer einem Landsmann in den Koerper, dann in den Kopf. Als er sich auf der Flucht zwischen Einkaufsbummlern auf der Zeil bedraengt fuehlte, feuerte er weiter. Die meisten Passanten konnten in Hauseingaenge fluechten. Doch eine 24jaehrige Schuelerin und ein 59jaehriger Schriftsetzer wurden getroffen: Lungendurchschuss, Lebensgefahr.(ebd.: 34) Die Alltaeglichkeit der Tatorte besonders betonend (Fussgaengerzone, Zeil, d.h. auf offener Strasse), erscheint das Risiko, Opfer zu werden, ebenso alltaeglich, d.h. wahrscheinlich. Einen aehnlichen Effekt haben Beispiele, die mit der sogenannten Kriminalitaetsuhr arbeiten. Die z.B. besagen, dass alle soundsoviel Minuten ein Mord, ein Diebstahl o.ae. passiere.

Angst und Gefaehrlichkeit

Die Militarisierung der Innenstadt, als von der Mehrheitsbevoelkerung gewollte und akzeptierte Strategie, indiziert schliesslich Sicherheitsgefaehrdung an einem Ort, an dem sich ohne Polizeipraesenz, Fernsehkameras und private Wachdienste keine Bedrohungsgefuehle einstellen wollen. Hinzu kommt die medial vermittelte Gewissheit, dass dies ja der Ort sei, an dem aggressiv gelagert und gebettelt wird, Handtaschen geraubt werden und auslaendische Jugendgangs mal Dope verkaufen, mal Gleichaltrigen teure Markenklamotten abnehmen. [Uebrigens ein kleiner Nebenaspekt: sog. auslaendische Jugendliche konsumieren in diesem Koordinatensystem von Bedeutung keine Drogen sondern verkaufen sie in erster Linie (=Taeter). Der Kauf, die Konsumentenrolle ist deutschen Jugendlichen vorbehalten (=Opfer).] Es findet eine Rueckuebersetzung des beschriebenen ueberstaedtischen Sicherheitsdiskurses in den lokalen Kosmos statt, indem nun auf staedtischer Ebene, sozusagen vor Ort, nach den Personen Ausschau gehalten wird, die bereits als Signifikanten der Bedrohung gelten. Es ist die Re-Signifizierung des Drohenden-Kollektives im Wechselspiel mit der Selbstvergewisserung, zu den Bedrohten zu gehoeren und bezeichnet so etwas wie die subjektive Komponente (ein m.E. treffenderer Begriff als subjektives Bedrohungsgefuehl)

Hier uebernehmen die Lokalteile grosser Tageszeitungen eine zentrale Rolle. Auf dieser Ebene nicht unbedingt mittels hervorgehobener Schwerpunktberichterstattung, sondern eher mittels kontinuierlichen Kurzmeldungen. Man lese nur einmal an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen die erste Seite des Lokalteils der Frankfurter Rundschau. Nicht nur, dass deren Polizeireporter auffallend oft auf dieser vertreten ist. Hinzukommt, dass Grundlage fuer dessen Kurzberichte wiederum die Sammel-Presseerklaerungen insbesondere der Frankfurter Polizei ueber ihrer Aktivitaeten vom jeweiligen Vortag sind. Entsprechend reproduziert sich deren Wahrnehmungsraster scheinbar journalistisch-neutral. Dieser Umstand ist geeignet, bestehende Klischees zu verfestigen und zu verstaerken. ExpertInneneinschaetzungen und Aussagen von PolitikerInnen lassen sich wiederum durch den Mediendiskurs als bestaetigt, d.h. als wahr empfinden. Ein Grund dafuer ist die Ueberzeugung, es handele sich um voneinander unabhaengige Einschaetzungen. Es ist der journalistische Objektivitaetsfetisch der diese Einschaetzung begruendet. Und der sich in dem Irrglauben aeussert, Berichte ueber Regierungspolitik, ueber Polizeiaktionen, Gerichtsfaelle oder Verbrechen objektiv und ausgewogen vorzutragen und sich fuer jedes dieser Gebiete auf Quellen und Quellentexte zu beziehen, die sich scheinbar ausserhalb journalistischen Einflusses befaenden (vgl. Dijk 1991: 14) Das wechselseitige Uebersetzungsverhaeltnis von Texten, Fotografien und taeglichen Situationen verleiht den Konstruktionen Evidenz und Alltagsverstaendlichkeit - sie werden zur Gewissheit.
 

Schluss

Abschliessend sollen ein paar Punkte kurz hervorgehoben werden:
  • Der herrschende Sicherheitsdiskurs gibt Symbol- und Bedeutungskorridore vor, die relativ stark festlegen, nicht nur wie man sich zu diesem Thema aeussern kann, sondern gerade auch, was als Thema angesehen werden darf.

  • Das hergestellte drohende Fremd-Kollektiv ist schillernd und vage: hieraus lassen sich sogenannte auslaendische Drogendealer ebenso destillieren, wie tuerkische Jugendgangs und schliesslich bietet dieses Symbolreservoir auch die Kodes fuer gewalttaetige Kurden. D.h. die angesprochenen Bestandteile des angedeuteten Ausgrenzungs- und Eingrenzungsprozesses jeweils auf sich zu reduzieren bringt nicht viel, d.h. sich einzelne Konstruktionen vorzunehmen und sie aufklaerend widerlegend zu wollen funktioniert m.E. nicht. Ihr gegenseitiger Verweisungszusammenhang ist exponiert zu beruecksichtigen, will man ihren Wahrheitsanspruch und ihre Geltungsmacht knacken.

  • Sicherheitsdiskurse umfassen ein Reservoir von Versatzstuecken und Wahrheiten, die immer wieder neu zusammengesetzt/gesampelt werden und je nach Bedrohungskonjunkturen in unterschiedlichen Kombinationen auftauchen. Das heisst nicht, jetzt deren Beliebigkeit zu vermuten. Es meint vielmehr, dass sie sich im Ausgeschlossenen-Kollektiv reproduzieren, vervielfaeltigen und eine Segmentierung und Hierarchisierung ermoeglichen. entlang der genannten Achsen Eigen-Fremd, Opfer-Taeter, deutsch-nichtdeutsch, Buerger-Krimineller. Dies erklaert womoeglich auch den Sachverhalt, dass Ausgeschlossenen-Kollektive gegeneinander ausgespielt werden z.B. Obdachlose gegen Junkies, Junkies gegen auslaendische Dealer usw.
     
  • Medienanalyse birgt zwei im Grund gegensaetzliche Fallen:

    1. Sie kann zu hermetisch geraten. Bei soviel Diskursdickicht und zwingendem Aufeinanderverwiesensein entsteht womoeglich der Eindruck, es gebe keine oder kaum Interventionsmoeglichkeiten, d.h. man laehmt nur das eigene Aktionspotential

    2. Eine Reduktion auf Medienkritik leistet womoeglich einer Wahrnehmung Vorschub, die einzige oder zumindest wesentliche Interventionsebene seien Medien. Dies unterschaetzt zugleich die Geltung und Verwendung neorassistischer Argumentationsmuster und Praktiken. Es kann also nicht darum gehen, z.B. die schreibenden MacherInnen von irgendeiner Schaendlichkeit ihres Tuns ueberzeugen zu wollen, denn diese setzen sie ja nicht originaer in die Welt.
Kontakt
bzw. Belegexemplare
(bei Nachdruck)

an:

Thomas Kunz
Juliusstr. 24
60487 Frankfurt/M.
Tel.: 069-772462
Fax.: 069-773356

 

 

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